Rom. Eine invasive Tierart stört das Gleichgewicht in italienischen Meeren. Zum Ärgernis der Fischer. Jetzt haben sie eine Lösung gefunden.
- Italien gilt als eines der schönsten Länder in Europa: Doch das Land hat mit den Folgen des Klimawandels besonders zu kämpfen
- Das gestörte Gleichgewicht gerät zunehmend durcheinander: Grund dafür sind auch invasive Tierarten, die sich immer mehr ausbreiten
- Jüngstes Beispiel ist die Blaukrabbe, die extreme Schäden anrichtet. Die Regierung erwägt nun drastische Maßnahmen
Zwei zugewanderte blaue Krabbenarten stören das Gleichgewicht in den italienischen Meeresgewässern und richten Schaden in Fischerei und Muschelzucht an. Die Lagune von Orbetello, einem idyllischen Fischerdorf im Süden der Toskana, erlebt derzeit eine Invasion von Blaukrabben. „Bis vor einem Jahr zählte man nur einige hunderte dieser Krabben. Jetzt sind es zehntausende. Sie greifen unsere Fische an und zerschneiden die Fischernetze. Sie fressen die kleineren Goldbrassen sowie Venusmuscheln und Miesmuscheln, die eigentlich die Nahrung der Goldbrassen wären, wodurch ein Nahrungskurzschluss entsteht. Sogar die Aalfischerei ist bereits um 30 Prozent zurückgegangen, weil alle Netze zerschnitten wurden“, klagt Pierluigi Piro, Präsident der Fischergenossenschaft von Orbetello.
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Die Kleinstadt lebt von Tourismus und Fischerei. Die Fischer beliefern seit Generationen die Restaurants der Gegend mit Delikatessen, doch ihr Geschäft wird jetzt von exotischen Krabbenarten bedroht, die das Gleichgewicht im Meer stören. Ins Mittelmeer eingeschleppt wurden die Tiere mit dem lateinischen Namen „Callinectes sapidus“ schon vor Jahrzehnten mit Schiffen.

Blaukrabbe in Italien: Regierung erwägt harte Maßnahmen
Wenn Schiffe aus Häfen auslaufen, saugen ihre gigantischen Motore literweise Meerwasser auf, das als Ballastwasser bekannt ist. Auch Mikroorganismen, Algen und Fischeier werden auf der Fahrt mitgebracht. So soll auch die Blaukrabbe ins Mittelmeer gelangt sein. Zwei nach Italien zugewanderte Arten - Callinectus sapidus und Portunus segnis - stören das Gleichgewicht der Fauna in den Meeresgewässern und richten Schäden in Fischereien und Muschelzucht an. Die bis zu einem Kilo schweren blauen Krabben sind keine wählerischen Fresser: Sie verschlingen Muscheln und Austern, die sie mit ihren scharfen Krallen aufbrechen. Damit zerstören sie sogar Fischernetze. Sie sind auch dafür bekannt, andere kleinere Krabben, Fische und Aale zu vertilgen, die entlang der Küste leben.

Die abwechslungsreiche und unersättliche Ernährung dieses Krustentiers hat die mediterrane Nahrungskette inzwischen destabilisiert. Fischer, die ihren regulären Fang suchen, haben Schwierigkeiten. Betroffen ist vor allem die nördliche Adriaregion, in der sich die Blaukrabbe auch dank der steigenden Temperaturen des Meeres stark verbreitet hat. Das Tier steht exemplarisch für ein globales Problem: Eingeschleppte Arten, die die heimische Natur gefährden. Das Phänomen nimmt Ausmaße einer echten "Naturkatastrophe" an, die das Überleben der Fischwirtschaft unterminiert. Dagegen greift jetzt auch die Regierung in Rom ein. Das Kabinett um die rechtspopulistische Premierministerin Giorgia Meloni erklärt den eingewanderten Schalentieren den Krieg und macht dafür 3,9 Millionen Euro locker. Wie bei einer Ministerratssitzung diese Woche beschlossen wurde, soll der "Killer der Meere" verstärkt gefangen und von Restaurants als Delikatesse angeboten werden. Die Gefahr ist ansonsten, dass es in drei bis vier Monaten keine Mies-, Venusmuscheln und Austern mehr geben werde. Dies würde Schluss mit "Spaghetti alle Vongole", Pasta mit Miesmuscheln, bedeuten, einem Lieblingsgericht der Italiener. "Die Tätigkeit der kleinen Fischer in Italien ist in Gefahr", klagt der Präsident des Landwirtschaftsverbands Coldiretti Ettore Pandini. 3.000 Fischereibetriebe in der Deltaregion des Flusses Po an der Mündung zur Adria seien vom Aus bedroht.
Die Finanzierungen der Regierung sollen Fischergenossenschaften und Aquakulturunternehmen zugutekommen, die für den Fang und die Beseitigung der Blaukrabbe aufkommen. Die Krabben sollen mit besonders robusten Netzen gefangen und auf Mülldeponien entsorgt werden. Dabei sollen auch die hohen Entsorgungskosten berücksichtigt werden
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Italien: Gefährliche Krabbeninvasion besorgt Fischer
„Diese Krabben, die bis zu 23 Zentimer lang sein können, sind sehr aggressiv, sie fressen alles, was sie finden. Zuchtfische laufen Gefahr, in kurzer Zeit dezimiert zu werden. Wir sind hilflose Zeugen einer Katastrophe: Die Lagune von Orbetello und die gesamte Küste werden von blauen Krabben befallen“, argumentiert Andrea Bartoli, Vizepräsident des Fischerverbands Fedagripesca Toskana.
Eine Lösung haben jetzt die ebenfalls von der Krabbenplage belasteten Fischer in der Adria gefunden. Sie beliefern verstärkt Restaurants nahe Venedig und in Triest, die die Blaukrabbe auf die Speisekarte gesetzt haben. Sie hoffen damit, ihre Zahl zu reduzieren.
Auf dem weltbekannten Rialto-Fischmarkt in Venedig hat Paolo Zane alle Hände voll zu tun. Die blaue Krabbe verkauft er für etwa 12 Euro pro Kilo. „Vor Jahren, als die Blaukrabbe in der Adria noch eher unbekannt war, lag der Preis bei etwa 3 oder 4 Euro. Jetzt ist sie sehr gefragt: Die Kunden beginnen sie zu schätzen. Einige von uns belieferte Gastronomen haben sie auf ihr Menü gesetzt und die Resultate sind durchaus ermutigend, berichtet Zane.
Auf der Insel Mazzorbo, eine halbe Stunde mit dem Boot von Venedig entfernt, hat sich die Blaukrabbe auf der Speisekarte bereits etabliert: Ein mit einem Michelin-Stern ausgezeichnetes Feinschmeckerlokal hat sich auf die Zubereitung von Gerichten aus eingewanderten Tieren, die den in der Lagune von Venedig heimischen Arten schaden, spezialisiert. Mit einem verstärkten Fang der Balukrabbe hofft man, ihre schädliche Auswirkung auf das Gleichgewicht des Meeres in Schranken zu halten.
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Wie Italien gegen gefährliches Meerestier kämpft
Die ursprüngliche Heimat der Blaukrabbe ist die Atlantikküste von Nordamerika und Südamerika. Mittlerweile ist sie auch in japanischen Gewässern, der Ostsee, der Nordsee, dem Mittelmeer, der Adria und im Schwarzen Meer anzutreffen. Wahrscheinlich ist die Krabbe mit Ballastwasser in die italienischen Gewässer eingeschleppt worden. Sie wird zu den invasiven Tierarten gezählt, die mit ihrer Ausbreitung Lebensräume, Arten oder Ökosysteme beeinträchtigen können.
Wissenschaftlicher Name | Callinectes sapidus |
Lebensraum | Atlantikküste Nordamerikas, vom Neuengland bis Argentinien |
Ernährung | Allesfresser: kleine Fische, Algen, Mollusken, Detritus |
Besonderheiten | Ihre Scheren können eine lebhafte blaue Färbung aufweisen |
Nutzung durch Menschen | Beliebte Speise, insbesondere in der Region Chesapeake Bay (USA) |
Ausserdem soll die tückische Krabbenart jetzt verstärkt als Spezialität in den Fischrestaurants angeboten werden. Restaurants nahe Venedig und Triest haben daher die Blaukrabbe auf ihre Speisekarte gesetzt. Sie hoffen damit, ihren Beitrag zur Eingrenzung des Schalentiers zu leisten. Das Fleisch der Blaukrabbe ist reich an Vitamin B12, außerdem ist es aufgrund seines feinen Geschmacks in der Gastronomie vielfältig anwendbar. Die Preise für diese Krabbenart liegen bei etwa zehn Euro pro Kilo.
„Die Blaukrabbe ist köstlich"
Der Parlamentarier Mauro Malaguti appelliert an die italienischen Köche, sie verstärkt auf ihre Speisekarte zu setzen. „Die Blaukrabbe ist köstlich, man kann damit ausgezeichnete Spaghetti zubereiten und neue Rezepte erfinden. Wir müssen die besten Rezepte mit Blaukrabben auszeichnen. So können wir den Fang steigern und unsere Meere von dieser aggressiven Tierart befreien“, so Malaguti.
Häufige Fragen und Antworten zur Blaukrabbe
Wo ist der natürliche Lebensraum der Blaukrabbe?
Die Blaukrabbe findet man vornehmlich an der Atlantikküste Nordamerikas, von Neuengland bis hinunter nach Argentinien.
Wovon ernährt sich die Blaukrabbe hauptsächlich?
Die Blaukrabbe ist ein Allesfresser. Sie verzehrt kleine Fische, Algen, Mollusken und Detritus.
Warum wird die Krabbe als "Blaukrabbe" bezeichnet?
Dieser Name leitet sich von ihren charakteristischen blauen Scheren ab, die besonders bei lebenden Exemplaren auffällig sind.
Ist die Blaukrabbe für den Menschen von wirtschaftlichem Wert?
Ja, sie ist besonders in der Region Chesapeake Bay in den USA eine beliebte Speise und wird dort kommerziell gefischt.
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