Berlin. Es ist eine Bilanz, von der viele Firmen in der Krise nur träumen können: das beste Ergebnis der Konzerngeschichte, eine kräftige Umsatzsteigerung auf 6,4 Milliarden Euro, Rekordauftragslage. So sehen die Geschäftszahlen des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall aus, der auch für 2023 ein „starkes Umsatz- und Ergebniswachstum“ erwartet. „Mit der Zeitenwende und dem Krieg in Europa hat auch für Rheinmetall eine neue Ära begonnen“, kommentierte Vorstandschef Armin Papperger die Entwicklung.
Der Aktienkurs des Düsseldorfer Unternehmens hat sich seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 mehr als verdoppelt. Zu Wochenbeginn rückte Rheinmetall als eines der 40 größten börsennotierten Unternehmen in den DAX und somit in die Champions League der deutschen Konzerne auf. Auch andere Rüstungskonzerne profitieren von dem Krieg in Europa und der sicherheitspolitischen Großwetterlage.
Experte: Mit dem Krieg hat die Machtposition der Rüstungsbranche zugenommen
Panzer, Haubitzen und Munition sind gefragt wie seit Jahrzehnten nicht. 100 Milliarden zusätzlich zum regulären Wehretat werden für die Modernisierung der Bundeswehr ausgegeben. Ob Unterstützung der Ukraine oder Ertüchtigung der Bundeswehr, auf einmal spielen Bestände und Produktionskapazitäten politische eine zentrale Rolle.
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„Die Rüstungsindustrie war in Teilen der Gesellschaft in den vergangenen Jahren nicht gut angesehen“, sagt der Rüstungsexperte Max Mutschler vom Bonn International Centre for Conflict Studies (BICC). Der Kontakt zur Politik sei aber schon vor dem Krieg eng gewesen. Auch wirtschaftlich sei es den deutschen Rüstungskonzernen gut gegangen. „Schon seit Anfang des Jahrtausends steigen die globalen Militärausgaben“, analysiert Mutschler. „Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine haben ihre Bedeutung und damit auch ihre Machtposition aber noch einmal massiv zugenommen.“
Die Koordinaten der deutschen Rüstungspolitik haben sich verschoben
Die Bundesregierung gibt sich als offen für die Forderungen der Branche. Zugleich tritt die Chefetage der deutschen Konzerne immer offensiver mit Ansprüchen an die Regierung. So fordert Rheinmetall etwa Rahmenverträge mit Abnahmegarantien von der Politik. Die Koordinaten der deutschen Rüstungspolitik haben sich verschoben. Zugunsten der Industrie.
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Rückblick in den August des vergangenen Jahres: Olaf Scholz klettert auf dem Truppenübungsplatz Putlos an der Ostsee in einen Flugabwehrpanzer Gepard. Die Bundeswehr bildet hier ukrainische Soldaten an dem Kriegsgerät aus. Zentraler Akteur dieser Ausbildung: der Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann, KMW. Die Fotografen und Kameraleute vor dem Panzer halten fleißig drauf.
Pistorius traf sich nach wenigen Tagen im Amt mit der Branche
Der Kanzler hatte diese Bilder lange gescheut, zeigte sich nicht mit Panzern oder Artillerie, haderte bei Waffenlieferungen an die Ukraine. Ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn ist Scholz Seite an Seite mit der Führungsriege von KMW auf dem Gelände. In einem Zelt im Bundeswehr-Grün zieht sich der Kanzler zu einem Gespräch mit den Konzernchefs zurück. Er nimmt sich Zeit für die Waffenindustrie.
So wie Scholz tun es auch andere Spitzenpolitiker. Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius traf sich bereits nach wenigen Tagen im Amt mit Vertretern der Rüstungsindustrie. Pistorius drängt auf schnellere Produktion von Panzern und anderem schweren Gerät, kündigt immer wieder neue Lieferungen von Waffen und Munition an die Ukraine an. Anfangs gab die Bundesregierung 5000 Helme an die ukrainische Armee. Heute geht es um Kampfpanzer und Raketenabwehrsysteme.
Jusos fordern die Verstaatlichung der Rüstungsindustrie
„Die Nachfrage nach Waffen und Munition ist stark gestiegen, weil die Bundeswehr neu ausgerüstet wird, Bestände aufgefüllt und an die Ukraine abgegebenes Gerät möglichst schnell ersetzt werden soll“, sagt Rüstungsexperte Mutschler. „Das verbessert die Position der deutschen Rüstungsfirmen in den Verhandlungen mit der Politik natürlich enorm.“
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Nicht allen in der Koalition ist diese neue Macht der Waffenbranche geheuer. Die Jusos beispielsweise fordern eine Verstaatlichung der Rüstungsindustrie. Die Forderung möge „ein bisschen überspitzt“ klingen, findet der SPD-Politiker Ralf Stegner, aber in „Zielrichtung und Konsequenz“ habe der Parteinachwuchs recht: „Die Politik fordert derzeit eine größere Waffenproduktion, deswegen sollte dies auch unter staatlicher Kontrolle stehen.“
Stegner: Wenn Rheinmetall Börsenerfolge feiert, freut mich das nicht
Er sei in der Debatte gegen „Scheinheiligkeit“, sagt der SPD-Linke. Natürlich brauche und verdiene die Bundeswehr funktionierendes Gerät für die Landes- und Bündnisverteidigung. Auch die Unterstützung der Ukraine bei ihrer Selbstverteidigung sei richtig.
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„Aber: Die Probleme der Welt lösen wir nicht mit immer neuen Waffen“, fügt Stegner hinzu. „Wenn Rheinmetall Börsenerfolge feiert, dann ist das nichts, was mich freut.“ Denn: „Die einzigen, die vom Krieg profitieren sind diejenigen, die Waffen verkaufen.“
Düsseldorfer Konzern plant Panzerfabrik in der Ukraine
Kritisch sieht Stegner deswegen auch die Pläne von Rheinmetall, eine Fabrik zur Panzerproduktion in der Ukraine zu betreiben. Die Bundesregierung müsste dies genehmigen. „Das ist eine ganz andere Kategorie als die bisherigen Waffenlieferungen und wirft gleich mehrere Fragen und Probleme auf“, meint auch Rüstungsexperte Mutschler, schließlich finde dann ein wirklicher Technologietransfer statt.
Rheinmetall ist dazu bereits im Gespräch mit der Bundesregierung: „Derzeit finden Gespräche auf politischer Ebene statt“, teilt das Unternehmen mit. Für Stegner ist klar: „Industriepolitik auch in dieser Lage heißt nicht, dass wir alles tun, was die Rüstungsindustrie will.“
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