Leverkusen/Berlin. Unions Traumreise in der Bundesliga endet mit dem 0:5 in Leverkusen. Die Tabellenführung ist nach dem Debakel weg.
Er vergrub sein Gesicht im Trikot, wollte sich am liebsten im Rasen einbuddeln: Unions Torhüter Lennart Grill hatte seinen Anteil daran, dass die sieben Spieltage währende Traumreise an der Spitze der Fußball-Bundesliga ein jähes Ende für Union Berlin gefunden hat. Mehr noch tat aber das Ergebnis im Spiel bei Bayer 04 Leverkusen weh: Das 0:5 (0:0) bedeutet die höchste Niederlage in der Erstliga-Historie der Köpenicker.
Dabei war die erste Hälfte aus Sicht von Trainer Urs Fischer gut, da hätten seine Spieler noch alles unter Kontrolle gehabt. „Das 0:1 hat uns dann aber den Stecker gezogen. Das zweite Gegentor ist ein Geschenk, beim dritten funktioniert die Restverteidigung nicht. Du musst da Sicherheit an den Tag legen, wir aber laufen ins offene Messer. Das war Jugendfußball“, erklärte der Schweizer schonungslos.
Kurz vor der Halbzeit waren die Leverkusener Kreativköpfe Kerem Demirbay und Nadiem Amiri noch genervt. Extrem genervt sogar von einer Unioner Mannschaft, deren Vorhaben zu erahnen, der aber trotzdem nicht beizukommen war. Die Köpenicker hatten in der BayArena keine Lust, den Favoriten raushängen zu lassen. Sie beschränkten sich zunächst einmal mehr auf ihre Defensivtugenden.
Im ersten Durchgang nervt Union Leverkusens Kreativköpfe
Die Berliner hatten Bayer schnell da, wo sie den Kontrahenten haben wollten – und die Leverkusener keinen Plan, wie sie an der schnell nach hinten umschaltenden Berliner Mittelfeld- und Abwehrkette vorbeikommen sollten. Die Heimelf spielte mit zu vielen Kontakten auf engem Raum, fand nie den richtigen Zeitpunkt für die Pässe in die Tiefe, fing an zu hadern.
Oft wurde mit Moussa Diaby einer der schnellsten Spieler der Bundesliga gesucht, der aber nur allzu selten in den Sprint kam. Und wenn das mal der Fall war, waren sich die Berliner nicht zu schade dafür, das taktische Foul zu ziehen. Paradebeispiel war Rani Khediras Tackling gegen Diaby nach einem der seltenen Unioner Ballverluste, wobei Khedira die Verwarnung gern in Kauf nahm (24.).
Bei Union Berlin beginnt im Sturm wieder Siebatcheu für Michel
Und offensiv? Da kam es doch ein bisschen überraschend, dass Fischer wieder auf Jordan Siebatcheu neben Sheraldo Becker in der vordersten Reihe gebaut hatte, statt dem Siegtorschützen in der Europa League vom Donnerstag, Sven Michel, dessen erstes Bundesligaspiel von Beginn an in dieser Saison zu gestatten.
Als das Spiel lief, war aber klar, warum Jordan spielte: Der US-Stürmer hatte etliche lange Bälle zu verarbeiten, wobei ihm oft Anspielstationen fehlten, um gefährliche Aktionen zu erzeugen. So blieb es chancentechnisch bis zur Pause bei einem Schuss von Julian Ryerson (2.) und einem Kopfball von Diogo Leite (40.). Viel mehr brachte aber auch Bayer Leverkusen bis zur Pause nicht zuwege.
Das dritte Mal in Folge gerät Union Berlin nach einer Ecke in Rückstand
Das sollte sich nach Wiederanpfiff aber ändern, und zwar schnell: Der Ex-Unioner Robert Andrich setzte sich gerade mal 52 Sekunden nach Wiederanpfiff im Zweikampf mit Khedira durch, traf zum 1:0 für die Bayer-Elf, jubelte anschließend andächtig (46.). Die Unioner hatten es wie schon an den beiden vergangenen Sonntagspartien in Bochum und gegen Mönchengladbach nicht geschafft, einen Eckball, in diesem Fall den von Kerem Demirbay, zu verteidigen.

Anschließend nahm das Unheil seinen Lauf: Statt wie vor Wochenfrist gegen Gladbach mit einer Energieleistung das Spiel zu drehen, versprang Schlussmann Lennart Grill, für den am Oberschenkel verletzten Stammkeeper Frederik Rönnow im Tor, nach einem Rückpass von Khedira der Ball gegen Jeremie Frimpong. Danach setzte Diaby zum 35-Meter-Lauf an und schob zum 2:0 ins verwaiste Tor ein (56.).
Unions Torwart Lennart Grill unterläuft gegen Stammverein dicker Bock
Grill, der von Leverkusen an Union ausgeliehen ist, kam da nicht mehr hinterher – und danach auch seine Mitstreiter nicht mehr gegen eine Leverkusener Elf, bei der alle Fesseln gelöst waren. „Wir kassieren zwei blöde Tore, die nicht sein müssen. Was danach passiert, darf nicht passieren“, beschrieb Kapitän Christopher Trimmel die folgenden 20 Minuten.
Die Berliner rannten in dieser Phase ungewohnt unstrukturiert an und ließen nach eigenen Ballverlusten noch in der ersten Hälfte nicht für möglich gehaltene Lücken. Leverkusen brachte nun seine Geschwindigkeit auf den Rasen, vor allem über die linke Seite, und erwies sich bei den weiteren Treffern von Diaby (58.), Adam Hlozek (68.) und Mitchel Baker (76.) ungewohnt effizient.
Kapitän Christopher Trimmel: „0:5 kann grandiose Saison nicht schmälern“
Bei diesen fünf Gegentreffern blieb es immerhin aus Union-Sicht. Christopher Trimmel war trotz des 0:5 aber alles andere als sauer: „Uns allen war bewusst, dass es mal solch eine Klatsche geben kann. Das kann diese grandiose Saison aber nicht schmälern.“