Berlin. Das Ende der Jobgarantie: Vieles deutet bei Hertha auf einen Abschied von Trainer Schwarz hin. Ist der Tabellenletzte noch zu retten?

Es herrschte große Anspannung. Das Offensichtliche sprach bei Hertha BSC am Sonnabend aber erst einmal niemand aus. Stattdessen gab es etliche Hinweise darauf, dass die Zeit von Trainer Sandro Schwarz beim Berliner Fußball-Bundesligisten abgelaufen ist.

Nach dem desaströsen Auftritt am Freitagabend beim 2:5 auf Schalke, kam der 44-Jährige am nächsten Vormittag an der Geschäftsstelle an. Das öffentliche Training wurde abgesagt, die Mannschaft ging laufen. Allerdings ohne ihren Chefcoach. Der musste sich währenddessen der Führungsetage um Sportdirektor Benjamin Weber, Finanz-Geschäftsführer Tom Herrich und Andreas „Zecke“ Neuendorf, Leiter der Lizenzspieler-Abteilung, erklären.

Ein „Weiter so“ soll’s bei Hertha BSC nicht geben

Als die Spieler langsam Richtung Kabine trabten, hatte Schwarz – ebenso wie sein Assistent Volkan Bulut – gerade den Heimweg angetreten. Nach zehn Monaten in Berlin das Ende für den Trainer, der den Hauptstadtklub endlich wieder in ruhigere Fahrwasser führen sollte?

Vollzug meldete Hertha bis zum Sonnabendnachmittag nicht. Dass es ungeachtet aller Anzeichen mit Schwarz weitergeht, davon ist aber trotzdem nicht auszugehen. „Ein Weiter so kann es nicht geben“, hatte Sportdirektor Weber nach dem Debakel auf Schalke verlauten lassen.

Und so begann am Sonnabend das Mutmaßen. Dass Schwarz’ Entlassung erst einmal nicht kommuniziert wurde, deutet darauf hin, dass die Berliner sofort einen Nachfolger präsentieren wollen. In dieser Phase der Saison wäre es auch fahrlässig, noch mehr Zeit zu verlieren.

Zwei mögliche Nachfolger aus dem eigenen Nachwuchs

Sechs Spieltage hätte der Neue an der Seitenlinie, um den taumelnden Tabellenletzten aus Westend doch noch zum Klassenerhalt zu führen, den siebten Abstieg der Bundesliga-Geschichte irgendwie zu verhindern.

Kandidaten für diese Herkulesaufgabe wurden schnell gehandelt. Ante Covic, Herthas U23-Coach. Oder Oliver Reiß. Der Trainer der U19, die am Vormittag noch das Halbfinal-Rückspiel in der A-Junioren-Bundesliga gegen Borussia Dortmund mit 1:0 gewonnen hatte, das 0:4 aus dem Hinspiel aber nicht mehr wettmachen konnte.

Die beiden Übungsleiter aus dem vereinseigenen Nachwuchs wären eine kostengünstige Lösung, die Herthas klammen Kasse entgegenkommen würde. Fraglich aber ist, ob Covic (47) oder Reiß (40) über die nötigen Kompetenzen verfügen, einen Bundesligaklub in dieser brenzligen Situation im Oberhaus zu halten.

Kommt US-Investor 777 zur Hilfe?

Auch der Name Markus Gisdol kursierte. Der 53-Jährige hat da schon mehr Erfahrung in Sachen Abstiegskampf vorzuweisen, rettete Hoffenheim, den Hamburger SV und den 1. FC Köln. Seit dem 1. März 2022 ist Gisdol vertragslos, nachdem er seinen Kontrakt bei Lokomotive Moskau nach Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine auflöste.

Um den gestandenen Bundesliga-Coach nach Berlin zu lotsen, bräuchte es aber wohl die finanzielle Unterstützung von US-Investor 777. Mit frischem Geld in der Hinterhand hätte Hertha deutlich bessere Argumente.

Sollte die Wahl tatsächlich auf Gisdol fallen, wären die Parallelen zu Schwarz kaum zu übersehen. Auch der einstige Bundesliga-Profi kam aus Russland zurück nach Deutschland, trainierte zwei Jahre lang Lokomotives Stadtrivalen Dynamo Moskau.

Parallelen zwischen Kandidat Gisdol und Schwarz

Anders als Gisdol entschied sich Schwarz nach Ausbruch des Krieges zum Bleiben, führte Dynamo bis ins russische Pokalfinale. Im Sommer 2022 trat er dann die Nachfolge von Felix Magath an, der Hertha im Endspurt und schließlich über die Relegation zum Klassenerhalt manövrierte.

In seinen zehn Monaten beim Hauptstadtklub sammelte Schwarz allerdings nur fünf Siege und sieben Remis, dafür 16 Niederlagen. Nach dem Erstrunden-Aus im DFB-Pokal Ende Juli bei Eintracht Braunschweig (9:10 n.E.) und der Derby-Pleite beim 1. FC Union (1:3) war der Fehlstart perfekt. Zu keinem Zeitpunkt der Saison stand Hertha besser da als auf Rang 13.

Eine frühere Trennung wäre sinnvoll gewesen

Das 2:5 am Freitagabend dürfte das finale Kapitel einer Geschichte gewesen sein, die von Beginn an nicht das gewünschte Märchen war. Schwarz selbst fand die Diskussion über seine Position „völlig legitim“, wie er verriet. Ein Rauswurf sei „realistisch“.

Das war er auch schon früher in dieser Saison. Herthas Führungsetage um Präsident Kay Bernstein gab dem Chefcoach aber Woche für Woche Rückendeckung, stellte Schwarz immer immer wieder eine Jobgarantie aus und entließ Ende Januar nach der neuerlichen Derby-Niederlage gegen Union (0:2) lieber Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic.

Jetzt haben sie in Westend die nächste Baustelle, den nächsten Unruheherd – und nur noch sechs Spiele Zeit, um den Turnaround doch noch zu schaffen.

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