Berlin/Manaus. Über 100.000 Menschen sind in Brasilien an Covid-19 gestorben. Warum die brasilianische P.1-Mutation gefährlich ist, lesen Sie hier.
- Brasilien leidet unter der Corona-Mutation P.1
- Die brasilianische Variante tötet im mehr Menschen im Land
- Sie breitet sich zudem langsam über den Globus aus
- Unlängst hat P.1 die Urlaubsinsel Mallorca erreicht
- Experten sind alarmiert und warnen vor der Gefahr
- Lesen Sie hier, was die brasilianische Mutation so gefährlich macht
Es sind dramatische Worte, die Brasiliens Ex-Präsident Lula da Silva im "Spiegel" äußerte: "Am Dienstag sind in Brasilien 3158 Menschen an Covid gestorben, es ist der größte Genozid unserer Geschichte", sagte Lula dem Nachrichtenmagazin am Freitag. Am selben Tag meldete das Gesundheitsministerium des Landes 100.158 neue Coronafälle – für einen einzigen Tag.
Über 300.000 Menschen sind in Brasilien bereits an Covid-19 gestorben, vielerorts sind die Gesundheitsbehörden am Limit oder ganz zusammengebrochen. Medikamente werden örtlich knapp, unter anderem solche, die zur Intubation von Corona-Patienten und Patientinnen benötigt werden. Sieben Tage soll der Vorrat noch reichen, berichtete die Zeitung "O Globo" in der dritten Märzwoche.
Nicht nur wird das Land regiert von einem Präsidenten Jair Bolosonaro, der Covid-19 gerne als Grippe abtut und den Sinn von Impfungen nur langsam begreift. Es wird zudem heimgesucht von der P.1-Variante des Coronavirus, die als wesentlich gefährlicher gilt als der Wildtyp oder die Mutationen aus Großbritannien oder Südafrika.

Brasilianische Mutation: P.1 im November erstmals nachgewiesen
Nachgewiesen wurde die P.1-Mutation erstmals im brasilianischen Staat Amazonas. In dessen Hauptstadt Manaus war es Ende 2020 zu einer Welle von Krankenhauseinweisungen gekommen, die Forschende aufhorchen ließ. Die Stadt war bereits von einer ersten Infektionswelle überrollt worden, theoretisch hätte Herdenimmunität bestehen müssen. Noch im Januar 2021 hatten brasilianische Experten im Fachblatt "Science" den Anteil der Bewohner von Manaus, die sich bis Oktober infiziert hatten, auf mehr als 70 Prozent geschätzt. Die zweite Welle deutete aber darauf hin, dass im brasilianischen Urwald eine neue Corona-Gefahr umging.
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Corona in Brasilien: Lauterbach warnt vor Mutante
Vor der fürchten sich längst nicht mehr nur Menschen in Brasilien. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach nannte die brasilianische Mutante unlängst "die größte Gefahr bisher". Sie verbinde mehr Ansteckung, Sterblichkeit und Teil-Resistenz gegen Impfungen und sei deswegen "eine weltweite Bedrohung". Damit hat Lauterbach die drei Problemfelder benannt, die P.1 zu einer ungleich größeren Bedrohung machen könnten als bisherige Varianten des Coronavirus.
Brasilianische Virusmutation: P.1 wesentlich ansteckender
Einer Preprint-Studie von Anfang März zufolge soll die brasilianische Variante um bis zu 150 Prozent leichter übertagbar sein als der Wildtyp. Preprint bedeutet, dass die Ergebnisse der Studie noch nicht von Fachleuten begutachtet wurden. Zum Vergleich: Die derzeit in Deutschland umgreifende Variante B.1.1.7 ist lediglich zwischen 40 und 60 Prozent ansteckender.
Andere Studien attestieren der Mutation eine ähnlich hohe Übertragbarkeit. Zwar ist die Datenlage aus der Amazonasregion eher schwach – dennoch hält auch das Robert Koch-Institut eine erhöhte Ansteckungsgefahr für "denkbar".
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Brasilianische Variante: Antikörper wohl weniger wirksam
Die große Gefahr von P.1 liegt zudem nicht nur an der offenbar wesentlich höheren Übertragbarkeit, die – wie derzeit in Brasilien – unter anderem dazu führen kann, dass Ärzte ohne vorhergehende Betäubung ein Rohr in die Luftröhre ihrer Patienten einführen müssen, um diese an ein Beatmungsgerät anschließen zu können. Zusätzlich, so formuliert es das RKI vorsichtig, "wird für diese Variante eine Reduktion der Wirksamkeit neutralisierender Antikörper bei Genesenen bzw. Geimpften angenommen".
Die neue Variante soll in Manaus in zwischen 25 und 61 Prozent der Fälle eine erneute Infektion ausgelöst haben, berichteten Forschende dazu Anfang März in einer anderen Preprint-Studie. Dabei hatten die Patientinnen und Patienten bereits eine Infektion mit einer anderen Coronavirus-Variante überstanden.
Immerhin: Die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Astrazeneca wirken Studien zufolge besser gegen die brasilianische Mutante als bisher angenommen. Bei der brasilianischen Variante erzielten die Impfstoffe eine ähnliche Wirkung wie bei der britischen Variante, wie aus der noch nicht von Fachleuten begutachteten Studie hervorgeht, die die Universität Oxford Mitte März veröffentlichte.
Die Studie zeigte aber auch, dass die von den Impfstoffen produzierten Antikörper generell gegen die Virusvarianten weniger wirksam sind, als beim Wildtyp.
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Mutation in Brasilien: P.1 soll zu mehr Toten führen
Der letzte Punkt, auf den Lauterbach abhebt, ist wohl auch der unsicherste: die höhere Sterblichkeitsrate bei Infektionen mit der P.1-Mutation. Forschende der Universität São Paulo haben für die Variante in Manaus eine um 1,1 bis 1,8 Mal höhere Sterblichkeit errechnet.
Unklar hierbei ist jedoch, in wie weit das zusammengebrochene Gesundheitswesen zu dem höheren Sterberisiko beiträgt. Die Toten könnten zumindest zu einem Teil auch darauf zurückzuführen sein, dass die medizinische Versorgung nicht mehr sichergestellt ist.
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Brasilianische Mutante: Forschende warnen vor globaler Gefahr
Mit seiner drastischen Wortwahl steht Lauterbach im Übrigen keineswegs allein da. Die brasilianische Mikrobiologin Natalia Pasternak sprach bei CNN ebenfalls von einer globalen Gefahr, die von Brasilien ausgehe.
Die dort immer mehr außer Kontrolle geratende Pandemie könnte dort weitere Varianten hervorbringen. "Mehr Varianten bedeuten, dass es eine größere Wahrscheinlichkeit gibt, dass eine dieser Varianten wirklich allen Impfstoffen entkommt", warnte Pasternak.
Harvard-Epidemiologe Eric Feigl-Ding machte seinerseits in einem längeren Thread auf Twitter auf die Gefahren aufmerksam: "Wenn P.1 weltweit außer Kontrolle gerät, sind wir alle in Gefahr", schrieb der Wissenschaftler und untermauerte seine Warnung mit einer Reihe von Studien.
P.1 auf Mallorca nachgewiesen
Die brasilianische Mutante breitet sich langsam über den Globus aus. Unlängst konnte sie erstmals auf der Ferieninsel Mallorca nachgewiesen werden. Bei einer routinemäßigen Sequenzierung eines positiven PCR-Tests vom 29. März wurde P.1 entdeckt – das bedeutet, das die Variante war bereits dort, bevor deutsche Osterreisende auf die Insel flogen.
Brasilianische Mutante hat Deutschland schon erreicht
Bereits am 21. Januar 2021 wurde das mutierte Virus bei einem Reiserückkehrer aus Brasilien in Hessen nachgewiesen. Bereits während des Fluges sei bekannt gegeben worden, dass eine positive Person mit an Bord sein könnte. Der PCR-Test hätte dann Gewissheit gegeben habe, wie Professorin Sandra Ciesek, Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt am Main, der "Ärztezeitung" berichtete.
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Brasilien: Auswärtiges Amt warnt vor Reisen
Das Auswärtige Amt warnt wegen ausdrücklich vor nicht notwendigen, touristischen Reisen nach Brasilien. "Brasilien ist von Covid-19 besonders stark betroffen. Dort wurde zudem eine neue, ansteckendere Variante von Covid-19 festgestellt", heißt es auf der Seite des Auswärtigen Amtes. Seit dem 19. Januar ist Brasilien wegen der neuen Coronavariante als Gebiet mit besonders hohem Infektionsrisiko eingestuft.
Einreisende aus Brasilien nach Deutschland müssen neben der bestehenden Anmeldepflicht und grundsätzlichen Quarantänepflicht zudem den Nachweis eines negativen COVID-19-Tests in deutscher oder englischer Sprache mitführen (mit Flugzeug beim Check-in/Boarding).