Kommentar

Wo bleibt der Aufschrei nach den rechtsextremen Anschlägen?

Alexander Dinger

Die Neuköllner Anschlagsserie trifft die Mitte der Gesellschaft. Aber sie wird kaum wahrgenommen. Warum?, fragt Alexander Dinger.

Mitten in Berlin werden Menschen eingeschüchtert und bedroht. Wer sich mit Opfern der Neuköllner Anschlags­serie unterhält, trifft auf Menschen, die aus dem Herzen der Gesellschaft kommen: Politiker, Gewerkschafter, Buchhändler. Sie alle eint ihr jahrelanges Engagement gegen Rechtsextremismus.

Dass noch niemand gestorben ist, wenn Autos neben Schlafzimmer-Fenstern brennen, ist reiner Zufall. Würde es sich bei der Anschlagsserie um islamistische Tatverdächtige oder mutmaßliche Linksextremisten handeln, wäre die Gesellschaft in Aufruhr. Hier aber haben die Betroffenen das Gefühl, da es sich bei den Tatverdächtigen „nur“ um Rechte handelt, dass ein breiter gesellschaftlicher Aufschrei über die Grenzen Berlins hinaus ausbleibt.

Dabei ist der Süden Neuköllns seit vielen Jahren ein Kerngebiet der rechtsextremen Szene. Stadtbekannte Neonazis sind hier verwurzelt. Schon vor Jahren wurden von Anhängern der Freien Kräfte unter dem Netzwerk-Namen „Nationaler Widerstand Berlin“ Feindeslisten ins Internet gestellt. Die Verdächtigen von damals, sind zum Teil auch die Verdächtigen von heute. Es liefen damals wie heute Überwachungsmaßnahmen. Wohnungen wurden durchsucht. Speichermedien sichergestellt, die zum Teil noch ausgewertet werden müssen.

Laut Polizei gibt es zahlreiche Indizien, die für Täter aus dem rechtsextremen Spektrum sprechen. Ein Richter lehnte aber kürzlich einen von den Ermittlern beantragten Haftbefehl für einen stadtbekannten Neonazi ab. Der Grund: Man sah keinen dringenden Tatverdacht. Für die Ermittler und Opfer ein herber Rückschlag.

Innensenator Andreas Geisel (SPD) muss sich nun nach mehr als einem Jahr im Amt fragen lassen, ob bislang wirklich alles getan wurde, um diese Anschlagsserie aufzuklären. Da es trotz zahlreicher Indizien bislang kaum greifbare Ergebnisse gibt, muss man diese Frage klar mit Nein beantworten.


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