Nach dem impulsiven Militärschlag Georgiens gegen Südossetien steht der georgische Präsident Saakaschwili vor dem Trümmerhaufen seiner Politik. Russland hat mit seiner Intervention gezeigt, wer im Kaukasus das Sagen hat. Das Statement geht auch klar in Richtung EU-Osterweiterung.
"Es ist eine Schande, so eine Regierung brauchen wir nicht.“ Der Gemüsehändler Gogo ist wütend. Georgien hat einen Krieg verloren, den Präsident Michail Saakaschwili gar nicht hätte beginnen dürfen, meint Gogo. "Entweder du fängst an, dann musst Du gewinnen. Wenn das nicht geht, lass es“, lautet sein verspäteter Rat für den georgische Präsidenten Michail Saakaschwili.
Russland ist aufgrund seiner totalen militärischen Überlegenheit erwartungsgemäß der Sieger der Stunde, den das Porzellan, das da international wegen des Angriffs auf ein souveränes Nachbarland zerschlagen wurde, nicht stört. Töne des zynischen Triumphes kamen aus Moskau. Präsident Medwedjew ordnete das Ende der Militäraktion an. Die Streit-kräfte, sagte er im Stile eines Kolonialherrn, hätten Georgien "bestraft“. Die Sicherheit für Zivilisten und die sogenannten russischen Friedenssoldaten in Südossetien sei wieder hergestellt.
Tatsächlich hat die Militäraktion deutlich mehr eingebracht. Der Georgier Saakaschwili hat im Fünf-Tage-Krieg mit Russland alles verloren, was er eigentlich früher oder später gewinnen wollte. Die "Reintegration aller zu Georgien gehörenden Gebiete“ war eines der Hauptziele seiner Politik. Damit ist er gescheitert. Südossetien, die abtrünnige, eigentlich zu Georgien gehörende Region bleibt nun, gestützt auf russische Waffen, endgültig unerreichbar. Eine Wiedereingliederung, die auch vorher schon eher unwahrscheinlich war, ist nach der dummen Militäraktion Saakaschwilis endgültig obsolet.
Auch Abchasien, ebenfalls ehemals ein georgisches Gebiet, kann Saakaschwili abschreiben. Die Russen haben zwischen Georgien und Abchasien einen Sicherheitskordon aus eigenen Truppen gelegt, womit sie allein die Landverbindungen kon-trollieren. Derart abgesichert, schicken sich die Abchasen nun an, den oberen Teil der Kodori-Schlucht wieder zurückzugewinnen, den ihnen die Georgier 2006 abgenommen hatten.
Und als ob das nicht schon genug der Verluste wäre, muss die Führung in der georgischen Hauptstadt eine weitere Demütigung hinnehmen. Russische Truppen stehen im georgischen Kernland. Sie halten Stellungen im Westen, haben Sugdidi besetzt und mit Senaki einen der modernsten georgischen Militärstützpunkte eingenommen. Wie weit sie über Senaki hinaus in Richtung Tbilissi vorgerückt sind, ist zur Stunde noch unklar.
Moskaus Zangengriff wird komplettiert durch die Militärpräsenz in Gori, der Geburtsstadt Stalins 60 Kilometer von Tbilissi entfernt. Dabei ist es nicht so sehr die kleine Stadt, die militärisch wichtig ist, sondern die dort entlang führende Ost-West-Straße S-1. Indem sie in russische Hand geriet, ist Georgien praktisch in zwei Teile zerschnitten. Waren aus dem Ostteil des Landes, aus der ohnehin besetzten Hafenstadt Poti, erreichen die Hauptstadt vorläufig nicht mehr. Die Tbilissier Geschäfts-leute, die Einwohner der Stadt, sie alle sind besorgt.
Besorgt auch deshalb, weil auch nach der Einstellung der Kämpfe – in Gori wurde am Dienstag freilich immer noch geschossen – niemand weiß, wann und zu welchen Bedingungen die russischen Truppen das georgische Kernland verlassen werden. Sie werden es jedenfalls nicht einfach deshalb tun, weil US-Präsident George Bush oder europäische Institution die Moskauer Führung dazu auffordern.
Das entlockt ihnen höchstens ein müdes Lächeln. Russland ist sich seiner totalen militärischen Überlegenheit im Südkaukasus gewiss und auch der Tatsache, dass niemand den Georgiern militärisch zu Hilfe kommen wird. Das haben die europäischen und amerikanischen Verbündeten Saakaschwili übrigens auch immer wieder deutlich zu machen versucht: Sollte er einen militärischen Lösungsversuch in der Territorialfrage unternehmen, werde er ganz allein sein, musste sich der emotional leicht erregbare Georgier in jüngster Zeit öfter von westlichen Diplomaten anhören.
Dieser Fall ist nun eingetreten, wobei die diplomatische und moralische Unterstützung davon unbenommen bleibt. Frankreichs Präsident Sarkozy wurde gestern in Tbilissi erwartet, die Präsidenten der Ukraine, Polens und Litauens reisten an.
Aber Russland, das einen geradezu psychopathischen Hass auf den Saakaschwili und seine herausfordernde Art entwickelt hat, bestimmt hier nun die Regeln und will mit ihm nicht einmal mehr sprechen. „Er hat Verbrechen gegen unsere Bürger verübt“, sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow in Moskau, er könne kein Partner mehr sein, „es wäre besser, wenn er ginge“. Tief verärgert dementierte Lawrow in dem Zusammenhang, dass Moskau Saakaschwili stürzen wolle. Solche Pläne bestünden nicht, „das ist nicht unser Stil“. Aber wer wollte Russland daran hindern, seine Truppen so lange in Georgien zu lassen und einen zunehmenden Druck aufzubauen, bis auch dieses gewünschte Ziel erreicht ist?
Jedenfalls genießt man in Moskau zunächst das Gefühl, endlich einmal selbst der Akteur, und nicht hilfloser Zuschauer zu sein. Die jüngsten Ereignisse dürfen auch als eine Revanche für die angeblich durch den Westen erlittene Schmach der ver-gangenen Jahre gesehen werden. Die russische Führung hatte nichts als ihre Proteste, als die Nato Jugoslawien bombardierte, in Afghanistan eingriff, als die von den USA geführte Koalition den Irak eroberte und den Diktator Saddam Hussein stürzte.
Das, so lautet die aktuelle Botschaft aus Moskau, können wir nun auch. Mit brutaler Härte wurde zudem einem potentiellen Nato-Beitrittskandidaten aus dem GUS-Raum demonstriert, dass Russland hier eine Grenze sieht, die zu überschreiten gefährlich werden kann.