Berlin. Mit einer Körpergröße von 1,40 Metern hat man einige Vorteile. Man kann im Handgepäckfach reisen, die Hitzewelle im Kühlschrank überstehen und notfalls auch im eigenen Koffer schlafen, wenn kein Bett in Sicht ist. Das mag alles etwas absurd klingen. Bei Niko Kappel und Mathias Mester gehört es aber zum Alltag dazu.
Die beiden kleinwüchsigen Para-Leichtathleten zeigen sich in genau solchen Situationen auf ihren Instagram-Profilen. Sie wollen damit zur Inklusion (gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung) beitragen. Nehmen sich nicht immer so ernst, stellen sich – häufig im Doppelpack – mit viel Selbstironie dar und nennen sich Bonsai und Weltmester.
Zwei Halbe in Berlin
Auch im Vorfeld der Para Leichtathletik-EM, die an diesem Montag (bis 26. August) im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark beginnt, haben der 23 Jahre alte Kappel und der acht Jahre ältere Mester um Aufmerksamkeit gekämpft. Mit Fotos aus dem Trainingslager in Kienbaum und mit einem Video – Arbeitstitel: Zwei Halbe in Berlin.
Doch im Kampf gegen Barrieren und für mehr Akzeptanz von Menschen mit Behinderung machen Kugelstoßer Kappel und Speerwerfer Mester keine halben Sachen. Sie mögen vielleicht kleine Sportler sein, sind dafür aber umso größere Vorbilder. Im Umgang mit Behinderungen und im Umgang mit einer überforderten Gesellschaft. Sie zeigen, dass ihre Körpergröße kein wirkliches Handicap ist, nichts, womit man Berührungsängste haben müsste. Die Ironie hilft ihnen dabei.
Kappel und Mester verkörpern Inklusion
Auch im Sport. Kappel, Paralympicssieger 2016 und Weltmeister 2017, trainiert in einer Gruppe mit den deutschen Kugelstoßern Alina Kenzel und Tobias Dahm. Mester, siebenmaliger Weltmeister mit Kugel, Diskus und Speer, hat sich in dieser Saison schon Unterstützung von den deutschen 90-Meter-Werfern Andreas Hofmann und Johannes Vetter geholt.
Denn der Athlet vom 1. FC Kaiserslautern hat für die EM in Berlin ein Ziel. Er will nach vier Jahren ohne Titel endlich wieder einen großen internationalen Erfolg feiern. Mester muss sich bis zu seinem Wettkampf aber noch etwas gedulden. Die Speerwerfer seiner Startklasse sind erst am Sonntag dran.
Kugelstoßer erster Höhepunkt der Titelkämpfe
Dafür kann er seinen Kumpel Kappel schon an diesem Montag anfeuern. Denn die Kugelstoßer bilden am späten Nachmittag den ersten Höhepunkt der Titelkämpfe – mit Kappel, einem der Aushängeschilder der deutschen Para-Leichtathletik. Mester wird vielleicht etwas stolz sein, wenn sein Freund den Kugelstoßring betritt. Denn ohne ihn würde Kappel dort wohl nicht stehen. 2008 sah der damals 13 Jahre alte Niko Kappel im Fernsehen, wie Mester bei den Paralympics in Peking die Silbermedaille im Kugelstoßen gewann. Er wollte ihm nacheifern, irgendwann mindestens genauso erfolgreich sein.
Ein Jahr später stellte Kappel die entscheidende Frage: „Was muss ich tun, um an den Paralympics teilzunehmen?“ Hart arbeiten und niemals den Glauben an sich selbst verlieren. Das tat der Athlet des VfL Sindelfingen und wurde 2015 in den Nationalkader berufen. Und nun kämpft er heute um den dritten internationalen Titel seiner Karriere. „Der EM-Titel wird nur über den Weltrekord gehen“, sagte Kappel einem Sindelfinger Nachrichtenportal. Gut, dass er den in diesem Jahr schon gestoßen hat. Beim integrativen Sportfest in Leverkusen Anfang Juni stellte Kappel die neue Bestmarke auf (14,02 Meter) und stieß als erster Kleinwüchsiger über 14 Meter. Nun ist er in Berlin der Gejagte, hat seinen Dauerrivalen, den Polen Bartosz Tyszkowski, an der Spitze abgelöst. „Natürlich bin ich Favorit“, sagte der Weltrekordhalter selbstbewusst.
Vielleicht kann Kappel mit einem erfolgreichen Wettkampf zum Auftakt der Titelkämpfe dieses Mal ein Vorbild für Mester sein. Der Speerwerfer könnte dann am Sonntag für einen ebenso erfolgreichen Abschluss der EM sorgen. Zwei Freunde, Europameister im Doppelpack, das würde auf den Instagram-Profilen sicherlich mit weiteren lustigen Fotos gefeiert werden.
Für Markus Rehm ist der Sieg nicht genug