Verteidigungsministerium

"Schleudersitz, Schlangengrube, Sack voller Minen"

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D. F. Sturm

Foto: pa/dpa / pa/dpa/Frank Mächler, Alfred Hennig, Karlheinz Schindler

Im Verteidigungsministerium steht ein Schleudersitz. Schon der erste Amtsinhaber musste vorzeitig gehen. Jetzt tritt auch Karl-Theodor zu Guttenberg zurück.

Es war ein selbstbewusster, aus Bayern stammender Bundesverteidigungsminister, der mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen die gesamte Koalition aus Union und FDP unter Druck setzte. Jener karrierebewusste CSU-Mann verursachte eine regelrechte Regierungskrise, ja eine Bewährungsprobe für die Demokratie.

Franz Josef Strauß hieß der Verteidigungsminister, der vor knapp fünf Jahrzehnten, am 11. Dezember 1962, aus Konsequenz der durch ihn verursachten „Spiegel“-Affäre, von seinem Amt zurücktrat.

Als ein „Schleudersitz“ galt der Sessel des Verteidigungsministers damals noch nicht. Doch Strauß war bereits der zweite Minister dieses Ressorts, der unfreiwillig gehen musste. Schon Theodor Blank (CDU), ein Vertrauter Konrad Adenauers, hatte im Jahre 1956 als erster Bundesverteidigungsminister das Handtuch werfen müssen.

Das Ministerium wurde 1955 geschaffen

Zu diesem Zeitpunkt war Blank gerade einmal ein gutes Jahr lang im Amt; das Verteidigungsministerium der jungen Bonner Republik war erst 1955 geschaffen worden. Unter Blanks Leitung hatte zuvor die nach ihm benannte Dienststelle mit Planungen für einen westdeutschen Verteidigungsbeitritt begonnen. Blank sah sich indes heftigen Widerständen im Bundestag ausgesetzt, seine Politik war so umstritten, dass Adenauer ihn als Minister während der Legislaturperiode austauschte. Nachfolger Blanks wurde dessen heftigster interner Kritiker: Franz Josef Strauß nämlich.

Strauß wirkte immerhin sechs Jahre auf der Bonner Hardthöhe und damit deutlich länger als die meisten der bislang 15 Verteidigungsminister zwischen Blank und dem jetzt zurückgetretenen Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). An Gründen für einen Rücktritt hatte es bei Strauß nicht gemangelt. So musste sich der spätere bayerische Ministerpräsident (und Kanzlerkandidat) als Minister vor einem Untersuchungsausschuss verantworten, in dem es um Schmiergeldzahlungen für einen Schützenpanzer ging. Kritik hatte auch der Bundesrechnungshof an Strauß geübt, indem er ihm vorwarf, Milliarden für die Anschaffung des Starfighters zu verschleudern. All dies perlte an Strauß ab.

Erst die „Spiegel“-Affäre aber, die Durchsuchung der Redaktionsräume und die Verhaftung des Journalisten Conrad Ahlers, und nicht zuletzt Strauß’ nassforscher Umgang mit ihr, mündeten in seinem Rücktritt. Dieser war aus den Reihen des Koalitionspartners FDP gefordert worden – mit höchstem Nachdruck, nämlich indem die Minister der Liberalen ihrerseits ihre Ämter ruhen ließen. Erst hernach trat Strauß zurück. Adenauer hatte eine Regierungskrise abzuwenden, und bildete sein Kabinett um. Zum letzten Mal. Just in jener Phase sah sich der Kanzler genötigt, den eigenen Rücktritt für das folgende Jahr 1963 anzukündigen.

Auch der "Soldatenvater" musste gehen

Mit Georg Leber verließ auch der zweite sozialdemokratische Verteidigungsminister unfreiwillig das Amt. Leber, bei der Truppe enorm beliebt und als „Soldatenvater“ gefeiert, war von 1972 bis 1978 Minister; er wirkte unter den Kanzlern Willy Brandt und Helmut Schmidt (beide SPD).

„Schorsch“ Leber, heute 90 Jahre alt, trat am 1. Februar 1978 als Verteidigungsminister zurück. Er zog damit die Konsequenz für Abhöraktionen des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), etwa im Büro des gegen die Bundeswehr agierenden Kommunistischen Bundes Westdeutschland. Dieser Eingriff durch den MAD“ sei mit dem Amtseid, den der Minister abgelegt habe, nicht vereinbar, hieß es in Lebers Rücktrittsbegründung. „Ich gehe nicht frei von Wehmut aus meinem Amt. Aber ich gehe ohne Bitterkeit“, sagte Leber damals. Nachfolger wurde sein Parteifreund Hans Apel.

Manfred Wörner (CDU) war 1982 von Kanzler Helmut Kohl (CDU) zum Verteidigungsminister berufen worden. Schon zwei Jahre später bot er seinen Rücktritt an, in Folge der Kießling-Affäre. Hintergrund: Bundeswehrgeneral Günter Kießling war aufgrund des Vorwurfs der Homosexualität frühpensioniert worden. Kohl lehnte das Rücktrittsgesuch Wörners ab, dieser blieb bis 1988 Minister, später wirkte er als Nato-Generalsekretär – und Kießling wurde später rehabilitiert. Wörners Urteil über das Amt des Verteidigungsministers aber war ziemlich eindeutig. Er nannte es: „Schleudersitz, Schlangengrube, ein Sack voller Minen“.

Scholz schied nach nur elf Monaten aus

Nach gerade einmal elf Monaten und damit der kürzesten Amtszeit schied Rupert Scholz (CDU) im April 1989 als Verteidigungsminister aus dem Kabinett Kohl aus. Die Koalition aus Union und FDP war instabil, Scholz hatte ungeschickt agiert. Das galt etwa für seine Reaktion auf zwei Flugzeugkatastrophen im Jahre 1988 (Ramstein, Remscheid). Ein Verbot militärischer Tiefflüge, vielfach gefordert, lehnte Scholz unter Verweis auf die – damals im Westen wenig präsenten – Vorrechte der Alliierten ab.

Auf Scholz folgte Gerhard Stoltenberg (CDU), bis dato Finanzminister. Er musste seine Dienstzeit im März 1992 wegen der Lieferung von Panzern an die Türkei trotz eines gegenteiligen Beschlusses des Bundestages beenden. Sein Nachfolger Volker Rühe (CDU) machte zu seinem Amtsantritt klar, dass er das Primat der Politik durchzusetzen gedenke – und wurde so der am längsten dienende Verteidigungsminister.

Noch am Mittag des 11. September 2001 bestimmte Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) die Nachrichtenlage in Deutschland. Er hatte sich mit seiner damaligen Lebensgefährtin Kristina Gräfin Pilati planschend in einem Hotelpool auf Mallorca gezeigt, ja, der Veröffentlichung solcher Fotos zugestimmt, während Bundeswehrsoldaten auf dem Balkan in ihren Einsatz gingen.

Die Terroranschläge in den USA verdrängten jene Bilder, und Scharping musste erst am 18. Juli 2002 zurücktreten – nachdem Honorare des PR-Beraters Moritz Hunzinger für Scharping bekannt wurden. Dies war mitten in einem Bundestagswahlkampf. Kanzler Gerhard Schröder (SPD) berief Peter Struck zum Nachfolger. Er blieb bis 2005 im Amt. Es folgte der glücklose Franz Josef Jung (CDU) – und 2009 Karl-Theodor zu Guttenberg.