Interview

Bastian Schweinsteiger ist mit Abstand der Beste

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Lars Wallrodt

Es war das vierte Turnier, das Bastian Schweinsteiger für Deutschland gespielt hat und das mit Abstand beste. Bastian Schweinsteiger, 25, zählt zu den überragenden Persönlichkeiten der WM in Südafrika.

Bastian Schweinsteiger spricht mit Morgenpost Online über die herausragende WM und seinen grandiosen Aufstieg in dieser Saison. Er ist ein heißer Kandidat bei der Wahl zum besten Spieler dieses Turniers ist.

Morgenpost Online: Hinter Ihnen liegt eine lange Saison. Sind die Beine schwer und der Kopf leer?

Bastian Schweinsteiger: Das mit den Beinen würde ich so unterschreiben, aber die gehorchen ja zum Glück immer noch dem Kopf. Und der hatte noch einmal Lust, sich mit Freude von der Weltmeisterschaft zu verabschieden. Natürlich ist der Körper jetzt fast am Ende, aber der Urlaub ist ja auch ganz nah.

Morgenpost Online: Sie haben eine starke Saison beim FC Bayern mit einer bemerkenswerten WM gekrönt. Wie kam es zu dieser unglaublichen Entwicklung?

Schweinsteiger: Ich habe enorm von unserem Bayern-Trainer Louis van Gaal profitiert, sportlich und mental. Wir sind unter ihm sehr lange auf dem Trainingsgelände, er schult uns intensiv. Natürlich kommt es auch immer auf den eigenen Willen zur Veränderung und Verbesserung an.

Morgenpost Online: Hat er Sie verändert?

Schweinsteiger: Ja. Jeder Mensch verändert sich, aber unter ihm hat sich bei mir tatsächlich einiges getan.

Morgenpost Online: Van Gaal ist erst seit einem Jahr beim FC Bayern.

Schweinsteiger: Ich hatte auch davor schon gute Jahre und habe gute Turniere gespielt. Aber was in dieser Saison zum ersten Mal der Fall war, war die Konstanz in meinem Spiel.

Morgenpost Online: Woran lag das?

Schweinsteiger: Van Gaal hat mich zum dritten Kapitän gemacht. Da fühlt man gleich eine ganz andere Verantwortung. Und natürlich hat er mich auf der Position spielen lassen, die ich gelernt habe und mich am wohlsten fühle. Ich wusste schon immer, dass ich in der Mitte besser aufgehoben bin als auf der Außenbahn. Es war leider vorher nicht immer möglich, mich in der Mitte einzusetzen, weil dort Spieler wie Owen Hargreaves, Jens Jeremies oder andere Ältere gespielt haben, die auch sehr gut waren.

Morgenpost Online: Was bedeutet die Position im defensiven Mittelfeld für einen Spieler und für das Spiel der Mannschaft?

Schweinsteiger: Es ist eine Position, die immer im Geschehen ist. Man ist als Sechser nicht abhängig von den Pässen der Mitspieler wie auf der Außenbahn. Man ist immer in Ballnähe, kann stets eingreifen, das Aufbauspiel gestalten und den Takt mitbestimmen. Man muss allerdings auch viele Zweikämpfe bestreiten und viel laufen. Es ist eine sehr wichtige Position.

Morgenpost Online: Sie haben bei der WM die Position vor der Abwehr zusammen mit Sami Khedira gespielt. Eigentlich war Michael Ballack dafür vorgesehen.

Schweinsteiger: Ja, leider hat er sich verletzt. Aber Sami hat unter Beweis gestellt, dass er ihn vertreten kann. Er ist ein guter Spieler, und wenn man mit solchen Spielern zusammenspielt, ist es einfach. Sami hat einen sehr guten Job gemacht, es war ja das erste Turnier für ihn mit der Nationalmannschaft.

Morgenpost Online: Hätte es mit Ballack auch so gut geklappt oder gar besser?

Schweinsteiger: Ballack ist ein sehr erfahrener Spieler, der große Qualitäten besitzt. Jetzt darüber zu sprechen, ob es besser oder schlechter mit ihm gelaufen wäre, ist weder ihm noch Sami gegenüber fair. Die Diskussion ist spekulativ, wir werden ja nie erfahren, was passiert wäre, wenn Michael sich nicht verletzt hätte. Er ist Kapitän dieser Mannschaft, und wenn er zurückkommt, wird er auch wieder die Binde tragen.

Morgenpost Online: Das sieht Philipp Lahm offenbar anders. Er äußerte, dass er die Kapitänsbinde gern behalten möchte.

Schweinsteiger: Zwei Kapitäne, das wäre einer zu viel auf dem Platz. Für mich ist Ballack der Kapitän dieser Mannschaft. Philipp hat nur wegen Michaels Verletzung das Amt übernommen und seine Sache gut gemacht.

Morgenpost Online: Hat Sie der Zeitpunkt von Lahms Aussage geärgert – kurz vor dem Halbfinale gegen Spanien?

Schweinsteiger: Es hat mich schon überrascht, dass er zu diesem Zeitpunkt das Thema anspricht. Das habe ich ihm auch gesagt. Aber die Mannschaft hat das nicht tangiert. Wir waren so konzentriert auf das Spiel, dass das bei uns kein Gesprächsthema war.

Morgenpost Online: Würde Sie das Kapitänsamt reizen?

Schweinsteiger: Es ist für mich nicht entscheidend, ob ich die Binde am Arm trage oder nicht. Ich übernehme auch ohne sie Verantwortung.

Morgenpost Online: Immerhin hat Bundestrainer Joachim Löw Sie zum „Emotional Leader“ ernannt.

Schweinsteiger: Es hat mich überrascht, als ich den Begriff zum ersten Mal gehört habe, aber Löw hat ja Recht damit. Er kennt mich schon fast sechs Jahre und weiß, wie ich bin. Dass ich auf dem Platz Emotionen entfachen kann.

Morgenpost Online: Bei der WM ist Deutschland mit seiner jüngsten Mannschaft seit 1934 angetreten.

Schweinsteiger (lacht): Aber nur, weil Jörg Butt uns den Schnitt verdorben hat (der dritte Torwart ist 36 Jahre alt/d.Red.). Sonst wären wir die jüngste aller Zeiten gewesen.

Morgenpost Online: Ist diese junge Truppe mit ihrem enormen Entwicklungspotenzial automatisch einer der Favoriten bei den kommenden großen Turnieren?

Schweinsteiger: Wir sind auf einem guten Weg, aber für Titel muss noch viel getan werden. Und ich weiß auch, wie schwierig es ist, eine Qualifikation zu spielen. Das steht uns ja als nächstes bevor.

Morgenpost Online: Aber schon jetzt wird die Mannschaft gefeiert, auch von der ausländischen Presse.

Schweinsteiger: Wir haben einen Fußball gezeigt, den eine deutsche Nationalmannschaft so noch nie gespielt hat. Ich habe auch gehört, wie im Ausland jetzt über den deutschen Fußball geschrieben wird. Das hätte uns niemand zugetraut, dass unser Team so spielt. Aber jeder Spieler nimmt auch die Erfahrung mit, das Halbfinale verloren zu haben. Daraus muss man lernen und den Willen haben, sich zu verbessern, damit das nicht mehr passiert. Ich will unbedingt mit der Nationalmannschaft einen großen Titel gewinnen und habe bei dieser Mannschaft auch die große Hoffnung, dass uns das gelingen wird. Doch dafür muss sich jeder Spieler weiter verbessern. Auch ich.

Morgenpost Online: Sie haben die Halbfinalniederlage gegen Spanien angesprochen. Dienen die Spanier als Vorbild für Deutschland?

Schweinsteiger: Ja, absolut. Die Spanier spielen mit fast identischem Kader seit drei Jahren zusammen. Es war beeindruckend zu sehen, wie automatisiert ihr Spiel ist. Die kennen die Laufwege in der Offensive und Defensive in- und auswendig. Zu dieser Perfektion müssen wir auch gelangen. Wir haben ohne Frage gegen England und Argentinien gut gespielt, aber im Halbfinale hat man gesehen, wie groß der Unterschied zur besten Mannschaft der Welt noch ist. Da können wir eine Menge mitnehmen aus diesem Spiel.

Morgenpost Online: Kann Deutschland dort auch hingelangen?

Schweinsteiger: Die beste Mannschaft der Welt zu werden? Man sollte niemals nie sagen, aber dafür muss jeder von uns sehr hart arbeiten und den Willen haben, sich zu verbessern. Dann können wir zu einer sehr, sehr guten Mannschaft werden.

Morgenpost Online: Ihr Vertrag beim FC Bayern läuft bis 2012. Sie spielen seit 1998 im Verein. Wollen Sie der bayerische Uwe Seeler werden?

Schweinsteiger (lacht): Uwe Seeler? Wohl eher Mehmet Scholl. Aber im Ernst: Im Fußball kann man das nicht planen. Bayern München war der Traumverein meiner Kindheit und ich habe es Gott sei dank geschafft, für ihn zu spielen. Aber als Spieler setzt man sich immer neue Ziele, und man muss schauen, welchen Weg der Verein einschlägt. Mein Ziel ist es, die Champions League mit den Bayern zu gewinnen. Dieses Jahr sind wir knapp gescheitert.

Morgenpost Online: Während der WM häuften sich die Gerüchte, wer alles an Ihnen Interesse haben soll. Wird Ihnen der Trubel eigentlich manchmal zu viel?

Schweinsteiger: Natürlich ist man manchmal genervt, aber ich versuche, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und dazu gehört neben dem Sport, ein ganz normales Leben zu führen. München ist zum Glück eine Stadt, in der ich in Ruhe leben kann.

Morgenpost Online: Wie schalten Sie nach der WM ab?

Schweinsteiger: Ich fahre in den Urlaub und lege zehn Tage die Beine hoch. Einfach mal entspannen. Aber dann geht es ja schon wieder los, man steckt sich neue Ziele. Bei Bayern München will und muss man Titel gewinnen. Da ist man schnell wieder in so einem Automatismus drin, der sich fast von selbst steuert.

Morgenpost Online: Haben Sie keine Angst, nach dem verloren gegangenen Champions-League-Finale und dem verpassten WM-Endspiel in ein mentales Loch zu fallen?

Schweinsteiger: Nein, dafür bin ich im Kopf zu stark. Ich habe immer den Willen, jedes Spiel zu gewinnen. Und wenn das mal nicht der Fall sein sollte, ist da ja noch Louis van Gaal. Bei ihm darf man sich nie hängen lassen. Er ist der absolute Perfektionist. Wer da nicht gewinnen will, sollte sich lieber schleunigst entfernen.

Morgenpost Online: Ist das bei Joachim Löw auch der Fall?

Schweinsteiger: Ja, auch wenn er ein anderer Typ Mensch ist. Er hat einen wesentlichen Beitrag zu meiner Entwicklung geleistet. Und weil wir uns schon so lange kennen, muss er gar nicht groß mit mir sprechen. Ich weiß, was er will, und er weiß, was ich kann.

Morgenpost Online: Soll er bleiben?

Schweinsteiger: Natürlich, von mir aus gern. Wenn man sieht, was er seit 2004 geleistet hat, erkennt man, wie gut er ist.