Berlin. Im Februar springt ein Virus auf einem asiatischen Wildmarkt auf Menschen über. Infizierte reisen nach Deutschland. Das Robert Koch-Institut (RKI) nennt den Erreger Modi-SARS. Er breitet sich aus. Symptome: Fieber, Husten, Atemnot. Etwa sechs Millionen Menschen erkranken in den ersten 300 Tagen in Deutschland. Das Gesundheitssystem ist überfordert. Viele Infizierte sterben. Großveranstaltungen werden abgesagt, Schulen geschlossen. Die Wirtschaft ist heftig angeschlagen. Modi-SARS tritt in mehreren Wellen auf. Und ist erst nach drei Jahren dank eines Impfstoffes unter Kontrolle.
Was klingt wie ein Schnelldurchlauf der Corona-Pandemie, ist das Szenario einer Risikoanalyse, die das RKI gemeinsam mit Behörden wie dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sowie der Bundesnetzagentur durchgeführt hat – im Jahr 2013. Solche Simulationen werden durchgespielt, um sich besser auf Pandemien vorzubereiten und Schwachstellen zu erkennen.
Leopardenpocken: G7-Minister um Karl Lauterbach simulieren eine Pandemie
Im Mai dieses Jahres haben sich Karl Lauterbach und die anderen Gesundheitsminister der G7-Staaten gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Europäischen Union ein Pockenpandemie-Szenario ausgedacht, das durch einen Leopardenbiss ausgelöst wurde. Aus gutem Grund, wie das Bundesgesundheitsministerium erklärt.
Ein gutes Krisenmanagement werde angesichts der globalisierten Welt und Krisen aller Art immer wichtiger, sagt eine Sprecherin aus Lauterbachs Haus: „Übungen sind nützliche Instrumente, um die Vorsorgebereitschaft, das ‚Preparedness-Niveau‘, einzuschätzen.“ Durch Analysen werden Risiken einer Pandemie und gleichzeitig die Lücken in den Fähigkeiten von Regierungen und Organisationen aufgezeigt. Doch wie funktionieren solche Simulationen?
Alle Übungen erfordern ein Ausgangsszenario, das entsprechend realistisch geplant werden muss. Eine Aufgabe des Szenarios ist es, bestimmte strategische Ziele und ihre jeweiligen Akteure zu unterstützen.
- Hintergründe: Symptome und Übertragung – Die wichtigsten Infos zu den Affenpocken
- Affenpocken: Alle aktuellen Infos und Entwicklungen
- Verbreitung: Karte zeigt Affenpocken-Fälle in Deutschland, Europa und der Welt
- Pusteln: Bilder des Ausschlags – So sehen Affenpocken aus
- Regeln: Müssen die Haustiere von Affenpocken-Infizierten getötet werden?
RKI-Analyse von 2013: Modi-SARS liefert wichtige Erkenntnisse
Es war kein Zufall, dass die fiktive RKI-Pandemie von 2013 ausgerechnet von einem SARS-Virus ausgelöst wurde. Die natürliche SARS-Variante habe 2003 unterschiedliche Gesundheitssysteme weltweit an ihre Grenzen gebracht, zudem könne ein Virus dieser Art plötzlich auftreten, hieß es damals in der Risikoanalyse – im Jahr 2020 trat tatsächlich solch ein Erreger in Gestalt von SARS-CoV-2 auf.
In dem Analyse-Szenario von 2013 wird beschrieben, dass Modi-SARS hauptsächlich durch Tröpfcheninfektionen übertragen wird. Das Planspiel bewegt sich in einem Zeitraum von drei Jahren. Dann erst sei ein Impfstoff verfügbar und die Pandemie beendet, nehmen die Wissenschaftler an.
Viele Maßnahmen, die die Forschungsgruppe in der Simulation aufzeigen, kommen bekannt vor: Maske tragen, das öffentliche Leben herunterfahren, Quarantäne. Der Versorgung im Bereich der Kritischen Infrastruktur müsse „höchste Priorität“ eingeräumt werden. Wichtige Erkenntnisse aus dem Szenario sind zudem, dass die Bevölkerung verunsichert werden könnte. Das wiederum könnte zu Misstrauen gegenüber staatlichen Behörden führen. Und dass mit einem drastischeren Pandemie-Verlauf gerechnet werden müsse, falls keine Gegenmaßnahmen getroffen werden.
G7, EU und WHO: Leopardenpocken-Szenario stärkt die Zusammenarbeit
Zu diesen Schutzinstrumenten griff die Regierung auch, um die realen Corona-Pandemie einzudämmen. Das ist keine Überraschung: Die Ergebnisse der Risikoanalyse flossen in beide Teile des Nationalen Pandemieplans ein, teilt das Robert Koch-Institut mit, „unter anderem zu Möglichkeiten und Grenzen von mathematischen Modellierungen sowie zur lage- und situationsabhängigen Risikobewertung und Umsetzung adäquater Maßnahmen“.
Bei dem aktuellen Leopardenpocken-Szenario der G7, der WHO und der EU wurden vor allem strategische Fragestellungen diskutiert, sagt die Sprecherin des Bundesgesundheitsministerium: „Die Übung bestand aus verschiedenen interaktiven Elementen: kurzen Videos, Abstimmungsfrage und Diskussionen zu Fragen, die durch zwei Moderatorinnen moderiert wurden.“
Ziel der G7-Übung sei gewesen, die politischen Entscheidungsträger und Experten zu sensibilisieren und offene Debatten anhand konkreter strategischer Fragestellungen und praktischer Abläufe zu ermöglichen.
Gesundheitsministerium: Kein Zusammenhang zwischen Leopardenpocken und Affenpocken
Konkret sah das Szenario wie folgt aus: Ein Forscherteam kommt mit wilden Leoparden in Kontakt. Mitglieder werden gekratzt und gebissen. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch erfolgt daraufhin durch Tröpfcheninfektionen aber auch durch den Kontakt zu „Pusteln“ und „Krusten“ auf der Haut. Die Letalität, also die Sterberate, ist höher als bei Covid-19, die vulnerable Gruppe sind die Jugendlichen. Schnell konnte auf Basis des alten Pockenimpfstoffs ein Vakzin entwickelt werden.
- Lesen Sie hier: Wie Affenpocken übertragen werden und was die Symptome sind
Die Simulation habe zu einer lebhaften Diskussion unter den Vertretern geführt, berichtet das Bundesgesundheitsministerium. Außerdem habe sie das Vertrauen untereinander gestärkt, denn viele Entscheidungen mussten auf einer relativ unsicheren Informationslage getroffen werden, heißt es weiter aus Lauterbachs Behörde, die übrigens betont: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen dem fiktiven Leopardenpocken-Szenario und dem realen Affenpocken-Ausbruch Ende Mai. Die Simulation sei „sehr viel früher“ entwickelt worden.
- Corona-Warn-App: Warum man sie noch nicht löschen sollte
- Corona: Neue Variante breitet sich aus – das ist "Acrux"
- Corona-Variante: XXB-Omikron macht China zu schaffen
- Querdenker: Vorwurf der Volksverhetzung: Sucharit Bhakdi freigesprochen
- Nach Corona: Virologe Drosten warnt vor weltweiter Pandemie mit Mers-Virus
- Urlaub 2023: Corona-Impfpflicht für Flugreisende in den USA gekippt
- Nicht Covid-19: WHO warnt vor Affenpocken – Virus könnte mutieren
- Corona weltweit: Interaktive Karte zeigt wichtigste Daten auf einen Blick
Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de