Berlin. Fast eine Woche nach dem Fake-Videotelefonat eines falschen Vitali Klitschko mit Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sollen sich nun die Verantwortlichen gemeldet haben. Ein russisches Komiker-Duo behauptet, Giffey und einige ihrer Amtskollegen aus anderen europäischen Hauptstädten mit Fake-Anrufen hereingelegt zu haben. Das berichtet das ARD-Magazin "Kontraste".
"Ich will nicht verraten, wie wir es angestellt haben, aber es war leicht", sagte Alexej Stoljarow vom Duo "Vovan und Lexus" nach ARD-Angaben in einem Telefonat mit der "Kontraste"-Redaktion. Ob das wirklich stimmt, lässt sich nicht unabhängig überprüfen: Die E-Mails, mit denen Stoljarow und sein Partner die Gespräche terminiert haben wollen, rückten sie der ARD nicht heraus.
Am vergangenen Freitag hatte Giffey per Video mit einer Person gesprochen, die zwar wie der Kiewer Bürgermeister Klitschko aussah, aber nicht Klitschko war. Nach einiger Zeit waren ihr wegen diverser Fragen ihres Gegenübers Zweifel darüber gekommen, ob sie mit dem echten Klitschko verbunden war. Das Gespräch endete dann vorzeitig nach etwa einer halben Stunde. Inzwischen wurde bekannt, dass auch andere bekannte Personen ähnliche Fake-Telefonate geführt hatten – unter anderem die Bürgermeister von Wien, Madrid, Budapest und Warschau.
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Russland: Comedy-Duo hat sogar Ex-US-Präsidenten hereingelegt
Stoljarow und Wladimir Kusnezow sind in Russland seit Jahren dafür bekannt, teils hochrangige Politiker und internationale Promis mit Fake-Anrufen hereinzulegen. In den vergangenen Wochen hatten die beiden als kremltreu geltenden Comedians so etwa den früheren US-Präsidenten George W. Bush und die "Harry Potter"-Autorin J. K. Rowling in die Irre geführt. In beiden Fällen gaben sie sich als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj aus.
Russische Medien hatten daher bereits vermutet, dass Stoljarow und Kusnezow auch hinter dem Gespräch mit Giffey stecken könnten. Nach "Kontraste"-Angaben kündigte Stoljarow ab Donnerstag Videoaufzeichnungen aus allen Bürgermeister-Gesprächen auf einem russischen Portal zu veröffentlichen.
Stoljarow und Kusnezow teilen regelmäßig Aufzeichnungen der Gespräche in russischen sozialen Netzwerken, meist mit einiger zeitlicher Verzögerung zu den Anrufen. Auch Russlands Staatsfernsehen zeigt immer wieder ausführlich, wenn das Duo mal wieder einen westlichen Politiker vorgeführt hat. Von der Video-Plattform Youtube wurden die Komiker eigenen Angaben zufolge bereits verbannt.
Russland-Comedians: Giffey vermutet politisches Motiv
Die russischen Medien waren allerdings nicht die Einzigen, die nach dem Giffey-Anruf schnell die beiden Comedians verdächtigt hatten. Nach Informationen des "Spiegel" galten sie auch für deutsche Sicherheitsbehörden schnell als mögliche Kandidaten für die Fake-Anrufe. Sie sollen zudem in einer Mail angedeutet haben, für die Fälschung verantwortlich zu sein.
Warum Stoljarow und Kusnezow die Bürgermeister mitten im Ukraine-Krieg mit einem Klitschko-Fake hereingelegt haben, ist bisher nicht bekannt. Gegenüber "Kontraste" bestritt Stoljarow ein politisches Motiv. Man arbeite auch nicht im Auftrag russischer Geheimdienste. Tatsächlich aber haben fast alle der Hereingelegten die russische Politik in der Vergangenheit öffentlich kritisiert.
Giffey geht davon aus, dass die Männer politische Ziele verfolgen. "Ungeachtet dessen, wer sich zur Manipulation bekennt, wie diese genau durchgeführt wurde und welche Motivation dahintersteht: Es bleibt ein Identitätsdiebstahl", twitterte die SPD-Politikerin. "Diese Aktionen decken sich mit den Narrativen und den Zielen des Kremls."
Giffey kündigte an, in den kommenden Tagen mit dem echten Vitali Klitschko zu telefonieren. "Sie wollen die Partnerinnen und Partner der Ukraine vorführen und das Vertrauen in die Ukraine und auch in uns schwächen. Das werden sie nicht schaffen", so die Regierende Bürgermeisterin Berlins.
Russland: Wie erschufen die Komiker den falschen Klitschko?
Neben der Motivation der beiden Comedians für die Anrufe bleiben am Ende auch viele technische Fragen offen – nicht zuletzt die, um welche technische Art der Manipulation es sich handelte. In Berlin ermittelt der Staatsschutz des Landeskriminalamts dazu. Die Berliner Senatskanzlei hatte zunächst mitgeteilt, allem Anschein nach habe es sich um ein Deep Fake gehandelt. Dabei geht es um einen Medieninhalt, der mit Techniken künstlicher Intelligenz (KI) manipuliert wurde.
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Mittlerweile wird allerdings nicht ausgeschlossen, dass auch eine andere Manipulationstechnik ohne KI zum Einsatz gekommen sein könnte, bei der Schnipsel bestehender Videos neu zusammengesetzt werden. So etwas wird als Shallow Fakes oder Cheap Fakes bezeichnet.
Wie die Komiker den falschen Klitschko technisch erschaffen haben, nannte Stoljarow laut "Kontraste" nicht – oder zumindest nicht genau: "Ich kann nur sagen, dass es kein Deep Fake war", so der Komiker. Ob die technische Frage zweifelsfrei aufgeklärt werden kann, ist offen. Von Giffeys Fake-Videoanruf liegt laut Senatskanzlei kein offizieller Mitschnitt vor, weil das bei vertraulichen Gesprächen nicht üblich sei. (dpa/reba)
Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.