Russland

Putin weist Krim-Anschluss an und bleibt G8-Mitglied

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Unbeeindruckt von Sanktionen gliedert Putin die Schwarzmeerhalbinsel in Windeseile ein - und vergleicht dies mit der deutsch-deutschen Wiedervereinigung. Der Westen reagiert.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat den Vertrag über die Aufnahme der völkerrechtlich zur Ukraine gehörenden Schwarzmeer-Halbinsel Krim unterzeichnet. Auch Vertreter der prorussischen Krim-Führung setzten am Dienstag im Kreml ihre Unterschriften unter das Dokument. Die noch ausstehende Zustimmung des Parlaments gilt als sicher.

Es werde zwei neue Subjekte Russlands geben, sagte Putin in einer umjubelten Rede an die Nation im Kreml. Es handelt es sich um die Republik Krim und die dortige Hafenstadt Sewastopol. Die große Mehrheit der Russen und der Krim-Bewohner sei dafür. „Nur das Volk ist der Quell aller Macht.“

Die geplante Eingliederung der Halbinsel Krim in die Russische Föderation verglich Putin mit der deutsch-deutschen Wiedervereinigung. Russland habe damals im Gegensatz zu einigen anderen Ländern ausdrücklich dem Willen des deutschen Volkes für eine Einheit zugestimmt. Nun solle der Westen auch die „Wiederherstellung der Einheit“ in Russland akzeptieren, sagte er am Dienstag bei einer Rede an die Nation im Kreml. „Ich bin mir sicher, dass die Deutschen uns unterstützen werden bei der Wiedervereinigung.“

Putin nannte das Krim-Referendum über einen Anschluss an Russland als „überzeugend“. Es sei demokratisch und im Einklang mit internationalem Recht abgelaufen, sagte Putin. Die Sondersitzung mit Parlamentariern begann unter tosendem Applaus und Ovationen. Putin hatte bereits kurz zuvor dem Vertrag über die Aufnahme der zur Ukraine gehörenden Schwarzmeerhalbinsel Krim zugestimmt.

„Wir wollen keine Spaltung der Ukraine“

Russland will nach den Worten von Präsident Wladimir Putin bis auf die Krim keine weiteren Teile der Ukraine eingliedern. Man setze auch nicht auf eine Teilung des Nachbarlands, sagte Putin am Dienstag vor beiden Kammern des russischen Parlaments. „Wir wollen keine Spaltung der Ukraine, wir brauchen das nicht.“

Die Krim sei allerdings immer ein Teil Russlands gewesen, sagte Putin. Die Schwarzmeer-Halbinsel sei von enormer strategischer Bedeutung für die Region, die dringend Stabilität brauche. „Diese Stabilität kann nur eine russische Stabilität sein.“ Putin kündigte in seiner Rede drei gleichberechtigte Sprachen für die Krim an. Es wäre gerecht, wenn es in Zukunft drei gleichberechtigte Sprachen geben werde – Russisch, Ukrainisch und Krimtatarisch.

Putin: Chruschtschows Übergabe war ein Fehler

Die Übergabe an die Krim durch den sowjetischen Kremlchef Nikita Chruschtschow 1954 sei ein historischer Fehler gewesen, sagte Putin. Die Entscheidung sei „auf den Korridoren“ getroffen worden, aber nicht einmal im Einklang mit der damaligen sowjetischen Verfassung gewesen. Die Menschen auf der Krim seien nur mit dem Fakt konfrontiert worden, sagte Putin.

„Es gibt keine legitimierte Macht in der Ukraine.“ Der jüngste Machtwechsel sei ein Putsch gewesen, der mit Mord und Terrorismus einhergegangen sei, sagte Putin. Unter den neuen Kräften seien Faschisten, Russlandfeinde und Antisemiten. Als erste Maßnahme hätten die neuen Machthaber die Minderheiten im Land diskriminiert.

Putin wies erneut Vorwürfe des Westens zurück, auf der Krim gegen internationales Recht verstoßen zu haben. Russland habe nicht einmal den angedrohten Militäreinsatz in der Ukraine wahr gemacht. Er räumte aber erstmals ein, die Zahl der Streitkräfte auf der Krim aufgestockt zu haben. „Ja, wir haben unsere Kräfte verstärkt“, sagte er. Aber alles sei im Rahmen der zulässigen Zahl für die Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim gewesen – und deshalb kein Verstoß.

Lob an die ukrainischen Soldaten

Nach dem Ende des Kalten Krieges habe es nicht mehr Sicherheit auf dem Planeten gegeben. „Unsere Nachbarn USA gehen nur nach dem Recht des Stärkeren“, sagte Putin. So sei es 1999 in Jugoslawien gewesen. Dort seien auf eine europäische Hauptstadt, Belgrad, Bomben geworfen worden, und die Intervention habe begonnen. Auch Libyen sei bombardiert worden, ohne dass es dafür einen internationalen Beschluss gegeben habe.

Putin dankte den ukrainischen Soldaten auf der Halbinsel Krim, dass „sie ihre Hände nicht mit Blut beschmiert haben“. Laut Völkerrecht gehört das Territorium zur Ex-Sowjetrepublik Ukraine. Der Kremlchef lobte die nach seinen Angaben 22 000 ukrainischen Militärangehörigen auf der Krim dafür, dass sie sich die ganze Zeit ruhig verhalten hätten

Krim will nur noch den Rubel

Bei der Krim soll jetzt alles ganz schnell gehen. „Ich denke, dass alle Verfahrensschritte der Gesetzgebung im Zusammenhang mit der Eingliederung der Krim in den Staatsverband der Russischen Föderation wohl am Freitag abgeschlossen werden“, sagte Lyskow. Der Föderationsrat trete dazu am 21. März zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. Das Gremium sei außerdem befugt, die neuen Staatsgrenzen festzulegen. Die Ukraine protestiert gegen die Abspaltung.

Auch die moskautreue Regierung der noch zur Ukraine gehörende Krim hat es eilig. Auf der Krim soll ab April nur noch der russische Rubel als offizielle Währung gelten. Die ukrainische Hrywnia werde dann abgeschafft, zitierte die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA den Vizeregierungschef der Krim, Rustam Temirgalijew, am Dienstag. Eine gleichzeitige Gültigkeit beider Währungen sei nicht praktikabel. Zuvor hatte die Krim-Regierung noch erklärt, die Hrywnia solle bis 2016 als offizielles Zahlungsmittel erhalten bleiben.

Russland weiterhin Mitglied der G8

Putin hatte am Montagabend ungeachtet der Sanktionen des Westens die Halbinsel als unabhängigen Staat anerkannt. Die USA, die EU und die Ukraine sehen darin einen eklatanten Bruch des Völkerrechts. Sie verurteilten die Annexion des ukrainischen Territoriums durch Russland.

Trotz des Vertrags über den Anschluss der Krim ist Russland nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel weiterhin Mitglied der G8-Gruppe. Merkel stellte am Dienstag in Berlin klar, dass die großen Industrienationen lediglich die Vorbereitungen für das diesjährige G8-Treffen im Juni in Sotschi suspendiert haben. „Darüber hinaus sind keine Entscheidungen gefallen“, sagte die Kanzlerin. „Was G8 anbelangt, gibt es keinen neuen Sachstand.“

Merkel stellte damit Äußerungen von Frankreichs Außenminister Laurent Fabius klar, der über Twitter mittgeteilt hatte „(...) wir haben für die G8 entschieden, die Teilnahme Russlands auszusetzen“. Ein Sprecher von Fabius bestätigte am Mittag in Paris ebenfalls, der Minister habe sich lediglich auf die Vorbereitungen für den nächsten Gipfel bezogen. Die G8-Gruppe besteht aus sieben großen Industrienationen (USA, Großbritannien, Japan, Kanada, Italien, Frankreich und Deutschland) sowie Russland.

Mit Russland in Kontakt bleiben

Merkel kündigte zugleich an, den von Russlands Präsident Wladimuir Putin verkündeten neuen Status für die Krim nicht anzuerkennen. „Die Aufnahme in die russische Föderation ist nach unserer festen Auffassung gegen das internationale Recht“, sagte die Kanzlerin nach einem Treffen mit Portugals Ministerpräsident Pedro Passos Coelho. „An dieser Veurteilung wird sich von unserer Seite nichts ändern.“

Ebenso wie Coelho sprach sich aber auch Merkel dafür aus, parallel zu den verhängten Sanktionen mit Russland in Kontakt zu bleiben. „Wir werden im Blick auf die Fragen, die in Zusammenhang mit der Ukraine stehen, neben den eingeleiteten Sanktionen auf Dialog setzen. Coelho sagte: “Niemand in Europa wird einen Nutzen ziehen, wenn letztlich kein Dialog mehr möglich wäre.“

Der Westen hatte in dieser schwersten Krise seit Ende des Kalten Krieges Kontosperrungen und Einreiseverbote für Funktionäre in Russland und auf der Krim beschlossen. Die Betroffenen reagierten mehrheitlich gelassen auf die Strafmaßnahmen. Sie betonten, dass sie weder Auslandskonten noch Reisepläne hätten. Die Listen mit den Namen in den USA und in der EU unterscheiden sich.

Auf der Krim hatten die Bewohner am Sonntag bei einem international nicht anerkannten Referendum mit großer Mehrheit für einen Beitritt zu Russland gestimmt. Ein militärisches Eingreifen hatten die Ukraine und der Westen aber abgelehnt.

Russland sieht die Krim bis heute als sein Interessensgebiet an. 1954 hatte Kremlchef Nikita Chruschtschow die seit Jahrhunderten umkämpfte Halbinsel der Ukraine übertragen. Sie ist seit mehr als 200 Jahren Sitz der russischen Schwarzmeerflotte.

( dpa/Reuters/ap/jkw )