Frankfurt/Main. Christian Seifert zog erst die Augenbrauen hoch, dann legte der Chef der Deutschen Fußball Liga (DFL) Nachdruck in seine Stimme. „Wir werden auf einem Spielfeld nicht 1,5 Meter Abstand halten können. Dennoch wollen wir das bestmögliche Maß an Sicherheit gewährleisten“, sagte Seifert am Donnerstag bei der Vorlage des umstrittenen Plans zum Saison-Neustart inmitten der Corona-Pandemie: „Wenn man dieses Konzept ablehnt, dann ist klar, dass man wahrscheinlich auch in einigen Monaten nicht spielen kann. Dann wäre die Bundesliga ein Kollateralschaden der Coronakrise.“
Trotz dieses düsteren Bilds konnte Seifert (50) nach der virtuellen Krisensitzung der 36 Klubchefs auch positive Nachrichten verbreiten: Die Vereine wären für einen Neustart am 9. Mai bereit – vor allem aber sind selbst finanziell angeschlagene Klubs vorerst nicht mehr akut von einer Pleite bedroht.
Grund dafür ist eine Einigung mit den Inhabern der TV-Rechte, die im Mai eine Vorauszahlung an die Liga leisten werden, obwohl noch nicht klar ist, ob die Saison überhaupt beendet wird. „Das ist eine sehr gute Nachricht, denn das gibt den Vereinen eine gewisse Planungssicherheit“, sagte Herthas Finanz-Geschäftsführer Ingo Schiller, der gemeinsam mit Manager Michael Preetz an der Konferenz teilnahm: „Der Dank gilt hier dem DFL-Präsidium und den Medienpartnern gleichermaßen.“
Seifert: „Nationale Gesundheit hat Vorrang“
Die Liquidität der Vereine ist damit gesichert – zumindest bis zum 30. Juni. Sollte die Saison nicht zu Ende gespielt werden, werde es jedoch um Rückzahlungen gehen“, sagte Seifert: „Dann wird es wirtschaftliche Engpässe möglicherweise später geben.“
Im Kampf um die Existenz bleibt den Klubs derzeit nur die Rolle des Bittstellers – die Weichen werden wohl am Donnerstag kommender Woche in Berlin gestellt. Ob sich die Befürworter oder die Gegner einer Fußball-Sonderrolle durchsetzen, erscheint vor der Konferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Länderchefs offen.
„Entscheidend ist, was die politisch Verantwortlichen beschließen“, betonte Seifert: „Wenn wir ein Datum zum Neustart nennen würden, wäre das anmaßend“, sagte Seifert, der sich betont demütig gab. „Wenn wir den Spielbetrieb wieder aufnehmen dürfen, werden wir uns von Tag zu Tag neu prüfen. Falls sich die Lage wieder verschlechtern sollte, wird der Profifußball selbstverständlich zurückstehen. Die nationale Gesundheit hat immer Vorrang. Wenn nötig, werden wir aufhören zu testen und zu spielen.“
Topklubs zahlen 7,5 Millionen an 3. Liga und Frauen-Liga
Die DFL geht aber davon aus, dass es durch den Spielbetrieb und die wohl benötigten 20.000 Tests keine Einschränkung oder Limitierung der allgemeinen Kapazitäten geben wird. Bei seinen Plänen kann der Profifußball, der als Zeichen der Solidarität 7,5 Millionen Euro an die 3. Liga und die Frauen-Bundesliga auszahlt, auf das Wohlwollen zahlreicher Ministerpräsidenten und des Gesundheitsministers Jens Spahn bauen.
Auf der anderen Seite ist auch die Liste der Bedenkenträger lang. So steht hinter der Unterstützung durch das Robert Koch-Institut ein Fragezeichen, zahlreiche Gesundheitsexperten sind skeptisch. Ein gerichtliches Vorgehen anderer Sportarten gegen die „Lex Fußball“ scheint möglich, verschiedene Interessengruppen sehen ein gesellschaftliches Konfliktpotenzial. Die Sicherheitsbedenken der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sind nicht ausgeräumt, und selbst große Teile der Fans sehen einen Wiederbeginn kritisch.
Um die Zweifel zu beseitigen, hat sich die DFL-Taskforce unter Leitung von DFB-Arzt Tim Meyer mächtig ins Zeug gelegt. Auf 41 Seiten wurde das Prozedere zur Saison-Fortsetzung geregelt. Maximal 300 Menschen auf dem Stadiongelände, Einteilung in Zonen, Fragebögen zur Risikominimierung – all diese Vorschriften sind enthalten.
Spielplan ließe selbst bei Quarantänefällen Puffer
Trotz aller Akribie: Viele offene Fragen bleiben. Etwa für den Fall, dass sich ein Spieler mit Corona infiziert und das zuständige Gesundheitsamt sein gesamtes Team in Quarantäne schickt. In einzelnen Fällen gebe der Spielplan einen gewissen „Puffer“ her, erklärte Seifert, räumte aber ein: „Wenn das gehäuft auftreten sollte, wird’s problematisch.“
Die Taktik der DFL bleibt indes klar: nicht fordern, sondern möglichst perfekte Pässe in den Lauf der Politik spielen. Die Missgunst in der Öffentlichkeit habe ihn überrascht, gab Seifert zu: „Wir müssen uns vielleicht fragen, was der Profi-Fußball falsch gemacht hat.“ Vorerst bleibt vor allem das Prinzip Hoffnung. Auf das grüne Licht der Entscheider und eine Saisonfortsetzung im Mai. Zur Not, sagte Seifert, wäre sogar ein Saisonende im Juli abbildbar. BM/sid
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