Klitschko-Verletzung

Sdunek in Sorge um Vitali – "Wahnsinniger Schreck"

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Gunnar Meinhardt

Gegen Herausforderer Chisora boxte Vitali Klitschko neun Runden praktisch nur mit einem Arm. Nun hofft sein Trainer, dass er die Karriere nicht beenden muss.

Morgenpost Online: Herr Sdunek (65), wie haben Sie den Moment von Vitalis Verletzung erlebt?

Fritz Sdunek: Seine Führungshand kam plötzlich nicht. Drei Runden lief alles planmäßig, doch dann sagte Vitali in der Rundenpause zu mir: "Mir tut die linke Schulter weh, ich kann den linken Arm nicht mehr richtig bewegen, habe keine Kraft mehr im Arm."

Morgenpost Online: Haben Sie gesehen, wie es dazu kam?

Sdunek: Nein. Bei welchem Schlag es passiert ist, kann ich nicht sagen. Jedenfalls ist es die gleiche Schulter, die er sich im WM-Kampf gegen Chris Byrd vor zwölf Jahren in Berlin verletzt hatte. Damals hatte er sich die Supraspinatussehne in der linken Schulter gerissen, woraufhin der Kampf in der neunten Runde abgebrochen werden musste.

Morgenpost Online: Was war Ihr erster Gedanke?

Sdunek: Mir ist ein wahnsinniger Schreck in die Glieder gefahren. Mir kamen sofort die Bilder vom Byrd-Kampf in den Sinn. Ich dachte nur: Hoffentlich hält er das diesmal durch.

Morgenpost Online: Was haben Sie Vitali gesagt, nachdem er Sie wissen ließ, es geht nicht mehr mit der Linken?

Sdunek: Dass er die Ruhe bewahren soll. Wir werden das gemeinsam durchstehen. Und ich riet ihm, sich auf den Beinen mehr zu bewegen...

Morgenpost Online: ...was er gut umsetzte.

Sdunek: Vitali musste ein anderes Tempo gehen. Auch das viele Halten am Mann war eine taktische Konsequenz aus der Verletzung. Irgendwie musste er versuchen, über die Runden zu kommen, aber gleichzeitig musste er auch noch Gefahr ausstrahlen und punkten.

Morgenpost Online: Gab es zu irgendeinem Zeitpunkt die Überlegung, den Kampf so wie gegen Byrd abzubrechen?

Sdunek: Nein, den gab es Gott sei Dank diesmal nicht. Geholfen hat uns auch die Regel des World Boxing Councils. Er ist der einzige Weltverband, der nach der vierten und achten Runde die Punktstände ansagen lässt. Dadurch wussten wir, dass wir auf Kurs lagen und eigentlich nichts passieren konnte, wenn Vitali seine Taktik so durchhält. So schlimm wie gegen Byrd war die Verletzung auch nicht. Er hatte bloß keine Kraft mehr.

Morgenpost Online: Auch seine gefürchtete Rechte war diesmal nicht so hart in ihrer Wirkung?

Sdunek: Das ist kein Wunder. Es war ja seine einzige Waffe. Und wenn du damit zuviel arbeiten musst, wirst du natürlich schneller fest.

Morgenpost Online: War Vitali auch zu fest, weil er Chisora unbedingt ausknocken wollte?

Sdunek: Ich denke nicht. Bis zur Verletzung hat er doch locker geboxt. Ich bin mir sicher, er hätte ihn Mitte des Kampfes auch ausgeknockt. Doch mit nur einer Hand war das nicht möglich.

Morgenpost Online: Chisora erwies sich überraschenderweise als ein ernstzunehmender Gegner, oder?

Sdunek: Das kann man sagen. Für's Schwergewicht ging er ein höllisches Tempo. Es war schon unheimlich, wie er permanent versuchte, Druck auszuüben. Vitali hätte sich öfter mit der linken Schulter rausdrehen müssen und dabei dann den rechten Aufwärtshaken schlagen. Doch das ging leider nicht.

Morgenpost Online: Ist es denkbar, dass er seine Karriere beenden muss?

Sdunek: Ich hoffe nicht. Wir haben noch einiges vor.

Morgenpost Online: Haben sie es schon mal erlebt, dass ein Kämpfer von Ihnen eine Ohrfeige vom Gegner bekam?

Sdunek: Nein, das war für mich auch ein neues Kapitel. Chisora wollte provozieren, Vitali sollte die Nerven verlieren. Doch da ist er bei Vitali an die falsche Person geraten. Ich hoffe nur, dass Chisora dafür richtig bestraft wird. Und auch die von Chisora und Haye ausgelösten Tumulte bei der Pressekonferenz müssen Konsequenzen haben. Sie haben den Boxsport mit ihrem Verhalten extrem geschadet.