Im Grunde funktionierte ich wie ein kleiner Computer. Im Milieu drückte ich die Taste "knallharter Lude", und das entsprechende Programm wurde abgerufen. Im Sportverein hieß es "erfolgreicher Kämpfer", und das "Hassprogramm Frauen" lief eigentlich ununterbrochen.
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Ich legte bei einer Bordellhure andere Kriterien zugrunde als auf dem Straßenstrich. Vulgäre Frauen sind Gift für ein Bordell. Ich zog Frauen vor, die dem Kunden das Gefühl gaben, er sei eigentlich nur auf ein Glas Wein vorbeigekommen und ganz zufällig habe sich mehr ergeben. Nach zwei, drei Jahren fühlte ich mich so hohl wie ein Beamter nach dreißig Jahren Bürodienst.
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Nur bei extremer Unsauberkeit durfte die Frau dem Typen die Leviten lesen. Blieb der Schmutz im Rahmen, wurden auch die ekligen Typen bedient. Die Frauen säuberten sich anschließend die Hände und spülten gründlich den Mund aus. In meinem Auto standen immer mehrere Wasserflaschen bereit. In so einer Situation stand ich grundsätzlich hinter der Frau. Schließlich wollte ich sie hinterher auch mal anfassen und ihr einen Kuss geben.
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Wenn ich die Frauen bestrafte, tat mir keine einzige leid. Im Gegenteil, bestrafen war geil und machte mich munter. Nur bei Marion hatte ich hinterher ein schlechtes Gewissen, dass ich sie so brutal behandelt hatte.
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Was Hanna bei der Abteilung Organisierte Kriminalität gegen mich ausgesagt hatte: "Er hat mich gezwungen, kontrolliert, überwacht, er nahm mir sämtliche Einnahmen ab und ließ mir nur das Nötigste zum Leben. Wenn ich mich weigerte, hat er mich geschlagen, getreten und erniedrigt." Kein Wort darüber, dass sie das täglich verlangte und über viele Monate unheimlich aufregend und geil fand. Hanna dichtete kräftig dazu."
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Als der Richter mich fragte, was ich zu meiner Verteidigung zu sagen hätte, erzählte ich die Geschichte mit Mutter. Alle schauten mich an, als würde ich mich mit einer Gruselgeschichte interessant machen wollen.
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Heute kann ich darüber nur den Kopf schütteln. Andere Kinder kriegen in dem Alter vor dem Einschlafen Gutenachtgeschichten vorgelesen. Ich dagegen lag mit meiner Mutter im Bett und hatte viermal die Woche Sexualkundeunterricht.
Andreas Marquardt, Jürgen Lemke: Härte. Mein Weg aus dem Teufelskreis der Gewalt. Ullstein, Berlin. 260 S., 8,95 Euro