Präventionsgipfel

Friedrich schließt Sicherheitspakt mit Muslimen

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Martin Lutz

Eine gemeinsame Anti-Extremismus-Kampagne von Muslimen, Polizei und Innenministerium soll die "stille Radikalisierung" junger Männer verhindern.

In seinem Terminkalender hat Hans-Peter Friedrich das Datum des ersten erfolgreichen islamistischen Anschlags in Deutschland schwarz markiert: Es ist der 2. März, der Tag, an dem Arid Uka auf dem Flughafen Frankfurt am Main zwei amerikanische Soldaten erschoss – aus Liebe zu Allah und aus Hass auf die USA . Der 21-jährige Islamist gilt als typischer Einzeltäter, der zuvor noch nicht aufgefallen war. Nach dem Attentat fasste der Bundesinnenminister den Entschluss, mehr für die Prävention zu tun und einen Sicherheitspakt mit den muslimischen Verbänden sowie Moscheegemeinden zu schmieden.

Am Freitag lud Friedrich nun Vertreter muslimischer Organisationen, von Bundeskriminalamt (BKA) und Verfassungsschutz zum ersten Präventionsgipfel in sein Berliner Ministerium ein. Er rief die Muslime in Deutschland zum gemeinsamen Kampf gegen die Hinwendung junger Leute zum Islamismus auf. „Der Radikalisierung und dem Missbrauch der Religion wollen wir gemeinsam entgegentreten“, sagte der CSU-Politiker nach dem gut dreistündigen Gipfel.

Friedrich warnte davor, dass das Terrornetzwerk al-Qaida versuche, insbesondere deutsche Konvertiten und junge Moslems anzuwerben, „die hier in der zweiten, dritten Migrantengeneration aufgewachsen sind“. Der Gipfel soll der Auftakt zu einer besseren Sicherheitspartnerschaft sein. Geplant ist eine Anti-Extremismus-Kampagne mit Broschüren und Plakaten, die unter das Motto steht: „Gemeinsam gegen Extremismus – Gemeinsam für Sicherheit“.

Angst vor der "Radikalisierung im Stillen"

Damit will der Innenminister stärker gegen die Radikalisierung junger Muslime vorgehen, die sich mit islamistischer Propaganda im Internet beschäftigen, extremistischen Netzwerken anschließen oder sogar Terroranschläge unter Berufung auf den Islam planen. Friedrich spricht hier von einer „Radikalisierung im Stillen“.

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, bittet er jetzt vor allem die muslimischen Familien, Verbände und Moscheegemeinden um Mithilfe. Sie sollen darauf achten, ob sich ein Muslim plötzlich radikalisiert. Sie sollen solche Ansichten im Privatbereich, in Vereinen, bei Predigten und beim Gespräch über das eigene Verständnis des Islam schon im Frühstadium erkennen. Und sie sollen sich dann möglichst an Polizei und Verfassungsschutz wenden.

Einige muslimische Verbände werfen Friedrich vor, damit das „Denunziantentum“ zu fördern und Muslime unter Generalverdacht zu stellen. Das weist der Ressortchef allerdings zurück. Für ihn geht es schlicht um Wachsamkeit, die er von jedem Bürger erwartet. Wer Hinweise auf Anschlagspläne als „Denunziation“ bezeichnet, hat nach seiner Ansicht den Rechtsstaat nicht verstanden. Durch das gemeinschaftliche Handeln von Staat und Muslimen könne man zudem jedem Generalverdacht entgegentreten.

Gemeinsames Präventionsportal mit muslimischen Verbänden

Friedrich will die Präventionsarbeit durch ein gemeinsames Internetportal mit den muslimischen Verbänden stärken. Denn häufig werden Jugendliche über das Internet, etwa über Seiten von Salafisten, radikalisiert . Bisher koordiniert die „Clearingstelle Präventionskooperation“ des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg bundesweit bereits rund 45 Projekte mit einem Jahresetat von einer Million Euro. „Wir haben 40 Experten und 260 Ansprechpartner im Einsatz“, sagte die Leiterin Renate Leistner-Rocca.

Dazu zählen Sicherheitspartnerschaften von Polizei und Moscheegemeinden. Die Hamburger Polizei verfolgt seit den Anschlägen von 2001 in den USA das „Smart Approach Konzept“, das von Kritikern zunächst als „Teetrinken mit Imamen“ belächelt wurde. Mittlerweile verfügt das Landeskriminalamt aber über ein lokales Netzwerk gegen den islamistischen Extremismus, an dem Lehrer, Sozialpädagogen, Sporttrainer und Mitarbeiter von Jugendzentren mitwirken. Das Motto lautet: „Verstehen, verbünden, vorbeugen“.

Starke Ressentiments gegenüber Polizei und Staat

Ein anderes wichtiges Projekt trägt den sperrigen Titel „Transfer interkultureller Kompetenz“ (TiK). Daran beteiligen sich die Polizei in Berlin, Essen und Stuttgart; in der Hauptstadt arbeiten die Ordnungshüter beispielsweise eng mit der Yunus-Emre-Moschee zusammen. „Entscheidend für diese Kooperation mit uns ist Vertrauen. Das muss über Jahre wachsen“, sagte der Projektleiter und leitende Polizeidirektor Stefan Weis Morgenpost Online.

Bei vielen Muslimen gibt es starke Ressentiments gegenüber Polizei und staatlichen Einrichtungen, die durch schlechte Erfahrungen in den Herkunftsländern genährt werden. „Die Polizei steht im Verdacht, Spitzel zu sein. Wir brauchen also Partner“, sagte Dirk Sauerborn vom Polizeipräsidium Düsseldorf. Der Kontaktbeamte für muslimische Institutionen geht weiter als die Berliner Kollegen.

Er lädt Muslimverbände dazu ein, eine Erklärung zu unterschreiben, in der es heißt: „Wir distanzieren uns von allen Bestrebungen, die muslimische Religion zur Erreichung von Zielen, die nicht mit den Grundzügen eines friedlichen Islam zu vereinbaren sind, zu instrumentalisieren.“ Sauerborn sagte, dass der Sicherheitspakt auch nach vielen Jahren „noch in den Anfängen steckt“. Das Vertrauen ist aber immerhin so groß, dass bei ihm jährlich zehn bis 15 Anzeigen von Muslimen eingehen. Das war früher nicht so.

Prävention erreicht zutiefst überzeugte Islamisten kaum

Solche Erfolge sind begrenzt, sie sollten aber nicht nur am Anzeigeverhalten gemessen werden. „Man muss definieren, was Erfolg ist. Bei unserem Aussteigerprogramm für Islamisten haben sich Familienangehörige und sogar Betroffene gemeldet“, sagt Heinz Fromm, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Köln.

Fachleute sind sich allerdings einig, dass die zutiefst von der islamistischen Ideologie Überzeugten durch Präventionsarbeit nur sehr schwer erreicht werden können. Sie hassen alles Westliche. Dass aktuellen Studien zufolge vor allem auch der Antisemitismus in den jugendlichen muslimischen Milieus enorm zunimmt, dürfte Polizei und Verfassungsschutz in den kommenden Jahren noch beschäftigen.