CDU-Wahlschlappe

Kanzlerin Merkel entlässt Bundesumweltminister Röttgen

| Lesedauer: 5 Minuten
Morgenpost.de

Foto: Getty

Nach dem Wahl-Desaster in NRW ist Norbert Röttgen (CDU) von seinem Amt entbunden worden. Nachfolger als Umweltminister wird Peter Altmaier.

Norbert Röttgen hat nach dem Wahldebakel in Nordrhein-Westfalen seinen Posten als Bundesumweltminister verloren. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Bundespräsident Joachim Gauck am Mittwoch vorgeschlagen, den CDU-Politiker von seinem Ministeramt zu entbinden. Merkel sagte in einer kurzen Erkärung zur Begründung, die Umsetzung der Energiewende sei ein zentrales Vorhaben dieser Legislaturperiode. Röttgen habe zwar die Grundlage dafür gelegt, es bleibe aber noch „ein Stück Arbeit vor uns“. Sie dankte Röttgen für sein Engagement, insbesondere beim Klimaschutz.

Als „personellen Neuanfang“ schlug die CDU-Vorsitzende den bisherigen Parlamentarischen Geschäftsführer der Union im Bundestag, Peter Altmaier, vor. Sie sei sich sicher, dass er sich „mit voller Kraft“ der neuen Aufgabe widmen werde. Der 53 Jahre alte Altmaier ist seit Jahren einer der wichtigsten Männer an der Seite der Kanzlerin. Jetzt rückt das Schwergewicht aus dem Saarland ins Kabinett.

Historische Niederlage

Röttgen hatte als Spitzenkandidat der Union bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen mit 26,3 Prozent eine historische Niederlage hinnehmen müssen. Seinen Rückzug vom Amt des Landesvorsitzenden der nordrhein-westfälischen CDU hatte der 46-Jährige direkt nach der Wahl am Sonntag verkündet. Am Montag hatte er noch bekräftigt, an seinem Ministerposten festhalten zu wollen. Röttgen war in der Union massiv kritisiert worden, weil er offengelassen hatte, ob er auch nach einer Niederlage in Düsseldorf bleiben wolle. Zuletzt hatte ihn deswegen der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer scharf angegriffen.

Röttgen hatte sich zudem im Zuge der Atomwende immer wieder Scharmützel auch mit der eigenen Fraktion, vor allem mit dem Wirtschaftsflügel geliefert. Zuletzt war es ihm auch im Bundesrat nicht gelungen, seine Pläne zur Kürzung der Solarförderung durchzusetzen. Mehrere ostdeutsche CDU-Ministerpräsidenten hatten sich gegen sein Vorhaben gewandt.

Herber Absturz

Röttgens Entlassung steht für einen der steilsten politischen Abstürze in der deutschen Politik der letzten Jahre. Als "George Clooney" vom Rhein wurde er in Nordrhein-Westfalen bezeichnet. "Muttis Bester" hieß er in Berlin, wo er einst als der Kanzlerin besonders nahestehend galt. Ihm wurde das Potenzial zugesprochen, selber einmal Kanzler werden zu können. Doch dann kam der Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen – und alles wurde anders.

Der Bundesumweltminister machte als CDU-Landesvorsitzender und Spitzenkandidat in diesem Wahlkampf in den Augen vieler eine bemerkenswert schlechte Figur. Seine intellektuellen Fähigkeiten und sein politisches Talent werden zwar von kaum jemandem angezweifelt. Der promovierte Jurist gilt aber als ausgesprochener Kopfmensch.

Schon 2006 gab es die Situation, in der er sich zunächst nicht hatte entscheiden wollen: Röttgen wollte Lobbyist für den Bundesverband der Deutschen Industrie werden und gleichzeitig sein Bundestagsmandat behalten. Ein Irrweg, vor dem ihn seine Frau Ebba vergeblich gewarnt hatte. Röttgen zog schließlich zurück, blieb in der Politik.

Er war es, der gegen Widerstände in der schwarz-gelben Koalition den Atomausstieg vorantrieb. Er gilt als Modernisierer in seiner Partei und Türöffner zu den Grünen. Den Konservativen in seiner Partei war er ein Dorn im Auge. Ein volksnaher Straßenwahlkämpfer zum Anfassen war Röttgen allerdings nie. Er wirkte nüchtern, kam eher als "Klassenprimus" denn als "Landesvater" rüber. Dass er bisweilen als Karrierist bezeichnet wird, trifft ihn. "Es stimmt einfach nicht. Ich habe immer mit Leidenschaft Politik gemacht", verteidigte der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende seine vielfältigen Ambitionen.

Röttgen "weggemobbt"

Der Chef der nordrhein-westfälischen CDU-Landtagsfraktion, Karl-Josef Laumann, kritisierte die Entscheidung Merkels. „Die heutige Entlassung von Norbert Röttgen erschreckt mich. Ich verstehe nicht, dass Norbert Röttgen bis Sonntagabend 18 Uhr als der hervorragende Umweltminister galt, der er war, und heute entlassen wird“, erklärte Laumann am Mittwoch in Düsseldorf mit.

Für SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles ist die Entlassung Röttgens ein „weiterer Beleg für den maroden Zustand der Regierung Merkel“. Röttgen sei nicht nur als Wahlkämpfer in Nordrhein-Westfalen gescheitert, sondern auch bei der Umsetzung der Energiewende, sagte Nahles. „Wie Röttgen nun von den eigenen Leuten weggemobbt wurde, beweist, welches Klima in der sogenannten bürgerlichen Koalition mittlerweile herrscht.“ Mit Altmaier schicke die Kanzlerin nun „ihr letztes Aufgebot“, sagte Nahles. „Er ist ihre letzte Patrone im Lauf.“

Die Grünen-Fraktionschefs Renate Künast und Jürgen Trittin erklärten: „Röttgens Entlassung markiert einen neuen Höhepunkt der Dauer-Krise von Schwarz-Gelb.“ Die Regierung sei „in zentralen Feldern der Politik handlungsunfähig – von Energiewende bis Bildung und Haushalt“.

Die deutsche Industrie sicherte Altmaier ihre volle Unterstützung zu. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Wirtschaft, Hans-Peter Keitel, erklärte, die kommenden Monate seien entscheidend für das Gelingen der Energiewende. Für ihre gute Umsetzung sei die enge und verlässliche Zusammenarbeit von Politik und Wirtschaft essenziell. „Die deutsche Industrie will und braucht den Erfolg der Energiewende“, betonte Keitel.

( Reuters/dpa/dapd/AFP/mim )