Berlin. Bei der Debatte um die Corona-Impfung überwiegen die Vorteile für Millionen. Doch die Bilanz zeigt auch, welche Fehler gemacht wurden.
„Willkommen im Paradies.“ Mit diesen Worten hat ein Mitarbeiter zu Beginn der Impfkampagne gegen Covid-19 die Besucher eines Berliner Impfzentrums begrüßt – immer und immer wieder. Sein Spruch bescherte ihm deutschlandweit mediale Aufmerksamkeit. Er traf damit die Gefühlslage vieler Menschen. Sie wollten endlich besser geschützt sein vor dieser unheimlichen Krankheit.
Die Entwicklung von Corona-Impfstoffen gehört zu den bemerkenswertesten Geschichten dieser Pandemie. Das alles verlief so schnell wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Die meisten Bürgerinnen und Bürger haben dabei Wissenschaft und Politik vertraut. Laut Robert Koch-Institut sind hierzulande in kurzer Zeit mehr als 192 Millionen Einzelimpfungen verabreicht worden. Ohne Vertrauen wäre das unmöglich gewesen.
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Corona-Impfung: Potenzial für Verschwörungsmythen
Die Pandemie im Allgemeinen und die Impfung im Besonderen bergen aber auch das Potenzial, Wissenschaftsfeindlichkeit, Populismus und Verschwörungsmythen zu produzieren. Diese These lässt sich leicht überprüfen, dazu reicht ein Blick ins Internet. Deshalb kann eine vorläufige Impfbilanz heikel sein.

Fakt ist, dass es Impfreaktionen, -komplikationen, schwerwiegende Nebenwirkungen, Impfschäden und auch das sogenannte Post-Vac-Syndrom wirklich gibt. In der Folge führten diese zu Schmerzen, Fieber, Nesselsucht, zu den Herzkrankheiten Myo- beziehungsweise Perikarditis, zu Blutgerinnseln im Gehirn, zu Gesichtslähmungen, Muskelschwäche oder auch langanhaltender Mattigkeit. Einige dieser Folgen waren erwartbar, andere nicht.
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Impfkomplikationen, schwere Nebenwirkungen und Impfschäden sind aber selten. Die Melderate für Verdachtsfälle auf Impfnebenwirkungen liegt nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts bei 1,8 pro 1000 verabreichten Impfdosen. Die Rate für Verdachtsfälle schwerwiegender Nebenwirkungen und Komplikationen liegt bei 0,3 pro 1000. Es gibt etwa 120 Fälle, bei denen zwischen einem Todesfall und der Corona-Impfung ein „wahrscheinlicher oder möglicher ursächlicher Zusammenhang“ anerkannt worden ist.
Hinter diesen Zahlen verbergen sich Schicksale. Menschen, die leiden oder sogar gestorben sind. Nehmen wir diese in den Blick, wird es schmerzhaft. Das Paradies? Wirklich?
Corona-Impfung: Bilanz zeigt auch verspieltes Vertrauen
Das Wort Bilanz kommt aus dem Lateinischen. Bilancia bedeutet Waage. Es geht ums Wiegen – und damit auch ums Abwägen. Bei der vorläufigen Impfbilanz zählt auch das Große und Ganze. Und dabei überwiegen die Vorteile für Millionen – der Schutz vor schweren Verläufen, Spätfolgen und Tod. Schlicht falsch ist die Behauptung, es gäbe diese Vorteile nicht und die Wissenschaft hätte die Impfrisiken samt und sonders unter den Teppich gekehrt. Das hat sie nicht. In Deutschland war die Ständige Impfkommission sogar besonders vorsichtig.
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Trotzdem zeigt die vorläufige Bilanz auch schwere Fehler: Zu früh und zu vehement haben führende Virologinnen und Virologen betont, dass die Impfungen die Corona-Wellen brechen und Infektionen verhindern könnten. Sie machten die Impfung quasi zu einem Wundermittel, das sie nicht ist. Und geradezu irrsinnig war eine Aussage von Gesundheitsminister Karl Lauterbach, der die Impfung als nebenwirkungsfrei bezeichnet hatte, wofür er sich später entschuldigte.
In beiden Fällen ist Vertrauen verspielt worden. Das darf sich nicht wiederholen. Denn die Impfung ist medizingeschichtlich eine große Errungenschaft. Wer sie in Verruf bringt, agiert grob fahrlässig.