Moskau. Für den russischen Präsidenten läuft – trotz einiger Erfolge - so manches nicht gut in der Ukraine. Doch man sieht es Wladimir Putin nicht an. Bei seinen öffentlichen Auftritten wirkt der 70-Jährige selbstsicher – so wie bei seiner Rede zur Lage der Nation.
Sie war eine Drohung in Richtung der USA, eine machtvolle Geste, die aber auch nach innen wirken sollte: Euer Präsident ist stark und vital, hat die Zügel in der Hand, sitzt fest im Sattel – und lässt sich nicht besiegen. Das könnte Sie auch interessieren: Belarus: Was Alexander Lukaschenko wirklich in China will
In einem Jahr sind in Russland Präsidentschaftswahlen. Auch wenn Kremlsprecher Dmitri Peskow betont, sein Chef sei nicht in Vorwahlstimmung, er habe viel zu tun und bisher „haben wir von ihm noch keine Äußerungen gehört, in denen er gesagt hätte, ob er kandidiert oder nicht“: Putins Auftritte wirken anders.
Ukraine: Putin brauchte den Erfolg und annektierte die Gebiete
Es sieht gut aus für seine Wiederwahl 2024. Denn auch in der Ferne ist niemand in Sicht, der ihm gefährlich werden könnte. Laut jüngsten Umfragen liegt die Zustimmungsrate zu seiner Politik landesweit nach wie vor bei rund 80 Prozent. Es sind vor allem die Menschen in der Provinz und die Älteren, die ihrem Präsidenten vertrauen. Oder, wie es die Moskauer Rentnerin Natascha ausdrückt: „Wir glauben unserem Präsidenten. Er sagt immer die Wahrheit!“
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Weil die versprochenen schnellen militärischen Siege bisher ausbleiben, verkaufte der Kreml bereits die als Erfolg, auch wenn Russland sie nicht komplett kontrolliert. Die staatlichen Medien sind unter Kontrolle. Der Kreml hat die Deutungshoheit.
Ohne diese Annexion, so ist der Politologe Abbas Galljamow überzeugt, „hätte der Krieg sonst seinen Sinn verloren“. Galljamow, der früher selbst im Kreml als Redenschreiber gearbeitet hat, bescheinigt Putin nach Angaben der Deutschen Presseagentur „Kontrollverlust“. Der frühere KGB-Agent habe seinen Status als „heilige Figur“, als Garant für Stabilität verloren, so Galljamow, der inzwischen im Ausland lebt.
Putins Ressourcen sind noch gewaltig
Doch der Politologe weiß auch, dass Putins Ressourcen noch gewaltig sind – auch wegen der Ergebenheit des Sicherheitsapparats. Dennoch wird im Präsidentenamt über mögliche Nachfolger Putins spekuliert. Galljamow glaubt, Putin könnte – wenn überhaupt - selbst einen Nachfolger benennen, dem er vertraue. Als einen möglichen Kandidaten sieht er Sergej Sobjanin, den Bürgermeister von Moskau. Doch noch ist es nicht soweit.
Putin hat keine Konkurrenten, wohl aber unberechenbare Kritiker wie Jewgeni Prigoschin, den Chef der in der Ukraine erfolgreichen Söldnertruppe Wagner. Er warf er der russischen Armeeführung jüngst „Hochverrat“ vor, weil sie seine Söldner nicht ausreichend mit Ausrüstung versorge. In einer Audiobotschaft forderte er seine Landsleute auf, Munition für die Wagner-Söldner zu verlangen. Es gebe genügend Geschosse, „aber karrieregeile Politiker, Dreckskerle, Mistviecher müssen erst ihre Unterschrift leisten“, damit diese geliefert würden, schimpfte er. Das könnte Sie auch interessieren: Ukraine-Krieg: Wagner-Söldner flieht offenbar nach Norwegen
Die Botschaft ist ein Beleg für die Spannungen zwischen Wagner und dem russischen Generalstab. Prompt wies das russische Verteidigungsministerium die Vorwürfe zurück. Prigoschin kritisiert scharf, politische Ambitionen aber dementiert er vehement.
Auch Kadyrow plant, nun eine Privatarmee zu gründen
Die Erfolge des Wagner-Truppen-Chefs in der Ostukraine beflügeln zudem , den Präsidenten der russischen Teilrepublik Tschetschenien. „Es scheint, dass eine private Militärfirma es geschafft hat, sehr beeindruckende Ergebnisse zu erzielen.“
Auch Kadyrows tschetschenische Sondereinheiten kämpfen in der Ukraine. Zur russischen Militärführung habe er „harmonische Beziehungen", es gebe „keine Meinungsverschiedenheiten“. Kadyrow plant, seinen Bekundungen zufolge, nun eine eigene Privatarmee zu gründen, um „mit unserem lieben Bruder Prigoschin zu konkurrieren“.
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Und auch der frühere Kremlchef Dmitri Medwedew meldet sich immer wieder zu Wort. Vor ein paar Tagen drohte der Hardliner mit einer vollständigen Unterwerfung der Ukraine. Das Land werde von Neonazis beherrscht und sei für Russland gefährlich. „Deshalb ist es so wichtig, dass die militärische Spezialoperation ihr Ziel erreicht. Um die Grenze der Gefahr für unser Land so weit wie möglich zurückzudrängen, selbst wenn das die Grenze Polens ist“, schrieb Medwedew auf Telegram.
Viele Russen fürchten die Instabilität wie in der 90er Jahren
Prigoschin, Kadyrow, Medwedew – keiner ist ein Konkurrent für Russlands Präsidenten. Der frühere KGB-Agent wird bei der Wahl 2024 wohl wieder antreten und vermutlich auch gewinnen. Die Opposition im Land ist weitgehend zerschlagen, rund 700.000 Menschen haben das Land verlassen, nicht nur aus Angst zum Militär eingezogen zu werden.
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Putin führt seit 2000 die Amtsgeschäfte als Präsident. Es gab nur eine formelle Unterbrechung von 2008 bis 2012, da tauschte er mit Medwedew die Ämter. Solche Tricks sind dank einer Verfassungsänderung nicht mehr nötig. Theoretisch kann Putin bis 2036 regieren.
Eine Zeit nach Putin mögen sich viele Russen gar nicht vorstellen. Denn wie stabil das Regime in Moskau ohne Putin wäre, ist eine offene Frage. Viele Russen fürchten sich vor einem Zerfall Russlands in Teilrepubliken, die sich abspalten, vor Kämpfen rivalisierender Privatarmeen, vor der Rückkehr der schrecklichen 90er-Jahre. Damals gab Schießereien auf den Straßen und Bombenattentate. Allein 1994 wurden mehr als 600 Unternehmer, Politiker und Journalisten ermordet. Und dies alles in einem Land, das die größte Atommacht der Welt ist.
Land | Ukraine |
Kontinent | Europa |
Hauptstadt | Kiew |
Fläche | 603.700 Quadratkilometer (inklusive Ostukraine und Krim) |
Einwohner | ca. 41 Millionen |
Staatsoberhaupt | Präsident Wolodymyr Selenskyj |
Regierungschef | Ministerpräsident Denys Schmyhal |
Unabhängigkeit | 24. August 1991 (von der Sowjetunion) |
Sprache | Ukrainisch |
Währung | Hrywnja |