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Glanzlose Bayern buchen Königsklassen-Halbfinale

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Patrick Strasser
Javi Martinez im Zweikampf mit Sevillas Wissam Ben Yedder

Javi Martinez im Zweikampf mit Sevillas Wissam Ben Yedder

Foto: pa

Den Münchnern reichte im zähen Viertelfinal-Rückspiel gegen die Spanier ein hart erarbeitetes 0:0.

München. Wie geht man in ein Rückspiel im Champions-League-Viertelfinale, wenn man das Hinspiel auswärts 2:1 gewonnen hat? Wenn man das Halbfinale vor Augen hat und schon auf den Freitagmittag schielt, auf die Auslosung. Alles Kopfsache. Nur nicht die Flatter kriegen.

Die Bayern holten gestern Abend vor 70.000 Fans in der Allianz Arena gegen den FC Sevilla ein 0:0, profitierten vom Hinspielerfolg. Es war ein hartes Stück Arbeit, sie mussten nicht nur die taktisch geschickten Gegner, sondern auch ihre Nerven im Griff haben. Denn die beste Warnung an die aktuelle Mannschaft konnten die Bayern in der eigenen Vereinshistorie nachlesen: Im März 2011 verlor man im Achtelfinale nach einem 1:0 bei Inter Mailand zu Hause noch mit 2:3. Damals schon waren Thomas Müller, Franck Ribéry und Arjen Robben dabei.

Diesmal ging es gut. Nach Schlusspfiff rissen die Spieler die Arme hoch, pushten sich – im Wissen, dass dieses Weiterkommen eine Meilenstein gewesen sein könnte. Erstmals seit 2013 – damals ließ man dem FC Barcelona keine Chance – haben die Münchner also ihre Spanien-Allergie überwinden und im Gegensatz zu 2014 bis 2017 (Real, Barca, Atlético, Real) eine K.o.-Runde gegen ein Team aus der Primera División überstehen. Dank Heynckes, dem Spanien-Kenner? Auf einem Plakat in der Südkurve hieß es mit Anspielung auf das Triple 2013:

„Nur Jupp kennt das Cup-Rezept“. Hat es der Titel-Magier? Doch Heynckes will ja immer „Schritt für Schritt gehen“. Gegen Sevilla stellte er angesichts der Sensationswoche in der Königsklasse (AS Rom, Juventus) zwar offensiv auf, ließ aber vorsichtig agieren.

Die Bayern stehen vor Halbfinal-Wochen

Damit steht Bayern zum sechsten Mal in den letzten sieben Jahren im Semifinale. Letzte Saison war man nach einem 1:2 zu Hause mit 2:4 in der Verlängerung bei Real Madrid gescheitert, schon im Viertelfinale.

Nun folgen die Halbfinal-Wochen: Kommenden Dienstag geht es bei Bayer Leverkusen um den Einzug ins DFB-Pokal-Finale, danach steht back-to-back das Champions-League-Halbfinale an (24./25. April und 1./2. Mai). Positiv für Bayern: Keiner der sechs Spieler, denen eine Gelbsperre drohte, wurde verwarnt. Volle Mannschaftsstärke also in zwei und drei Wochen.

Wer die Aufstellung studierte, dem war klar, dass Heynckes der Dienstagabend beeindruckt hat. Der FC Liverpool gewinnt nochmal gegen Manchester City (2:1) und AS Rom schafft die Sensation, wirft Favorit FC Barcelona mit 3:0 aus der Königsklasse. Also stellte der Bayern-Trainer, laut Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge „ein sehr seriöser, konservativer Trainer und Mensch“, seine aktuell beste Elf auf – ohne die Verletzten Manuel Neuer und Kingsley Coman sowie die kurzfristig angeschlagenen Arturo Vidal und David Alaba. Heynckes entschied sich für James, setzte Thiago – im Hinspiel in Spanien als Spanier noch erste Wahl gegen die Spanier – auf die Bank. „Wir sind gewarnt“, sagte Sportdirektor Hasan Salihamdzic knapp. Heynckes wird nun Engelszungen haben, so viele Warnungen dürfte er ausgesprochen haben.

Sevilla spielt aggressiv

Die Abo-Meister begannen wuchtig-offensiv. Schnell wollten sie Klarheit schaffen in diesem Viertelfinal-Rückspiel. Die Spanier setzten wuchtige Härte dagegen. Robert Lewandowski bekam zwei Andenken, an der Schläfe und auf dem Spann. Bayerns 12. Mann in den Anfangsminuten war ein 75-Jähriger: Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt. Waren sie von der Härte der Sevillanos geschockt?

Fortan zogen sich die Gastgeber etwas zurück, Sevilla kam zu Chancen. Plötzlich wartete Bayern ab. Ein Heynckes-Schachzug? Sie konterten im eigenen Stadion, doch das Schussglück und die letzte Konsequenz fehlten. Hin und wieder spürte man: Sie hatten etwas zu verlieren. Das kann lähmen. Konnte es auch.

Nach dem 0:0 zur Pause hatte Sevilla durch den Latten-Kopfball von Correa zunächst die beste Chance (59.). Bayern trotzdem überlegen, aber vorsichtig. Nach der 60. Minute schwanden Sevilla die Kräfte, doch die Gastgeber konnten ihre Konterchancen nicht nutzen. Eine Rudelbildung gab es in der Nachspielzeit als Correa für ein derbes Foul an der Mittellinie gegen Javi Martínez die Rote Karte sah.

Im Halbfinale warten nun drei äußerst attraktive Gegner auf die Bayern: Der gegen Juventus glückliche Titelverteidiger Real Madrid, das Sensationsteam AS Rom und City-Bezwinger Liverpool mit Trainer Jürgen Klopp. Der Ex-Dortmunder Coach sagte vollmundig: „In dieser Champions League-Saison ist keine Mannschaft mehr dabei, die schlechter ist als wir.“ Was zu beweisen sein wird.

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