Düsseldorf. – Wladimir Klitschko flüchtete nach dem traurigen Ende seiner Regentschaft durch die Tiefgarage von der großen Bühne. Um 1.55 Uhr düste er im Luxusauto in die verregnete Düsseldorfer Nacht, schwer gezeichnet und wie versteinert.
„Ich habe mich im Spiegel gesehen. Das sieht überhaupt nicht gut aus“, sagte der verbeulte Koloss, der im Ring gegen den Derwisch Tyson Fury wie ein alter Mann ausgesehen hatte.
Jedoch: „Dieser kleine Krieg ist verloren, aber nicht der Krieger Wladimir!“, sagte der 39-Jährige und stieß einen Zeigefinger in die Höhe: „Es wird einen Rückkampf geben. Fortsetzung folgt...“
Das wird sie. Eine entsprechende Klausel, das bestätigte Klitschkos Manager Bernd Bönte, war wie immer im Vertrag verankert – und sie wird nach der Box-Sensation des Jahres auch umgesetzt. „Die Show geht weiter!“, betonte Klitschkos älterer Bruder Witali.
„Alle haben gesagt, es sei langweilig. Jetzt hat Wladimir verloren, und das Interesse am nächsten Kampf wird der Wahnsinn.“
Hayden Panettiere: „Er bleibt mein Champion“
An einem denkwürdigen Abend, der das Schwergewichtsboxen neu ordnen wird, endete eine Ära. Während Sensationsweltmeister Fury nach einer Sektdusche einen Aerosmith-Song für seine schwangere Frau sang und Wladimir Klitschko Trost in den Armen seiner Lebensgefährtin Hayden Panettiere (“Er bleibt mein Champion“) suchte, stellte sein Bruder essenzielle Fragen. „Sehen wir Wladimir noch einmal in Topform? War es ein schlechter Tag? Oder gab es Gründe?“
Der frühere WBC-Champion war in seiner Analyse vernichtend, bei weitem der schärfste Kritiker seines Bruders inmitten verdutzter Experten. „Er hatte keine Technik, keine Kondition – nichts. Von seinem Riesenpotenzial hat er nichts gezeigt“, urteilte er. Die englische Daily Mail schrieb, versteckt in ihrer Fury-Eloge: „Klitschko kann jetzt eigentlich aufhören.“ Andere Medien nannten ihn tapsig, ratlos.
Wladimir Klitschko, Wunde unterm linken Auge, rechte Augenbraue geklammert, dicke Beulen überall, wusste selbst nicht, wo er ansetzen sollte. „Falsch war, dass ich nicht gewonnen habe“, sagte er. Alles andere brauche Zeit. Denn: „Es ist ungewohnt, nicht in der Haut des Siegers zu stecken.“
Fury: „Gott hat mir den Sieg geschenkt“
Neuneinhalb Jahre lang hat er das Schwergewicht dominiert, manch einer sagt: eingeschläfert. Gegner auf Augenhöhe gab es keine, meist reichte dem Champion ein jab-basiertes Sicherheitsboxen, um an der Macht zu bleiben.
Nun aber kam Fury daher, erfrischende zwölf Jahre jünger, und stürmte mit dem ersten Gong los. Wie ein Wilder wackelte er, er schlug, tänzelte blitzschnell, traf eisenhart, zwischendurch verhöhnte er Klitschko, indem er die Arme hinter dem Rücken verschränkte.
Deckung? Unnötig. „Gott hat mir den Sieg geschenkt. Ich boxe Wlad gerne wieder, egal, ob in Japan oder Usbekistan“, sagte er. Sein einstimmiger Punktsieg war verdient.
Warum Klitschko seinen Trainer vermisste
Der Champion dagegen war überfordert, er taumelte durch den Ring und entdeckte seinen Kampfgeist erst in der zehnten Runde, die den Kampf zu einer Schlacht werden ließ. „Ich wusste, dass ich hinten liege, unbedingt einen K.o. brauche“, sagte Klitschko. Die Runden 13, 14 und 15 wären ein Spektakel gewesen. „Fury krönt sich auf einem Thron voller Blut“, kommentierte die Sun.
In den schweren Minuten vermisste Klitschko seine 2012 verstorbene Trainer-Legende Emanuel Stewart wie noch nie. Johnathon Banks (33) war nicht in der Lage, die richtigen Anweisungen zu geben. „Verlassen Sie sich darauf: Stewart hätte ihm gesagt, was zu tun ist“, betonte Ex-Champion Lennox Lewis.
Für Klitschko war das kein Trost, den findet er bei seinen Lieben. „Ich freue mich, meine kleine Familie wiederzusehen, auf den ersten Geburtstag meiner Tochter Kaya - und auf Weihnachten“, sagte er. Dann öffnete sich die Hintertür im stickigen Presseraum, und er trat ab. „Seine“ WM-Gürtel lagen auf dem Tisch. Vor Tyson Fury.