Berlin. „Immer günstige Preise für die beste Qualität.“ Mit diesem Spruch wirbt Lidl in seinem neuen Prospekt für Apfelsaft (99 Cent), grobe Bratwürste (4,99 Euro für 800 g) und Luftmatratzen (8,99 Euro das Stück). Mit solchen Schnäppchenangeboten hat es Lidl in den letzten Jahren an die Spitze der deutschen Lebensmittel-Discounter geschafft. Lidl lohnt sich, so das Versprechen – aber für wen?
Um diese Frage zu beantworten, traten bei der Dokumentation „Lidl: die Insider – Verkaufstricks beim Discounter-Riesen“, die Dienstagabend um 20.15 Uhr auf ZDF lief, vier langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor die Kamera. Aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen oder dem Ruf eines „Nestbeschmutzers“ trugen sie aufwendige Masken, ihre Stimmen wurden nachgesprochen. Sie wollten über die Tricks und „miesen Maschen beim Einkauf“ aufklären, mit denen Lidl seine Kundinnen und Kunden zu mehr Konsum verführen möchte.
Lidl: Kritik an ZDF-Doku im Netz
Dafür, so erzählen die Ex-Mitarbeiter, seien bereits die extra großen Einkaufswägen bei Lidl so optimiert, dass man mehr Waren hineinlegen würde. Regelmäßig werde frisches Brot gebacken, weil wir umgeben von wohligen Gerüchen mehr kaufen würden. Und auch die Platzierung der Gemüse- und Obsttheke am Eingang einer jeden Filiale sei wohlüberlegt. In Sachen Kundenbeeinflussung sei Lidl „meisterlich“, so das ZDF. In den Märkten werde rein gar nichts dem Zufall überlassen. Das solche „Tricks“ auch andere Discounter nutzen, ignorierte die Dokumentation allerdings. Ein Kritikpunkt, der nach der Ausstrahlung auch lautstark auf Twitter diskutiert wurde.
Doch während einige dieser Verkaufstricks seit Jahren bekannt sind, bringt die Dokumentation auch einige fragwürdige Werbungen und Kampagnen von Lidl ins Rampenlicht. Lesen Sie auch: Mogelpackungen: Wie Aldi, Lidl und Co. Kunden austricksen
Da ist zum Beispiel die Sache mit den Wasserflaschen. Mit dem Claim „So geht Recycling“ wirbt Lidl für die Einwegflaschen der Eigenmarke Saskia. Sie sollen zu 100 Prozent aus recycelten Flaschen des Unternehmens bestehen. Der Recyclingkreislauf sei also geschlossen. Aber stimmt das wirklich? „Nach unserer Einschätzung ist das Greenwashing“, erklärt Thomas Fischer, Experte für Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe e.V.. Das wiedergewonnene Pfand von Lidl sei nicht ausreichend, um den Bedarf an neuen Flaschen zu decken. Um die Maschinerie am Laufen zu halten, müsse Lidl deshalb ständig neues Material von anderen Händlern in den Kreislauf pumpen. „Diesen 100 Prozent Recyclingkreislauf gibt es so also gar nicht.“ Ein ehemaliger Mitarbeiter wettert: „Was Lidl über Einweg erzählt, ist Müll.“
ZDF-Doku: Lidl-Mitarbeiterin arbeitete zwölf Stunden am Tag
Und auch beim Thema persönliche Daten lohnt es sich bei Lidl genauer hinzuschauen. 2020 lancierte der Discounter seine eigene App „Lidl Plus“. Wer sie auf sein Handy lädt, kann sich jede Woche Sonderangebote oder gratis Produkte sicher. Besonders für Schnäppchenjäger klingt dieses Angebot verlockend. Doch dafür zahlen die Kunden einen Preis. Denn wer die App installiert, muss nicht nur Name, Alter, Anschrift, E-Mail-Adresse und Mobilfunknummer hinterlassen, auch seine Einkaufsdaten werden gespeichert. Lidl weiß also genau, was, wann und wo jede und jeder von uns einkauft. Ein weiterer Schritt in Richtung gläserner Kunde. Außerdem, ergänzt ein Insider, würden Rabatts und Coupons Kundinnen und Kunden animieren, mehr zu kaufen, als sie eigentlich benötigen.
Zentraler Bestandteil des Films ist auch der psychische Druck, der auf den Mitarbeitenden lastet. „Es war für mich auch irgendwann einer der Gründe, dass ich sagen musste, ich verlasse das Unternehmen“, erzählt eine langjährige Filialleiterin. „Ich habe es rein körperlich und auch geistig-psychisch gar nicht geschafft habe, vernünftig mein Privatleben zu leben.“ Sie habe regelmäßig bis zu zwölf Stunden pro Tag gearbeitet und unbezahlte Überstunden gemacht, um die vom Unternehmen aufgestellten Zahlen zu schaffen. Außerdem berichtet sie von einem internen Rankingsystem unter den Mitarbeitenden, das den psychischen Druck noch weiter erhöht hätte.
In 45 Minuten hat die Dokumentation in schnellem Tempo viele spannende Einblicke in die Methoden des Discounters gegeben. Nur: Erklären, wie man die Kostenfallen am besten umschiffen kann - das tut der Film nicht.
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