Sydney. In der neuseeländischen Presse wird der sechs Monate alte Junge nur „Baby W“ genannt. „Baby W“ hat in der vergangenen Woche eine Debatte unter den rund fünf Millionen Neuseeländern ausgelöst, die eines der Völker waren, die sich sehr diszipliniert an Pandemiemaßnahmen gehalten haben und wo 90 Prozent der Bevölkerung ab zwölf Jahren gegen Covid-19 geimpft sind.
Dass „Baby W“ nun für Furore im Land gesorgt hat, liegt an einer kleinen, aber lautstarken Gruppe an Impfgegnern im Land. Das sechs Monate alte Baby war mit einem Herzfehler geboren worden und benötigte eine dringende Herzoperation. Die Eltern des Kindes wollten dieser aber nur dann zustimmen, wenn im Falle einer Transfusion nur das Blut einer Person verwendet würde, die nicht gegen Corona geimpft ist. Ein ähnlicher Fall hatte im Februar in Italien bereits für Aufsehen gesorgt.
In Neuseeland wurde die Situation daraufhin ähnlich wie in Italien gelöst. Den Eltern wurde kurzzeitig das Sorgerecht des Kindes entzogen. Ein Gericht in Auckland setzte die Ärzte als Vormunde ein, damit die lebensrettende Operation stattfinden konnte.
Am Freitag wurde „Baby W“ dann erfolgreich operiert und die Anwältin der Eltern, Sue Grey, hat inzwischen gegenüber dem lokalen Sender RNZ bestätigt, dass es „Baby W“ gut gehe. Die Vormundschaft soll so lange andauern, bis „Baby W“ auch die Nachbehandlung gut überstanden hat, maximal bis Ende Januar 2023.
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Direkter Blutspender „einfach unpraktisch“
Der Fall zeigt erneut auf, welche Auswirkungen Fehlinformationen rund um die Covid-19-Impfkampagne haben können. So glaubten die Eltern des Babys, dass es Spike-Proteine im Blut von Menschen gebe, die geimpft wurden, und dass diese Proteine unerwartete Todesfälle im Zusammenhang mit Transfusionen verursachen könnten.
Laut des neuseeländischen Blutdienstes ist die Wahrscheinlichkeit, Spike-Protein in gespendetem Blut zu finden, jedoch „sehr gering“. Dies komme nur bei manchen Geimpften in den ersten zwei Wochen nach Erhalt eines mRNA-Impfstoffes vor, heißt es auf der Webseite des Dienstes. Und weiter: „Es gibt keine Hinweise darauf, dass dies ein Risiko für die Empfänger darstellt.“
Die Eltern forderten aber trotzdem eine Zusicherung, dass ihr Kind nur das Blut eines ungeimpften Spenders erhalten sollte. Dies verweigerte der Blutdienst, der keinen Unterschied zwischen geimpften und ungeimpften Spendern macht.
Der Vorschlag der Eltern, das Blut eines ungeimpften Bekannten zu verwenden, wurde auch von der leitenden Kinderherzchirurgin abgelehnt, da es „einfach unpraktisch“ sei, einen direkten Spender zu haben, wie sie vor Gericht aussagte. Der Fall rief in Neuseeland Dutzende Impfgegner auf den Plan, die vor dem Krankenhaus protestierten.
Risse im „perfekten Bild“
Obwohl Neuseeland lange Zeit als Corona-Vorbild galt, haben sich seit Anfang des Jahres mehr und mehr Risse im „perfekten“ Bild aufgetan. Bereits im März musste die Polizei einen über drei Wochen andauernden Protest von Impfgegnern am Parlament in Wellington auflösen. Dabei kam es zu chaotischen und gewaltsamen Szenen, die damals um die Welt gingen.
Zuvor hatten geschlossene Grenzen, ein strenges Quarantäneprogramm und Blitzlockdowns nach Covid-Ausbrüchen die Pandemie lange Zeit von dem Inselstaat ferngehalten. Bis zu dem Zeitpunkt der Demonstration waren weniger als 60 Menschen an Covid-19 gestorben.
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Die No-Covid-Strategie der Regierung, die die Bevölkerung bis zum Abschluss der Impfkampagne schützen sollte, wurde von der neuseeländischen Bevölkerung lange Zeit begrüßt: Die Unterstützung für die Pandemiemaßnahmen war sehr hoch, der Zusammenhalt im Land bemerkenswert. Auch die Impfungen selbst wurden gut angenommen: 90 Prozent der über Zwölfjährigen sind geimpft.
Pandemiemanagement unter der Lupe
Trotzdem gelang es einer kleinen Gruppe wütender Bürger und Impfgegner eine lautstarke Minderheit zu werden. Bereits während des Protests vor dem Parlament warnten Forscher vor dem Potenzial einer Radikalisierung und die gewaltsame Auseinandersetzung mit der Polizei bestätigte ihre Bedenken letztendlich. Auch im aktuellen Fall von „Baby W“ musste das Krankenhaus die Polizei rufen, um die Sicherheit des Babys und des Krankenhauspersonals sicherzustellen.
Die neuseeländische Regierung versucht, lautstarken Kritikern mit viel Transparenz entgegenzutreten. Inzwischen wurde eine sogenannte „Royal Commission“ eingesetzt, die das Pandemiemanagement im Land analysieren soll. Dadurch soll festgestellt werden, welche Aspekte erfolgreich waren und welche eventuell auch nicht. Letztendlich geht es vor allem darum, für künftige Pandemien besser aufgestellt zu sein.
Neuseeland hat sich dieses Jahr nach zwei Jahren Abschottung wieder schrittweise geöffnet. Seit August sind die Grenzen wieder vollständig für alle offen. Mit der Zunahme der Normalität steigen jedoch auch die Covid-Fälle in dem Inselstaat. Inzwischen zählt das Land fast zwei Millionen Infektionen und 2235 Tote.
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Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.