Berlin. Atomkraft, nein danke. Aber dafür Kohle verbrennen? “Anne Will“ fasste die Debatte zusammen – und brachte sie kalauernd auf den Punkt.
Deutschland hat es tatsächlich getan: Die Kernenergie ist Geschichte, am Samstag sind die letzten Atomkraftwerke vom Netz gegangen. Ist der Schritt vor dem Hintergrund der Energiekrise weise? Und wären die Meiler für deren Bewältigung nicht hilfreich gewesen?
Diese Fragen beschäftigten am Sonntagabend auch die Runde bei "Anne Will". Es diskutierten: Die Journalisten Dorothea Siems und Harald Lesch sowie Katrin Göring-Eckardt (Grüne), Johannes Vogel (FDP) und Reiner Haseloff (CDU).
"Anne Will": Was gegen die Atomkraft spricht
Bei dieser Gästekonstellation war die Runde natürlich gespalten. Auf der einen Seite etwa Katrin Göring-Eckardt, die anhand von drei Faktoren erklärte, warum der Atomausstieg richtig sei. Kernkraft sei erstens aufgrund von möglichen Naturkatastrophen wie in Fukushima stets bedroht; zweitens könne ein Reaktor auch so eine Fehlfunktion haben; und drittens sei die Technik auch durch Kriege und Terrorismus gefährdet, befand die Grüne.
Harald Lesch machte noch einen weiteren Punkt. "Es geht um eine Technologie, die nicht versicherbar ist", sagte der Wissenschaftsjournalist. Das sei immer ein schlechtes Zeichen. Zudem erinnerte er an den Atommüll. "Es handelt sich um eine Sackgassen-Technologie", sagte Lesch. Lesen Sie auch: Atommüll ins All schießen? Wie die Endlager-Suche läuft
"Anne Will" – Das waren die Gäste:
- Reiner Haseloff (CDU-Politiker und Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt)
- Johannes Vogel (FDP-Politiker)
- Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen-Politikerin)
- Harald Lesch (Astrophysiker und Wissenschaftsjournalist)
- Dorothea Siems (Journalistin "Die Welt")

"Anne Will": Was für die Atomkraft spricht
Dorothea Siems sah das anders – und brachte Japan als Beispiel. Dort steige man trotz Fukushima nicht aus der Atomkraft aus, weil ein anderer Schock noch tiefer sitze: Die Ölkrise aus den 1970er Jahren, in der im Land die Lichter ausgegangen seien. Daraus lasse sich lernen, dass es wichtig sei, selbst über Energiequellen zu verfügen, stellte die "Welt"-Journalistin fest.
Nun hat Deutschland durchaus eine solche stabile Quelle, die allerdings ebenfalls nicht unproblematisch ist: Kohle, die trotz des beschlossenen Ausstiegs bis 2038 zuletzt insbesondere durch das teuer gewordene Gas wieder eine größere Rolle spielt und das Klima durch CO2-Emmissionen belastet. "Wir können nicht aus der Kohle und aus der Atomkraft raus – das ist eine Geisterfahrt", fasste Siems ihre Haltung zusammen.
"Anne Will": Und wenn die Akw in der Reserve blieben?
Solche Argumente waren allerdings auch etwas müßig, weil die verbliebenen Akw zuletzt nur noch vier Prozent des Stroms im Land lieferten. Immerhin, könnte man allerdings einwenden. Sollten sie da nicht wenigstens in Bereitschaft gehalten werden, falls es im kommenden Winter doch wieder schwierig wird?
Johannes Vogel von der FDP zeigte sich dafür offen. Die Grüne Göring-Eckardt winkte allerdings unter Verweis auf die hohen Kosten und technischen Anforderungen wie neue Brennstäbe und Sicherheitsüberprüfungen ab. "Solche Kraftwerke kann man nicht mal eben aus- und dann wieder anschalten", sagte auch der Wissenschaftsjournalist Lesch.
Der Kanzler hat ein ambitioniertes Ziel
In einer Sache war sich die Runde schließlich einig: Das vom Kanzler ausgegeben Ziel, bis 2030 etwa 80 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren zu gewinnen, ist überaus ambitioniert. "Es ist nicht realistisch", sagte gar Reiner Haseloff, CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt.
Auch Koalitionsmitglied Vogel musste einräumen, dass es zumindest "richtig schwierig" wird. Dazu seien drei Dinge notwendig: Erstens müssten die Erneuerbaren maximal ausgebaut werden, was jetzt in die Wege geleitet werde. Zweitens müsse Gas als Brückentechnologie weiter eine Rolle spielen. Und drittens müsse man auch für neue Technologien offen bleiben, etwa die Kernfusion. Auch interessant: "Anne Will" – "Wladimir Putin wird nicht aufgeben"
Das zentrale Problem der Energiewende
Am Ende machte diese Ausgabe von "Anne Will" deutlich, dass die Energiewende in erster Linie einem Zeitproblem unterliegt. Denn während die einen Technologien wegfallen oder möglichst rasch wegfallen sollen, sind die anderen wohl nicht schnell genug vollständig einsetzbar. Das könnte Sie auch interessieren: "Anne Will" – Talkshow wird nach 16 Jahren eingestellt
Letzteres wird ein Thema bleiben, denn neben vielem anderen gibt es beim Ausbau der Erneuerbaren ein theoretisch simples, aber praktisch gravierendes Problem: Die Fachkräfte fehlen, um schnell viele Windkraft- und Photovoltaikanlagen zu bauen. "We are running out of Kranführer", fasste Harald Lesch zusammen. Das war lustig, aber auch ganz schön traurig.
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