US-Gesundheitswesen

"Verhütung ist nur für Schlampen, Huren, Femi-Nazis"

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Uwe Schmitt

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Ein US-Moderator schimpft: Wer staatlich bezahlte Verhütung fordert, hat sich in die Pleite begattet. Wenn es dafür Steuergelder gäbe, wolle er beim Sex zuschauen.

Ein ultrakonservativer Radiokommentator beschimpft Frauen, die verhüten, als „Schlampen“. Der Staat Virginia zwingt abtreibungsbereite Frauen zur Ultraschallbesinnung. Und der US-Senat verhindert nur knapp ein Gesetz, das es Arbeitgebern freigestellt hätte, „aus moralischen Gründen“ verhütende Leistungen der betrieblichen Krankenversicherung zu verweigern.

Hätte es noch eines Beweises bedurft für die Offensive der Republikaner, die Abgeordnete der Demokraten einen „Krieg gegen Frauen“ nennen, dieser 1. März, ironischerweise der erste Tag des "Monats der Frauen“ in Amerika, lieferte Belege in Fülle.

Konservative verteidigten die Initiativen als Schutz der Religionsfreiheit gegen die gottlose, arrogante Bundesregierung. Ihre Gegner empören sich gegen die frömmelnde Bevormundung einer Partei, die sonst jeden staatlichen Eingriff verdammt.

So viel Sex, dass sie pleitegingen

Willkommen zum Kulturkampf im US-Wahljahr, der längst geschlagene Gefechte um Sitten und Werte neu inszeniert – zum Erstaunen weiter Teile der Bevölkerung. Sie sorgt sich um ihre Arbeitsplätze und steigende Spritpreise, nicht um Verhütung, die von weit über 80 Prozent der Frauen, Katholikinnen eingeschlossen, ohne Befragung von Priestern oder Politikern praktiziert wird.

Doch es braucht einen bekennenden Frauenfeind wie Rush Limbaugh, den einflussreichsten Radiotalkshow-Moderator der Rechten, dieses angebliche Ringen um die Moral im Schlafzimmer als Freierfantasie auszudrücken.

„Schlampen“ und „Prostituierte“ seien all die Frauen in der Georgetown University zu Washington, für deren Nöte die Studentin Sandra Fluke vor einem Kongressausschuss gesprochen hatte: Sie hatte von einer Kommilitonin berichtet, der ein Eierstock entfernt werden musste, weil sich die Krankenkasse geweigert hatte, die Antibabypille gegen Zystenbildung zu verschreiben.

Alles Quatsch, grölte Limbaugh, alles Huren. „Die hatten so viel Sex, dass sie pleitegingen und mich und euch (die Hörer) zwingen wollen, für Verhütung zu bezahlen. Hier ist mein Kompromiss: Ich bezahle allen Frauen an der Uni Aspirintabletten, die sie zwischen ihre Knie klemmen können.“

"Wir wollen Sexvideos von euch!"

Und weil das seine Hörer noch nicht genug anregte, legte Limbaugh am Tag darauf nach: „Also hier, Fräulein Fluke und der Rest von euch Femi-Nazis, ist der Deal: Wenn wir dafür bezahlen sollen, dass ihr Sex habt, wollen wir eine Gegenleistung. Wir wollen, dass ihr (Sex-)Videos online stellt, damit wir sie alle sehen können.“

Mehr als 75 Kongressabgeordnete der Demokraten fanden das so widerlich, dass sie in einem offenen Brief den Fraktionschef der Republikaner, John Boehner, aufforderten, sich von „der beleidigenden und obszönen Sprache, die eine mutige junge Frau verleumdet“, zu distanzieren. Meinungsfreiheit sei nicht grenzenlos.

Nun kann man sagen: Wer ist schon Rush Limbaugh, wen interessiert irgendein misogyner Schwätzer? Doch rund zehn Millionen Amerikaner hören ihm täglich zu, kein Republikaner im Kongress kann das ignorieren. Limbaugh lässt sich in seinem Hass auf Barack Obama und Linksliberale von niemandem übertreffen; es gibt zu ihm auf der Linken keinen Gegenentwurf.

Seine frauenfeindliche Anfeuerung begleitete auch den (im US-Senat mit 48 zu 51 Stimmen knapp gescheiterten) Vorstoß der Republikaner, Arbeitgebern mit religiösen oder moralischen Bedenken die Bezahlung von Verhütung, HIV-Tests, Impfungen gegen Grippe oder Kinderkrankheiten freizustellen.

Dieser von den Kandidaten Rick Santorum und Mitt Romney begeistert unterstützte Versuch, dem Staat Gewissensentscheidungen von Frauen und ihren Ärzten zu übertragen, wird angeblich im Namen der Religionsfreiheit unternommen.

"Tyrannei Barack Obamas und seiner feministischen Verbündeten“

Das wahre Ziel ist es offenkundig, die von Präsident Obama durchgesetzte Gesundheitsreform zu stürzen. Als „Tyrannei Barack Obamas und seiner feministischen Verbündeten“ verfluchte der republikanische Senator Orin Hatch das Scheitern des Gesetzes.

Rund 63 Prozent der Amerikaner (acht von zehn Demokraten; vier von zehn Republikanern) sind dafür, dass die Kosten von Verhütung übernommen werden; von einem Mandat des Volkes können die Republikaner also kaum sprechen, eher von einer Tyrannei der Opposition. Nur ein Prozent der Befragten gab laut einer Studie Empfängnisverhütung als ein für sie wichtiges Thema dieses Wahlkampfs an.

Umso eifriger kämpften die Senatoren der Republikaner in Virginia dafür, abtreibungswillige Frauen durch Pflichtultraschalluntersuchungen daran zu erinnern, dass sie schwanger sind. Eine im Wortsinn noch tiefer in die Intimsphäre eindringende vaginale Untersuchung wurde nach empörtem Protest von Frauen zurückgenommen.

Doch nun verfügte der Senat von Virginia mit 22 zu 19 Stimmen die Prozedur, die nichts anderes verfolgt, als ohnehin trauernde Frauen vor einer Abtreibung weiter einzuschüchtern. In Pennsylvania verlangt ein ähnliches neues Gesetz, dass Frauen dem Ultraschallschirm das Gesicht zuwenden; allerdings dürfen sie ihre Augen niederschlagen. In Virginia ließen sich die Republikaner dazu herab, Schwangere, die Inzest oder Vergewaltigung bei der Polizei angezeigt haben, von der Zwangsuntersuchung auszunehmen.

Am 23. Februar starteten Demokraten im Kongress einen Spendenaufruf gegen das, was sie „Krieg gegen Frauen“ nennen. Mehr als 1,1 Millionen Dollar flossen in ihre Kasse wider die Republikaner. Eine Unterschriftenaktion, die 500.000 Stimmen gegen den Angriff auf die Frauenrechte sammeln will, steht kurz vor dem Ziel. Der Kampf geht weiter.