Geht es nach der Integrationsbeauftragten Böhmer, soll auf deutschen Pausenhöfen deutsch gesprochen werden. Auch die FDP ist dafür.
Wenn im Schulsport der Ball eine Zahnspange trifft, wird schon einmal geflucht – aber auf Deutsch. Selbstverständlich ist das nicht, denn fast zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler des Privatgymnasiums VIB in Hannover haben türkische Wurzeln.
In den Familien wird oft nur Türkisch gesprochen. In der Schule herrscht dagegen Deutschpflicht, im Unterricht und auf dem Pausenhof. „Wir wissen, dass gute Bildung das Leben einfach macht. Wir haben uns gewünscht, dass Kinder mit und ohne Migrationshintergrund die selben Chancen erlangen“, sagt Schulverwaltungsleiter Rakip Dumlu. Probleme die Deutschpflicht durchzusetzen, gebe es keine.
Ginge es nach dem Generalsekretär der FDP, Christian Lindner und der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Maria Böhmer, sollte dieses Vorbild im wahrsten Wortsinn Schule machen. Beide plädieren für eine Deutschpflicht; im Unterricht ist sie Konsens, ob man die Schüler allerdings dazu zwingen kann auch in den Pausen, in privaten Gesprächen Deutsch zu sprechen, da gehen die Meinungen auseinander.
Lindner sagte der "Bild"-Zeitung: „An manchen Schulen sind Deutsche inzwischen die Minderheit. Es hilft der Integration, wenn dort Deutsch nicht nur im Unterricht gesprochen wird, sondern auch auf dem Pausenhof." Maria Böhmer hält die Zeit für entsprechende Vereinbarungen an den Schulen für reif: „Vor einem Jahr hat diese Diskussion noch einen Aufschrei hervorgerufen. Heute hat sich die Erkenntnis durchgesetzt: Deutsch muss Schulsprache sein“, sagte Böhmer Morgenpost Online ONLINE.
Per Gesetz will die Bundesregierung eine Deutschpflicht jedoch nicht durchsetzen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, die Bundesregierung setze lieber auf freiwillige Selbstverpflichtungen an den Schulen.
Vorreiter der Deutschpflicht war die Herbert-Hoover-Oberschule im Berliner Stadtteil Wedding. Vor etwa fünf Jahren wurde dort die Deutschpflicht in die Schulordnung geschrieben. Über den Satz „Jeder Schüler ist verpflichtet, sich im Geltungsbereich der Hausordnung nur auf Deutsch zu verständigen“, hatten Eltern, Lehrer und Schüler diskutiert, die Schulkonferenz hatte darüber abgestimmt. Niemand regte sich auf, bis ein gutes Jahr später das türkische Massenblatt „Hürriyet“ über den Fall berichtete und bald türkische Verbände und die Grünen Sturm gegen das liefen, was sie als Diktat, als Diskriminierung ansahen. Haben sich die Zeiten seither geändert? Offensichtlich.
„Passt euch an! Lernt Deutsch!“, hat gerade der türkische Europaminister Egemen Bagis den Deutschtürken zugerufen. Da muss der Widerstand derjenigen verstummen, die jeden Anpassungsgedanken zurückweisen. „Die Zahl der Schulen, an denen sich die Schulfamilie auf Deutsch als Schulsprache festlegt, steigt“, sagt der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands, Heinz-Peter Meidinger. Es gebe eine Bewegung von unten, die vor allem von den Gesamtschulleitern angeführt werde.
Häufig sind es die Gesamtschulen, die Haupt- und Realschulen, an denen ein Migrantenanteil von weit über 50 Prozent längst die Regel ist. Für Meidinger machen allerdings Verordnungen oder Gesetze keinen Sinn. „Will man einen Schüler vor Gericht bringen, wenn er ein türkisches Wort gesagt hat? Da machen wir uns lächerlich.“ Eltern, Schüler, Lehrer und Schulträger müssten sich auf eine Art Vertrag einigen, die Kultusministerkonferenz (KMK) könnte Deutsch als Schulsprache aber empfehlen. Am Freitag trifft die KMK mit Migrantenverbänden zusammen. Der Präsident der KMK, Ludwig Spaenle, (CSU) sagt: "Für mich als bayerischer Kultusminister ist klar, dass es keine Sprachinseln geben darf." Auch Spaenle ist gegen offizielle Verordnungen, die Schulgemeinschaft selbst solle sich diese Verpflichtung auferlegen.
Am Privatgymnasium VIB in Hannover hat die Deutschpflicht alle überzeugt. Inzwischen steigt die Zahl der Anmeldungen deutscher Schüler – ohne Migrationshintergrund.