Madrid. Union Berlin startet zum Auftakt der Champions League mit einem 0:1 bei Rekordsieger Real Madrid. Bellingham trifft ganz, ganz spät.
Als das Bernabeu-Stadion sich schon längst geleert hatte, die Greenkeeper bereits sich um den Rasen der Arena kümmerten, waren die rund 4000 Fans von Union Berlin immer noch auf ihren Plätzen. Singend, ihre Mannschaft feiernd, die so dicht an einer Sensation war, um am Ende doch die Wucht hinnehmen zu müssen, die Real Madrid ausmacht.
„Das ist bitter für die gesamte Mannschaft. Ich finde, wir haben eine sehr gute Leistung gezeigt“, sagte Union-Torwart Frederik Rönnow nach dem 0:1 (0:0) beim Rekordsieger der Champions League. Unions Premiere in der Königsklasse – sie wäre beinahe in einer Sensation geendet. Über 90 Minuten lang lieferten die Köpenicker dem haushohen Favoriten einen leidenschaftlichen, einen bravourösen Kampf.
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Dann kam die fünfte Minute der Nachspielzeit, und Jude Bellingham sorgte mit seinem Treffer für eine Europapokal-Logik, die Union so lange hatte aushebeln können. „Wir haben mit Mut und Selbstvertrauen gespielt, aber natürlich brauchst du auch ein bisschen Glück“, sagte Rönnow. Dieses Glück hatte Union eine Minute vor dem Abpfiff aufgebraucht.
Union Berlin zeigt pure Vorfreude
Gut zwei Stunden zuvor hatte ein Blick in die Gesichter der Union-Profis während der Champions-League-Hymne genügt, um zu erkennen, was sie in den kommenden gut 90 Minuten vor sich hatten. Es war pure Vorfreude, die mit dem Anpfiff in Konzentration mündete. Nein, Union wollte sich gegen den Rekordsieger nicht kampflos ergeben, und so ging das Fischer-Team auch zu Werke.
Natürlich hatte Real mehr Ballbesitz. Natürlich erspielten sich die Madrilenen auch Möglichkeiten. Jedoch in der ersten Halbzeit keine, die Union-Torwart Frederik Rönnow vor unlösbare Probleme stellte. Viel wichtiger: Union fiel nicht auf den Trödel-Trick des spanischen Rekordmeisters rein, dessen Passspiel vor allem hinten herum den Gegner herauslocken sollte.
Nach 41 Sekunden sah Lucas Tousart bereits Gelb, weil er Reals Luca Modric gehalten hatte. Und den ersten Torabschluss durch Kevin Behrens konterte Madrid mit Joselu-Aktionen (3., 6., 24.). Bezeichnend: Aurelien Tchouameni drosch den Ball aus 22 Metern in den Oberrang.
Dauerdruck von Real nach dem Seitenwechsel
Union nervte Real, ohne in Ehrfurcht zu erstarren – und geriet nach dem Seitenwechsel fast folgerichtig unter Dauerdruck. Wütende Madrider Angriffe endeten in Chancen durch Jude Bellingham, der am Ball vorbeirutschte (50.), dann musste Rönnow in höchster Not gegen Rodrygo klären (51.), der direkt im Anschluss noch den Pfosten traf. Schließlich rettete Leonardo Bonucci, der sein Union-Debüt für den verletzten Robin Knoche gab, erst gegen den quirligen Rodrygo (54.), dann im Verbund mit Rönnow gegen Joselu (54.).

Überhaupt Bonucci: Immer wieder versuchte der italienische Europameister mit Gesten seinen Mitspielern zu verdeutlichen, Ruhe zu bewahren. Auf der anderen Seite zauberte Modric immer wieder einen seiner famosen Außenristpässe zum Mitspieler. Joselu köpfte erneut an den Pfosten (63.) – Union wankte mächtig.
„Diese Ruhe von Real – es steht 0:0 gegen Union, aber du hast nie das Gefühl, dass sie Stress bekommen“, benannte Union-Coach Fischer die an diesem Abend wohl größte Qualität der Gastgeber: „Wenn es um die Entwicklung einer Mannschaft geht, dann geht es genau um solche Spiele.“
Rönnow und Bonucci halten Union Berlin im Spiel
In der 66. Minute wurde der unfassbare Unterschied beider Kader deutlich: Real-Coach Carlo Ancelotti brachte Toni Kroos für Eduardo Camavinga – Union-Trainer Fischer wechselte Brenden Aaronson für Aissa Laidouni und Kevin Volland für Behrens. Real drängte nun mit aller Macht, Rönnow ist beim Fernschuss von Modric zur Stelle (69.). Und wieder Joselu – hauchdünn am Pfosten vorbei (83.).
Dann kam die fünfte Nachspielminute, und Bellingham nutzte einen Ball, der durch den Union-Strafraum flipperte und schließlich völlig frei vor ihm lag. 0:1, Unions Abwehrschlacht wurde nicht belohnt. „Natürlich sind wir enttäuscht, wenn dir eine Minute fehlt, um einen Punkt aus Madrid mitzunehmen“, bilanzierte Coach Fischer: „Am Schluss ist der Fußball aber immer gerecht.“
Oder wie es Stürmer Kevin Behrens ausdrückte: „Ja, wir sind enttäuscht. Aber wir können auch froh und stolz sein, dass wir so lange mitgehalten haben.“ In den Gesängen der Fans nach dem Spiel waren diese Freude und dieser Stolz nicht zu überhören.