Die neuen Schullehrpläne sind fertig. Die Ergebnisse aber bleiben bis zu ihrer Unterzeichnung eine Verschlusssache
Mit Spannung erwarten Lehrer und Eltern die Veröffentlichung der überarbeiteten Rahmenlehrpläne, doch die lässt auf sich warten. Bis zur Unterzeichnung sollen die Lehrpläne unter Verschluss bleiben. Besonders heftig umstritten waren die Neuerungen im Geschichtsunterricht und zum Thema Sexualerziehung.
Nach der Anhörungsphase wurden nun wesentliche Kritikpunkte aufgenommen, heißt es aus der Senatsverwaltung für Bildung. Veröffentlicht werden soll das Ergebnis allerdings erst Mitte Dezember in einer gemeinsamen Veranstaltung mit dem Land Brandenburg.
„Der neue Lehrplan wird wie eine geheime Verschlusssache behandelt, obwohl davon in Berlin allein 30.000 Lehrer betroffen sind. Mir ist diese Intransparenz unverständlich, vor allem im Hinblick auf die massive Kritik am ersten Entwurf“, sagt Geschichtslehrer Robert Rauh, der gegen den ersten Entwurf eine Onlinepetition initiiert hatte. Der Lehrplan solle den Lehrern kurz vor Weihnachten wie eine Art Bescherung gereicht werden, so Rauh.
Viel Kritik am ersten Entwurf des Senats
Tatsächlich sah sich die Senatsverwaltung für Bildung bei der Veröffentlichung des ersten Entwurfs einem bisher nie da gewesenen Sturm des Protestes ausgesetzt. Bisher gab es zu Änderungen im Lehrplan kaum Reaktionen. Das sah nun plötzlich anders aus. Besonders kritisiert wurde in der Öffentlichkeit die beabsichtigte Reform in den Fächern Geschichte, Geografie und Politische Bildung diskutiert.
In den fünften und sechsten Klassen sollten die Fächer zu einem Fach Gesellschaftskunde zusammengefasst werden, in dem dann verschiedenen Themen wie „Wasser“ oder „Europa“ fachübergreifend unterrichtet werden. Sowohl Geschichtslehrer- als auch Geografielehrerverband befürchteten, dass ihr Fach durch fehlende Vorgaben an den Grundschulen verschwinden könne.
Auch die Änderungen in den Klassen sieben und acht stießen auf heftige Kritik. Geschichte sollte dort nicht mehr wie bisher chronologisch, sondern im sogenannten Längsschnitt behandelt werden. Das heißt zum Thema Migration beispielsweise wählen die Lehrer Vorgänge aus verschiedenen Epochen bis zur Gegenwart. So sollte ein stärkere Bezug zur Lebenswirklichkeit der Schüler hergestellt werden. Insgesamt hat die Senatsverwaltung im Rahmen der Onlinebefragung mehr als 7000 Rückmeldungen zum neuen Lehrplan erhalten, der neben den Gesellschaftswissenschaften auch Änderungen in fast allen anderen Fächern umfasst.
Die Fachlehrerverbände sind skeptisch
Nach der Kritik seien Änderungen vorgenommen worden, heißt es aus der Bildungsverwaltung. In Geschichte beispielsweise sei die Forderung nach Fortsetzung des chronologisch Prinzips durch Einfügung sogenannter Basismodule berücksichtigt, die auf jeden Fall im Unterricht behandelt werden müssen. Auch im Fach Gesellschaftswissenschaften in den Klassen fünf und sechs sei dem Anliegen insbesondere des Geografenverbandes entsprochen worden, indem die Themenfelder neu im Detail geschärft worden seien.
Die Fachlehrerverbände bleiben skeptisch. „Auch wir fühlen uns außen vor gehalten vom Bildungsministerium“, sagt Günter Kolende, Vorsitzender des Geschichtslehrerverbandes in Brandenburg. Die Veröffentlichung, die eigentlich schon vorliegen sollte, werde bewusst bis in die Weihnachtszeit verzögert. Das habe wohl auch damit zu tun, dass sich an dem entscheidenden Kritikpunkt, der Zerstörung des Fachunterrichts in der Grundschule, nichts ändere. Durch die Fusionierung der Fächer zur Gesellschaftskunde werde der Geschichtsunterricht zur Randerscheinung, sagt Kolende.
Neue Lehrpläne sollen ab 2017 gelten
Neu aufgenommen wurde laut Bildungsverwaltung in die Rahmenpläne das fächerübergreifende Thema „Sexualerziehung und Bildung für sexuelle Selbstbestimmung“. Auch in den bisherigen Lehrplänen ist Sexualerziehung als übergreifendes Thema vorgesehen, doch in dem ersten Entwurf war dieses Thema nur noch auf den Biologieunterricht beschränkt. Kritik gegen diesen „Rückschritt“ kam vor allem von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Sexuelle Vielfalt müsse auch in Fächern wie Sozialkunde oder Sprachunterricht vorkommen, um die Akzeptanz verschiedener Lebensweisen zu stärken, hieß es.
„Ich erwarte, dass der Lehrplan nach den Herbstferien dem Landesschulbeirat vorgelegt wird“, sagt Norman Heise, Vorsitzender des Landeselternausschusses. Auch die CDU, die eine Neufassung der Pläne eingefordert hatte, drängt auf genauere Informationen.
In Kraft treten sollen die neuen Lehrpläne im Schuljahr 2017/18. Bis dahin müssen die Schulbücher neu geschrieben und die Lehrer in den einzelnen Unterrichtsfächern fortgebildet sein.