Guttenberg

Titelmissbrauch, Untreue, Urheberrechtsverstöße

| Lesedauer: 5 Minuten
Daniel Friedrich Sturm und Thorsten Jungholt

Das Internet will Guttenberg zurück, aber für den ist die Plagiatsaffäre noch nicht ausgestanden. Inzwischen liegen 100 Anzeigen vor.

Das Internet lieferte dem Doktoranden Karl-Theodor zu Guttenberg allerlei Textmaterial für seine Dissertation. Das Internet ermöglichte es, die Plagiate des promovierten Verteidigungsministers zu entdecken. Das Internet verbreitete als erstes Medium die Nachricht vom Rücktritt Guttenbergs. Nun formiert sich im Internet eine Gemeinde, die sich schon jetzt nach dem CSU-Politiker sehnt, für dessen politische Rückkehr wirbt.

„Wir wollen Guttenberg zurück“, lautet eine Seite auf Facebook, die am Mittwochnachmittag 400.000 Mitglieder zählte. Die Seite will ein Zeichen setzen, dass Guttenberg „trotz seines Fehlers in der Politik bleiben muss/soll/kann. Er hat in seiner Arbeit als Politiker einen guten Job gemacht und schafft es, durch seine Auftritte, Tausende Leute für Politik zu begeistern.“

Die Initiatoren für jenen Rücktritt vom Rücktritt weisen ferner darauf hin, dass es sich um eine private Seite handle, „die nicht durch Herrn zu Guttenberg oder einen seiner Mitarbeiter erstellt worden ist“.

Doch auch innerhalb der Unionsparteien sind Stimmen zu vernehmen, die auf eine mittelfristige Rückkehr des beliebtesten Politikers hoffen. „So viele talentierte Politiker hat die politische Klasse in Deutschland nicht, als dass man auf Guttenberg verzichten könnte“, sagte etwa der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl der „Mitteldeutschen Zeitung“.

Es gebe Fälle, in denen bei Politikern sehr viel mehr kriminelle Energie vorhanden gewesen sei als bei Guttenberg und die ebenfalls zurückgekehrt seien. Das könnte sich auf Franz Josef Strauß beziehen: Der musste 1962 wegen der „Spiegel“-Affäre als Verteidigungsminister den Hut nehmen. 1978 wurde er bayerischer Ministerpräsident, 1980 Kanzlerkandidat der Union; den CSU-Vorsitz hatte er von 1961 bis zu seinem Tod 1988 inne.

Mit dem Historiker Michael Philipp meldete sich ein „Rücktrittsforscher“ zu Wort. Philipp hat sich in seinem Buch „Persönlich habe ich mir nichts vorzuwerfen“ wissenschaftlich mit politischen Rücktritten in Deutschland befasst.

Er ist überzeugt: „Guttenberg wird zurückkommen, wenn er das will.“ Der Skandal, so Philipp, werde innerhalb kürzester Zeit vergessen werden. Derzeit aber büßt Guttenberg im Volk an Vertrauen ein. Nach dem Entzug seines Titels bezeichneten ihn nur noch 26 Prozent der Bürger als „vorbildlich“, wie eine Forsa-Umfrage für den „Stern“ ergab. Einen Monat zuvor waren es noch 51 Prozent.

Bevor Guttenberg sich aber Gedanken über seine berufliche Zukunft machen kann, müssen zunächst die strafrechtlichen Vorwürfe gegen ihn aufgeklärt werden. Den Staatsanwaltschaften in Hof und Berlin liegen rund 100 Anzeigen vor, die ihm dreierlei vorwerfen: Titelmissbrauch, Untreue und Urheberrechtsverstöße. Die Staatsanwaltschaft Hof will am Donnerstag mitteilen, wie sie vorgehen will.

Dass Ermittlungen wegen des Missbrauchs von Titeln nach Paragraf 132a Strafgesetzbuch (StGB) aufgenommen werden, ist eher unwahrscheinlich. Der Tatbestand setzt voraus, dass der Täter „unbefugt“ akademische Grade führt. Guttenberg war sein Titel jedoch zunächst formell korrekt verliehen worden.

Etwas komplizierter zu klären ist der Vorwurf der Untreue nach Paragraf 266 StGB. Guttenberg, so sehen es die Anzeigenerstatter, habe für seine Dissertation rechtswidrig Leistungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags in Anspruch genommen und damit den Steuerzahler geschädigt.

Untreue setzt jedoch eine sogenannte Vermögensbetreuungspflicht voraus. Die muss zudem eine bedeutsame „Hauptpflicht“ sein. Aus dem Abgeordnetenverhältnis lässt sich aber bestenfalls eine „Nebenpflicht“ ableiten – für Untreue genügt das nicht.

Die größten Probleme könnten Guttenberg die Strafanträge wegen möglicher Verletzungen des Urheberrechts bereiten. „Wer in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ohne Einwilligung des Berechtigten ein Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“, heißt es in Paragraf 106 des Gesetzes.

Die seitenweise Übernahme fremder Texte in einer Dissertation lässt sich darunter subsumieren. Verfolgt wird die Tat auf Antrag eines Geschädigten oder bei besonderem öffentlichem Interesse – beides ist im vorliegenden Fall möglich.

Des Weiteren müsste Guttenberg vorsätzlich gehandelt haben, was schon der Fall wäre, wenn er eine Verletzung des Urheberrechts billigend in Kauf genommen hat. Ob das der Fall ist, muss nun die für die Universität Bayreuth zuständige Staatsanwaltschaft in Hof prüfen.

Die hat angekündigt, ihre Arbeit aufzunehmen, sobald eine Kommission der Universität ihre Nachforschungen abgeschlossen hat. Denn aus dem Urteil der Wissenschaftler können sich für den Staatsanwalt entscheidende Hinweise auf die Vorsatzfrage ergeben.