Der Luxemburger gibt sein Amt in der EU nach acht harten Jahren ab. Diese Zeit war durch Krisensitzungen und Sorge um den Euro geprägt.
Die Schuldenkrise der Euro-Länder hat an Jean-Claude Juncker gezehrt. „Es ist mir in den letzten Monaten ein bisschen zu bunt geworden“, sagte der scheidende Chef der Eurogruppe kürzlich in einem Interview. Nach acht Jahren gibt Juncker den Vorsitz des Gremiums ab, um sich auf sein Amt als luxemburgischer Regierungschef zu konzentrieren.
Mit dem Abschied des 58-Jährigen und der voraussichtlichen Berufung des niederländischen Finanzministers Jeroen Dijsselbloem als Nachfolger geht eine Ära zu Ende.
Juncker hat den Vorsitz der Finanzministerrunde der Euro-Länder inne, seit das Amt 2005 geschaffen wurde – und nicht ohne Stolz führt er den Beinamen „Mister Euro“. Besonders die zweite Hälfte seiner Amtszeit war von teils dramatischen Entwicklungen, nächtlichen Krisenberatungen und der Sorge um das Überleben des Euro geprägt.
Gesundheitlich angeschlagen und unter Nierensteinen leidend
„Ich bin erleichtert, dass ich diese Arbeit nicht mehr intensiv Tag für Tag leisten muss“, räumt Juncker im Rückblick auf die Turbulenzen der Schuldenkrise ein, in denen er aufgrund seines Amtes mit seinen Äußerungen Börsen und Euro-Kurs gefährlich in Bewegung bringen konnte.
Unter der Verhandlungsführung des Luxemburgers wurden etwa die Hilfspakete für Griechenland, Irland, Portugal und Spanien geschnürt, der dauerhafte Euro-Rettungsfonds ESM aus der Taufe gehoben sowie zahlreiche Konflikte der Euro-Länder um den richtigen Krisenkurs ausgetragen.
Gesundheitlich angeschlagen und unter Nierensteinen leidend, hatte der starke Raucher und Cognac-Liebhaber bereits im vergangenen Jahr aus seiner Amtsmüdigkeit keinen Hehl gemacht. Aber da sich die Euro-Schwergewichte Deutschland und Frankreich nicht auf einen Nachfolger einigen konnten, blieb Juncker vorerst im Amt.
Für offene Worte bekannter Christsoziale
Zwar wurde Juncker in Paris wie in Berlin geschätzt, der für seine offenen Worte bekannte Christsoziale konnte jedoch auch unbequem sein. Der Bundesregierung warf er etwa inmitten der Krise vor, in Eurofragen andauernd Innenpolitik zu machen und die Euro-Zone wie eine Filiale zu behandeln.
Die deutsche Debatte über einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone kritisierte er als „Geschwätz“. Ein EU-Politiker sagte einmal leicht genervt, aber anerkennend: „Juncker hat zwei katastrophale Fehler: Er hat einen Standpunkt, und er vertritt diesen auch.“
Zu diesen Standpunkten gehört auch, dass der hagere Politiker ein bedingungsloser Europäer ist. Geboren am 9. Dezember 1954, wuchs Juncker in eher bescheidenen Verhältnissen als Sohn eines christlich geprägten Stahlarbeiters auf.
Sein Vater wurde im Zweiten Weltkrieg von der deutschen Wehrmacht zwangseingezogen, erzog den späteren Berufspolitiker nach Junckers Worten aber „ausgesprochen deutschfreundlich“. Für das Jurastudium zog es den Deutsch wie Französisch fließend sprechenden Juncker dennoch ins französische Straßburg.
Juncker will sich weiterhin zu Wort melden
Im Anschluss legte der Luxemburger eine schnelle Karriere als Politiker hin und wurde mit nicht einmal 30 Jahren Minister für Arbeit und Haushalt für seine christlich-soziale Partei CSV. Als Jacques Santer als Kommissionspräsident nach Brüssel wechselte, rückte Juncker Anfang 1995 an die Spitze der luxemburgischen Regierung – der er bis heute vorsteht. Und dieses Amt will er auch weiterhin ausüben.
Dies gibt ihm die Gelegenheit, auch in Zukunft auf europäischer Bühne aufzutreten und an den Brüsseler EU-Gipfeln teilzunehmen. Juncker kündigte bereits an, dass er sich weiter zu Wort melden will, wenn er die Führung der Eurogruppe am Montag abgegeben hat – etwa geht ihm die langfristige wirtschaftliche und politische Vertiefung der europäischen Währungsunion nicht schnell genug voran.
Denn der Luxemburger warnt: „Ich bin nicht der Meinung, dass wir das Ende der Krise schon sehen.“
BM/AFP