Washington/Berlin. Es ist so ganz nach dem Geschmack von Monsieur le Président. Am Montagnachmittag empfängt Emmanuel Macron den kanadischen Premier Justin Trudeau, Chef eines wichtigen Nato-Mitglieds und auf der Skala der weltweit coolsten Politiker ganz vorn. Bei dem Treffen geht es auch um die jüngsten Militärschläge der USA, Frankreichs und Großbritanniens gegen mutmaßliche Chemiewaffen-Ziele in Syrien. Zuvor hat Macron bereits mit der neuseeländischen Regierungschefin Jacinda Ardern im Elysée-Palast über ein EU-Freihandelsabkommen gesprochen. Er in staatstragendem Dunkelblau, sie im weinroten Hosenanzug.
Paris ist wieder eine der diplomatischen Welt-Metropolen – und Macron mittendrin. Vor allem auf der Bühne des Syrienkonflikts will der Franzose eine Hauptrolle spielen, neben US-Präsident Donald Trump und der britischen Premierministerin Theresa May. Frankreich ist permanentes Mitglied im UN-Sicherheitsrat, Atommacht und dank der weitgehenden Kompetenzen des Staatschefs auch innerhalb kurzer Zeit zu Militäraktionen fähig.
Macron wollte Putin, Erdogan und Rohani treffen
Die Kunst der Inszenierung beherrscht der seit knapp einem Jahr amtierende Präsident meisterhaft. Am Sonntagabend schlendert Macron Hand in Hand mit Ehefrau Brigitte die Treppe zum Théâtre national de Chaillot hinunter, einem der fünf Theaterbetriebe in Paris, wo er später ein Fernseh-Interview geben wird. Dort ergreift der Präsident sofort die Initiative. Er wolle Russland und die Türkei an den Verhandlungstisch holen. Die Aufgabe Frankreichs sei es, „mit allen zu sprechen“, sagt Macron.
Er habe ursprünglich geplant, in die Türkei zu reisen und sich dort mit Kremlchef Wladimir Putin, dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und dem iranischen Staatschef Hassan Rohani zu treffen, unterstreicht der Präsident. Macron, der diplomatische Zauberkünstler. Der Mann, der nicht nur Herr über das Militär ist, sondern der sich im syrischen Teufelskreis auch die diplomatischen Glacéhandschuhe überstreifen kann. Doch der Chemiewaffeneinsatz in der Stadt Duma und das Vorgehen im Rebellengebiet Ost-Ghuta bei Damaskus habe diesen Plan durchkreuzt, so Macron.
Syrische Chemiewaffenprogramm soll beendet werden
Frankreich wollte bereits am Montag mit einer umfassenden UN-Resolution einen neuen Anlauf zur Entschärfung des Syrienkonfliktes unternehmen, hieß es aus Diplomatenkreisen in New York. Der Resolutionsentwurf soll nach dem Willen Macrons die drängendsten Fragen auf einen Schlag angehen: Das syrische Chemiewaffenprogramm soll nachweisbar beendet werden.
Zu klären sei zudem, wer für die jüngsten Giftgasangriffe verantwortlich sei. Eine landesweite Waffenruhe und ein gesicherter Zugang für Helfer sollen dann den Weg zu einer langfristigen politischen Lösung ebnen. Frankreich wollte die diplomatische Initiative parallel auch beim Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg vorantreiben.
Das fordert die Bundesregierung im Syrienkonflikt
Deutschlands Außenminister Heiko Maas (SPD) hatte zuvor ebenfalls von einer politischen Initiative geredet – allerdings nicht im Alleingang. Deutschland wolle sich zusammen mit Frankreich für die Schaffung eines „internationalen Formats einflussreicher Staaten“ einsetzen, das den politischen Prozess voranbringen könne, sagte er im ZDF. Maas betonte ähnliche Punkte wie die französische Initiative. Nach einem Waffenstillstand seien eine Übergangsregierung, eine Verfassungsreform und Wahlen nötig.
Außerdem müsse die Zerstörung der Chemiewaffen in Syrien vor allem von den UN überwacht werden. Regierungssprecher Steffen Seibert stellte noch einmal klar, dass der syrische Machthaber Baschar al-Assad allenfalls in einer Übergangsphase denkbar sei: „Eine langfristige Lösung des Syrienkonflikts ist nach unserer Vorstellung nur ohne Assad vorstellbar.“
EU-Staaten sind über Raketenangriffe uneins
In der EU werden die jüngsten Raketenangriffe der westlichen Mächte auf Ziele in Syrien nicht uneingeschränkt unterstützt, die Attacke spaltet die Gemeinschaft der 28. Doch die EU-Außenminister bemühten sich bei ihrem Treffen in Luxemburg am Montag dennoch, Geschlossenheit zu demonstrieren: Die EU will nun bei der Wiederbelebung des politischen Friedensprozesses eine stärkere Rolle spielen – schließlich hatten sich die Europäer von Beginn an für Diplomatie statt Militär eingesetzt. Die maßgeblich von Macron vorangetriebene Initiative für neue Verhandlungen wird demnach unterstützt.
In einer Erklärung zu Syrien blieben die Außenminister in der Bewertung der Raketenangriffe deutlich verhaltener als die Nato oder etwa auch Bundeskanzlerin Angela Merkel: Die EU äußert lediglich „Verständnis“ für das Vorgehen, von „Unterstützung“ ist nicht die Rede. Ein Tribut an Vorbehalte unter den Außenministern, von denen einige monierten, es habe ein UN-Mandat für die Attacken gefehlt.
Mogherini: „Die Menschen in Syrien haben genug vom Krieg“
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini versuchte zum Auftakt, das heikle Thema gleich ganz zu umschiffen: Stattdessen erklärte sie, die EU wolle mithelfen, einen Anstoß für einen neuen politischen Friedensprozess zu geben. „Die Menschen in Syrien haben genug vom Krieg, das könnte Verhandlungen befördern“, sagte sie. Mogherini setzt große Hoffnungen auf eine Syrien-Konferenz kommende Woche in Brüssel, zu der die EU und die Vereinten Nationen eingeladen haben.
Ein Teilerfolg für Macron beim EU-Außenministertreffen, mehr nicht. Doch auch sonst wachsen für den Franzosen die Bäume nicht in den Himmel. Im Interview hatte der Präsident dargelegt, dass er seinen amerikanischen Amtskollegen Donald Trump zu einem überraschenden Kurswechsel gebracht habe. Anstatt die rund 2000 US-Soldaten in Syrien schon im kommenden Herbst abzuziehen, wie Trump es vor zwei Wochen zum Schrecken der eigenen Militärführung erstmals angekündigt hatte, sei der Präsident nun zu einem „langfristigen“ Engagement im Bürgerkriegsland bereit.

„Wir haben ihn überzeugt, dass es notwendig ist, zu bleiben“, erklärte Macron dem Korrespondenten der Nachrichtenagentur AFP, Jerome Cartillier, und fügte demonstrativ hinzu: „Ich versichere ihnen, wir haben ihn überzeugt, auf lange Sicht zu bleiben.“
Trump ist gar nicht begeistert von Macrons Vorstoß
Wie der Sinneswandel bei Trump bewerkstelligt worden sein sollte, der sein tiefes Unbehagen über das US-Engagement in der Krisenregion Nahost nie verborgen hatte, ist nicht bekannt. Was man aber weiß: Als Trump die Nachrichten von der Seine zu Ohren kamen, war er ganz und gar nicht begeistert.
Was vor allem daran lag, dass für seine republikanische Stammwählerschaft schon der einmalige Raketen-Strafangriff auf mutmaßliche syrische Chemiewaffen-Einrichtungen einer zu viel war. Schließlich hatte Trump im Wahlkampf konsequente Nichteinmischung in die Krisen dieser Welt versprochen.
Am 24. April ist Macron Gast im Weißen Haus
Dass es dabei bleibt, hob Regierungssprecherin Sarah Sanders schon kurz nach Macrons Interview in Washington unmissverständlich hervor. Und zwar (ohne Macron auch nur einmal zu erwähnen) so: „Die US-Mission in Syrien hat sich nicht geändert. Der Präsident hat sehr klar gemacht, dass er die US-Truppen so schnell wie möglich nach Hause holen will.“ Macron spielte die Differenzen danach herunter und betonte, beide Länder lägen auf einer Linie. Doch Gesprächsbedarf gibt es auf jeden Fall.
Die Gelegenheit hierzu bietet sich bald. Am 24. April kommt Macron ins Weiße Haus. Es ist der erste offizielle Staatsbesuch, zu dem Trump 14 Monate nach Amtsantritt den französischen Präsidenten mit feierlicher Begrüßungszeremonie und glamourösem Dinner empfangen wird. Zu diskutieren gibt es viel, vor allem mit Blick auf den weiteren Fahrplan des Westens in der Syrienpolitik. Bon voyage nach Washington, Monsieur le Président.