Peking. Als Putins Panzer Richtung Kiew rollten, liefen in Pekings Parteiapparat schon bald die Drähte heiß. Die Staatsführung ordnete nach den Sanktionen gegen Moskau umgehend an, auch die eigene Volkswirtschaft einem geopolitischen „Stresstest“ zu unterziehen. Man wollte ganz genau studieren, wie anfällig China für westliche Repressionen wäre. Denn der Ernstfall könnte auch für Peking schon bald eintreten: Immer offener redet Staatschef Xi Jinping von seiner „Wiedervereinigung“ mit der „abtrünnigen Provinz“ Taiwan – notfalls auch mit militärischer Gewalt.
Noch zu Beginn des russischen Krieges zeigten sich die europäischen Diplomaten in Peking aufrichtig schockiert über die chinesische Loyalität gegenüber Putin. Man rechnete, dass es nicht im Interesse der Volksrepublik liegen würde, zu einem international isolierten Paria-Staat zu halten, dessen wirtschaftliche Attraktivität überschaubar ist: Der russisch-chinesische Handel beträgt nicht einmal ein Drittel verglichen mit dem Warenverkehr nach Europa. Erst langsam sickerte das Bewusstsein durch, dass Staatschef Xi Jinping eine viel langfristigere Vision hegt: die Umgestaltung der westlichen Weltordnung, für die Peking und Moskau einander brauchen.
Russland und China: Xi und Putin verstehen sich prächtig
Nur so lässt sich erklären, dass Chinas Staatsmedien nahezu vollständig die russische Propaganda übernommen haben. Der Krieg wird der eigenen Bevölkerung als „Militäroperation“ verkauft, die vor allem von den USA provoziert wurde. Und auf den Landkarten des Rundfunksenders CCTV sind schon längst die Grenzen des ukrainischen Territoriums nicht mehr eingezeichnet.
Die enge Beziehung zwischen den zwei Staaten hat auch eine persönliche Komponente: Xi und Putin sind quasi Brüder im Geiste. Sie beide betrauern den Untergang der Sowjetunion, verachten die Dekadenz des Westens und lehnen unabhängige Medien ab.
Sie entstammen derselben Generation, kennen Armut aus persönlicher Erfahrung und wuchsen unter starken Vaterfiguren auf – und verstehen sich prächtig: 38-mal haben sie sich in den letzten zehn Jahren getroffen – und während ihrer Besuche gemeinsam gekocht, Geburtstage gefeiert und Wodka getrunken. Doch diese Nähe könnte sich schon bald als trügerisch erweisen.
China und Russland brauchen einander
Denn seit Ausbruch des Krieges ist auch deutlich geworden, dass die offiziell „grenzenlose Freundschaft“ sehr wohl Grenzen hat: Bislang gibt es keine Anzeichen dafür, dass China direkte Militärhilfe nach Moskau liefert. Zudem verstoßen chinesische Firmen nicht offen gegen die bestehen Sanktionen.
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Doch fallen lassen wird Peking seinen Verbündeten in Moskau unter gar keinen Umständen. Denn die zwei Staaten brauchen einander angesichts der zunehmend polarisierenden Weltordnung. In der Vergangenheit war dies allerdings nicht immer der Fall. Russland und China lieferten sich zu Sowjetzeiten in den 60er-Jahren ein spektakuläres Zerwürfnis, das nur knapp an einem militärischen Konflikt vorbeischrammte.
Doch eine organisch gewachsene Freundschaft hat sich nie entwickelt. Stattdessen herrschten vor allem Misstrauen und Entfremdung vor. Dass die chinesisch-russischen Beziehungen derzeit dennoch auf einem historischen Rekordhoch sind, ist eine politisch verordnete Zweckgemeinschaft, keine Herzensangelegenheit.
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