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Schreiber haucht CDU-Affäre wieder Leben ein

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Mariam Lau und Miriam Hollstein

Die Auslieferung des Ex-Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber bringt die Parteispendenaffäre der CDU wieder auf die Tagesordnung. Bei den Christdemokraten gibt man sich betont gelassen. Schreiber selbst, der in Deutschland eingetroffen ist, sieht sich einem Komplott der SPD ausgesetzt.

„Ich bin vielleicht hässlich geboren, aber nicht dumm“, hat Karlheinz Schreiber mal vor dem kanadischen Parlament über sich selbst gesagt. Das war vor einem Jahr, als der Mann, der das Wort „Waffenhändler“ nicht gern hört („Ich war Besitzunternehmer! Alles mit eigenen Händen aufgebaut!“), schon seit neun Jahren auf der Flucht vor der deutschen Justiz war, der er sich mit immer neuen Tricks und Gallensteinen entzogen hatte. Im März 1999 hatte sich der umtriebige Geschäftsmann, der als die Schlüsselfigur in der nie ganz aufgeklärten CDU-Spendenaffäre gilt, über die Schweiz nach Kanada abgesetzt, wo er erneut in eine Spendenaffäre mit der Regierung Brian Mulroney geriet.

Am Montag um 9.22 Uhr endete die Flucht des Karlheinz Schreiber, der sowohl deutscher als auch kanadischer Staatsbürger ist. In einer Linienmaschine der kanadischen Fluggesellschaft Air Canada landete der 75-Jährige auf dem Münchner Flughafen. Heute um zehn Uhr wird ihm die 9. Strafkammer des Landgerichts Augsburg unter dem Vorsitz von Richter Rudolf Weigell den Haftbefehl bekannt geben. Dann kann Schreiber dazu Stellung nehmen. Ihn erwartet ein Verfahren wegen Untreue, Bestechung, Betrug und Steuerhinterziehung – und bis zu 15 Jahre Haft.

Schreiber wäre aber nicht Schreiber, wenn er seine Überstellung nach Deutschland nicht mit finsteren Verdächtigungen über politische Hintergründe orchestriert hätte: „Die Sozialdemokraten haben schon drei Wahlen mit meinem Fall gewonnen“, sagte er kanadischen Journalisten in Toronto. „Wenn ich jetzt käme, dann wäre das für die SPD ein Riesending.“ Er rechne damit, dass die SPD nach seiner Rückkehr „einen großen Zirkus“ starten werde, um der CDU zu schaden. Als Beleg erwähnte Schreiber ein Fax von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD), in dem sie ihren kanadischen Amtskollegen noch einmal nachdrücklich aufgefordert hätte, „diesen Typen hier rüberzubringen“, so Schreibers Worte.

In Wahrheit hatte Zypries sich auf die abgelaufenen kanadischen Untersuchungen bezogen, die eine Anwesenheit Schreibers nun nicht mehr nötig machten. Sie sei sicher, so Zypries in dem Schreiben, das Morgenpost Online vorliegt, „dass auch Sie eine zügige Auslieferung von Herrn Schreiber befürworten – nicht zuletzt als Beitrag für Gerechtigkeit und Rechtsfrieden“. Inzwischen ist klar, dass es vor der Bundestagswahl nicht mehr zu einem Verfahren kommen wird.

Mit Karlheinz Schreiber steht der CDU das Menetekel ihrer schwärzesten Zeit vor Augen. Auf einem Schweizer Parkplatz hatte der Waffenhändler 1991 dem damaligen CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep eine Millionenspende in einem Koffer übergeben, die nie versteuert wurde. Schreiber soll damit Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien und diverse Airbus-Geschäfte zu befördern versucht haben. Nach Leisler Kieps Verhaftung 1999 traten immer neue „Anderkonten“ zutage, auf denen, wie der ehemalige Parteivorsitzende und Altbundeskanzler Helmut Kohl zugab, Spendengelder in Höhe von bis zu zwei Millionen Mark deponiert worden waren. Die satireträchtigste Wende nahm die Affäre dann mit der Erklärung der hessischen CDU, die plötzliche Zunahme ihrer „sonstigen Einnahmen“ Anfang der Neunzigerjahre erkläre sich aus dem Dahinscheiden jüdischer Spender, die der Partei Alfred Dreggers ihr Vermächtnis vererbt hätten.

Der ehemalige Verteidigungsstaatssekretär Holger Pfahls musste zugeben, von Schreiber 3,8 Millionen Mark Schmiergeld für Hilfe beim Verkauf von Fuchs-Transportpanzern nach Saudi-Arabien angenommen zu haben. Der damalige CDU-Vorsitzende Wolfgang Schäuble musste schließlich einräumen, 1994 bei einem Essen in einem Bonner Hotel von Schreiber 100.000 Mark in bar angenommen zu haben. Auch dieser Betrag wurde nicht rechtmäßig auf den Parteikonten verbucht. Die Affäre kostete Schäuble das Amt des Parteivorsitzenden. Er verzichtete auf eine Wiederwahl – und machte den Weg für Angela Merkel frei, die als Ostdeutsche ohne Parteikohorten völlig unverdächtig war, mit dem „System Kohl“ irgendwie verbandelt zu sein. Die 100.000-Mark-Spende – von Schreiber selbst mit dem Begriff „hundert hässliche Männer“ umschrieben – wird allerdings im Verfahren gegen Schreiber nicht Thema sein. Und selbst wenn: In der CDU spekuliert man darauf, dass ohnehin nur Schreiber selbst noch haftbar wäre; „alles andere ist verjährt“. Zehn Jahre sind eine lange Zeit.

Das moralische Zentrum der Parteispendenaffäre war jedoch nicht die Steuerhinterziehung, für die die einzelnen Gliederungen der Partei seither schwer haben bluten müssen. Im Zentrum stand die Weigerung des ehemaligen Parteivorsitzenden und früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl, die Namen der Spender preiszugeben – und zwar unter Berufung auf das „Ehrenwort“, das er diesen gegeben habe. Ob der von Karlheinz Schreiber darunter wäre, wissen nur die Beteiligten. „Aber dass ein Bundeskanzler sein persönliches Ehrenwort über das geltende Recht stellte – das hatte auch treue Unionswähler erschreckt“, sagt einer aus der CDU-Spitze, der zu den unmittelbar Betroffenen der damaligen Personalrochaden gehörte. „Natürlich gab es auch diejenigen, die ihn dafür geradezu bewundert haben: ein Mann, ein Wort. Aber der Bruch mit ihm war unvermeidlich, das haben alle gesehen.“

Der Bruch – das war ein offener Brief der damaligen Generalsekretärin Angela Merkel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ Ende 1999, in dem sie – ohne Absprache mit dem amtierenden Parteivorsitzenden Wolfgang Schäuble – von der Partei die Loslösung von ihrem „alten Schlachtross“ (Kohl über Kohl) forderte. Man sei „eine andere Partei geworden“, sagt der CDU-Mann sinnierend. Die Akteure von damals „könnten heute bei uns nichts mehr werden“, konstatiert er, nicht ohne Wehmut.

Aber eine echte Wasserscheide für die Bundestagswahl – da ist man sich bei der CDU sicher – wird die Causa Schreiber nicht werden. „Natürlich wäre es ein Problem, wenn Schreiber wieder mit seinen finsteren Andeutungen käme“, heißt es aus der CDU-Spitze. „Aber daran können seine Anwälte eigentlich kein Interesse haben.“ Nicht einmal bei der Opposition will man die Auslieferung des Lobbyisten politisieren. Der Verdacht, die SPD könne sie aus wahltaktischen Gründen lanciert haben, wird auch von der FDP zurückgewiesen. „Heute ist nicht der Tag für Vorwürfe an die unabhängig arbeitende deutsche Justiz“, sagte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, rechtspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion. Ähnlich äußerte sich auch der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer.

Die SPD gab sich in puncto Schreiber zurückhaltend. „Dass wir einen Bewohner mehr haben in Deutschland, macht bei uns hier keine Unruhe. Warten wir einmal ab“, sagte ihr Vorsitzender Franz Müntefering gestern nach einer Präsidiumssitzung. „Der Schreiber wird uns nicht verfolgen“, sagte er und verwies auf die einstige CSU-Mitgliedschaft des Waffenlobbyisten. Schreibers Kegelbahn sei ein „bekannter Kommunikationsort“ der CSU-Spitze gewesen: „Das wird möglicherweise die CSU ein bisschen verfolgen.“ Mit Blick auf die CDU-Spendenaffäre fügte Müntefering hinzu: „Wir müssen da nichts machen. Stinken tut es nicht bei uns, sondern bei den anderen.“ Den Leuten müsse nur klar werden, „woher der Duft kommt“.

( Mitarbeit: tsv, dfs )