Im Januar liegen bei Hertha BSC die Nerven blank. 2021 mussten Michael Preetz und Bruno Labbadia gehen. Im vergangenen Jahr wurde die Angst vor dem Abstieg immer größer und die Kritik an Trainer Tayfun Korkut lauter. Und im Januar 2023 muss Fredi Bobic den Berliner Fußball-Bundesligisten verlassen.
Nur gut zweieinhalb Stunden nach der Derby-Niederlage gegen den 1. FC Union (0:2) teilte der Hauptstadtklub mit, dass der Sport-Geschäftsführer von seinen Aufgaben entbunden wurde. Das Präsidium des Berliner Fußball-Bundesligisten habe diese Entscheidung gemeinsam mit dem Aufsichtsrat getroffen, wie es in einer kurzen Mitteilung hieß. Laut „Kicker“ hatte das Präsidium Bobics Aus schon vorbereitet.
Benjamin Weber neuer Hertha-Sportdirektor: „Bin ein Teamplayer“
Benjamin Weber wird als neuer Sportdirektor bei Hertha Aufgaben von Bobic übernehmen. Das gab der kriselnde Fußball-Bundesligist am Sonntag bei einer Pressekonferenz in Berlin bekannt. Als Kaderplaner bleibt Dirk Dufner beim Tabellenvorletzten. Unterstützt wird Weber zudem vom ehemaligen Hertha-Profi Andreas Neuendorf.
„Ich hätte nicht gedacht, dass ich so schnell zu meinem Verein zurückkomme“, sagte Weber, der vor knapp einem Jahr als Leiter der Nachwuchsakademie aufgehört hatte. Insgesamt war der mittlerweile 42-Jährige 18 Jahre für den Club in verschiedenen Position tätig gewesen.
Er habe nach der Zeit ein Stück weit abgeschaltet, aber auch viel hospitiert. „Ich habe den Weg gut wiedergefunden. Es war wie nach Hause zu kommen“, sagte Weber, nicht ohne auf die großen Herausforderungen hinzuweisen. „Ich brenne drauf loszulegen“, sagte Weber und ergänzte mit Blick auf das Ende des Transferfensters am Dienstag.:„Das ist natürlich ein Thema, da noch zu schauen, was möglich ist.“
Damit geht Präsident Kay Bernstein seinen Weg der Berlinisierung weiter. In 52 Spielen als Manager bei Hertha hat Bobic zwölf Siege, elf Remis und 29 Niederlagen zu verantworten – inklusive des wenig rühmlichen Torverhältnisses von 57:103. Eine Bilanz, die alles andere als vorzeigbar ist. Und mit der der 51-Jährige die Erwartungen an seine Person nicht ansatzweise erfüllte.
Bobic sollte den taumelnden Klub nach Jahren der Unbeständigkeit wieder zu Konstanz und Erfolg führen, als er im Sommer 2021 nach erfolgreichen Jahren bei Eintracht Frankfurt seine Arbeit in Westend aufnahm. Innerhalb von 19 Monaten ist das nicht gelungen.
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Alteingesessene Herthaner gegen Personal von Bobic
Im Gegenteil: Als Hertha vergangene Saison den Umweg über die Relegation nehmen musste und erst im allerletzten Moment den Klassenerhalt schaffte, wurde publik, dass der Verein in zwei Lager geteilt ist. Auf der einen Seite die alteingesessenen Herthaner, auf der anderen Seite diejenigen, die Bobic mitgebracht hatte. Grabenkämpfe waren wohl keine Seltenheit. Probleme, die der ohnehin schon zerrüttete Klub nach jahrelanger Unruhe nicht gebrauchen konnte.
Mit Präsident Kay Bernstein kam im Sommer die Hoffnung auf etwas mehr Geräuschlosigkeit in der täglichen Arbeit. Das Verhältnis zu Bobic soll dem Vernehmen nach aber von Beginn an nicht das Beste gewesen sein.
Erst vor knapp zwei Wochen hatte es ein Abendessen der beiden mächtigsten Männer im Verein gegeben – zusammen mit Trainer Sandro Schwarz und Finanz-Geschäftsführer Tom Herrich. Nach den Gerüchten rund um den Deutschen Fußball-Bund (DFB), wo Bobic den zurückgetretenen Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff beerben sollte, brauchte es ein klärendes Gespräch für mehr Einigkeit. Doch der Frieden sollte nur knapp zwei Wochen halten.
Hertha-Präsident Kay Bernstein zog die Notbremse
Deshalb kommt Bernsteins Entscheidung – zumindest was den Zeitpunkt angeht - überraschend. In drei Tagen schließt das Transferfenster, Bobics Baustelle. Der Manager hatte bis zuletzt offen gelassen, ob man angesichts der klammen Kassen noch dringend benötigte Verstärkung nach Westend holt. Laut „Kicker“ sollen bis Dienstag noch mindestens zwei neue Profis kommen.
Bobic stand auch immer wieder wegen Transferpolitik in der Kritik
Bobic stand in seinen eineinhalb Jahren bei Hertha auch immer wieder wegen seiner Transferpolitik in der Kritik. Kaum ein Spieler, der seitdem zu den Blau-Weißen kam, hat die Mannschaft wirklich besser gemacht oder brachte die Qualitäten mit, die es braucht, um weiter oben in der Tabelle mitzuspielen.
Hinzu kamen die Personal-Entscheidungen auf dem Trainerstuhl. Erst entschied sich Bobic, im Sommer 2021 mit Pal Dardai in die Saison zu gehen, dann schmiss er die Vereinslegende noch in der Hinrunde raus. Sein Nachfolger Tayfun Korkut blieb wirkungs- und erfolglos. Es musste Felix Magath, Trainer Nummer drei her, um den Klassenerhalt zu stemmen.
Die Entscheidung, Bobic das Vertrauen zu entziehen, zeigt aber immerhin, dass die Verantwortlichen weiter hinter Trainer Sandro Schwarz stehen. Sonst hätte man den 44-Jährigen – ähnlich wie damals bei Preetz und Labbadia – wohl direkt mit entlassen. Bobic selbst hatte dem Chefcoach noch vor Anpfiff des Derbys eine erneute Jobgarantie ausgesprochen und diese auch nach Abpfiff bestätigt. Wie viel die wert ist, werden die kommenden Wochen zeigen.
Fest steht aber: Hertha gibt im Januar 2023 ein ähnliches Bild wie in den vergangenen Jahren ab. Sportliche Misere, Chaos und Führungskrise – Besserung nicht in Sicht.
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