Die Kanzlerin verliert nicht nur einen wichtigen Minister. Sie muss sich auch gegen scharfe Kritik wehren. Der Vorwurf: Sie habe konservative Werte missachtet.

Der Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg ist für Angela Merkel ein schwerer Schlag. Noch am Montag hatte sich die Kanzlerin schützend vor den Verteidigungsminister gestellt. Doch die Welle der Empörung aus der Wissenschaft und der allmählich schwindende Rückhalt aus den eigenen Reihen waren dann doch zuviel.

Der einstige Hoffnungsträger galt noch vor wenigen Wochen als potenzieller Nachfolger von Merkel. Sein – zumindest vorläufiges – politisches Aus bringt nun auch die Kanzlerin in Not. Eine Kabinettsumbildung wird fällig, ausgerechnet einen Monat vor entscheidenden Landtagswahlen wie in Baden-Württemberg.

Vor gut einer Woche sagte Merkel einen Satz, der sie möglicherweise noch länger verfolgen wird: „Ich habe keinen wissenschaftlichen Assistenten oder einen Promovierenden oder einen Inhaber einer Doktorarbeit berufen“, sagte die CDU-Chefin, noch bevor Guttenberg seinen Doktortitel von sich aus zur Verfügung stellte. „Mir geht es um die Arbeit als Bundesverteidigungsminister. Die erfüllt er hervorragend, und das ist das, was für mich zählt.“

Die scharfe Trennung von Ministeramt und wissenschaftlicher Arbeit wurde ihr von Kritikern als Freibrief für Vergehen gewertet. Auch in den eigenen Reihen stieß Merkels Vorgehen auf große Skepsis. Der frühere sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) sagte im ZDF: „Der Mensch wird gemessen, nicht das Amt. Und der Mensch ist auch nicht teilbar.“ Ähnlich hatte das zuvor auch Thüringens Ex-Regierungschef Bernhard Vogel (CDU) formuliert. Die Wissenschaft lief Sturm, über 50.000 Bürger schlossen sich einem Protestbrief von Doktoranden an.

Merkel hielt an Guttenberg bis zuletzt fest. Freilich: Mitten in einer der größten Bundeswehrreformen den Minister auszuwechseln, ist ein Risiko. Sie muss einen neuen Oberkommandierenden der Streitkräfte suchen, der die heiklen Aufgaben meistern kann, und dazu zählt bei weitem nicht nur das Aussetzen der Wehrpflicht. Welche Folgen das lange Festhalten an Guttenberg allerdings für Merkels eigene Machtposition in den kommenden Monaten hat, ist noch nicht absehbar.

Am Nachmittag sagte Merkel, heute sei nicht die Stunde, über einen Nachfolger zu entscheiden. Wenn die CSU das Verteidigungsressort wieder besetzen wolle – und dafür gebe es gute Gründe – „dann hat die CSU wieder einen Anspruch auf dieses Amt. Wir werden uns in der Koalition in aller Ruhe zusammensetzen.“ Guttenberg bleibe geschäftsführend im Amt, bis ein neuer Verteidigungsminister gefunden sei.

CSU-Chef Horst Seehofer hatte zuvor in München angekündigt, seine Partei werde am Freitag bei einer Präsidiumssitzung in München über die Personalie beraten und voraussichtlich auch entscheiden.

Merkel betonte, sie sei von dem Rücktrittsgesuch überrascht worden. Guttenberg habe sie am Vormittag angerufen. Die Kanzlerin war gerade auf der Cebit in Hannover, als sie den Anruf entgegennahm. Sie ließ über den Inhalt des Telefonats aber zunächst kein Wort verlauten.

Die Bedenken der Wissenschaft verstehe sie gut. Sie bedauere den Rücktritt Guttenbergs, der über die Plagiatsaffäre gestolpert war, sehr und nehme ihn zur Kenntnis. Sie sei aber – wie viele Menschen im Land – betrübt darüber. Guttenberg habe die Fähigkeit gehabt, die Herzen der Menschen zu erreichen. Die Kanzlerin sagte weiter, sie habe den Rücktritt Guttenbergs „schweren Herzens angenommen“. Die von ihm begonnene Bundeswehrreform werde mit aller Entschlossenheit weiter umgesetzt.

Jetzt muss sich Merkel scharfer Kritik aus den Reihen der Opposition stellen. Die Kanzlerin habe einen großen Fehler begangen, indem sie Guttenberg gedrängt habe, im Amt zu bleiben, sagte etwa SPD-Chef Sigmar Gabriel. Es müssten für Minister und Politiker dieselben Rechte gelten wie für normale Bürger. Mit ihrem Versuch, Guttenberg im Amt zu halten, habe Merkel „die Selbstreiniungskräfte des Parlaments angehalten“, kritisierte der SPD-Vorsitzende.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sprach von einer „Riesenblamage“ für die Bundeskanzlerin. Die CDU-Vorsitzende habe versucht, die Krise um ihren Minister „durch Lavieren“ auszusitzen und dabei konservative Werte wie Fairness und Anstand missachtet, sagte Trittin. Merkel habe mit ihrer Unentschiedenheit die Christdemokraten in eine Zerreißprobe geführt. Insgesamt sei die Affäre ein schwerer Rückschlag für Union und Koalition.