Hape Kerkeling ist so vieles, was man im deutschen Fernsehen lange suchen muss. Er ist ein begnadeter Imitator mit chamäleonhafter Verwandlungsgabe. Er ist ein guter Moderator mit exzellentem Timing und der Fähigkeit, sich selbst zurückzunehmen. Singen und tanzen kann er auch, und das weit über dem Durchschnitt. Vor allem aber ist Hape Kerkeling ein großer Theoretiker des Scheiterns. Man kann das gut beobachten in dieser Sendung, die ihm das ZDF zu seinem 50. Geburtstag am 9. Dezember widmet und die es nun so merkwürdig früh ausstrahlt.
Sie heißt „Keine Geburtstagsshow!“, weil sie davon handelt, wie eine Geburtstagsshow für Hape Kerkeling im Friedrichstadtpalast zwar vorbereitet wird, aber letztlich aufgrund einiger Katastrophen nicht zustande kommt. Kerkeling ist nicht da. Er sitzt auf einer besonnten Wiese in Oberschöneweide, neben ihm grast eine Kuh. „Ich weiß von nichts, ich bin gar nicht da“, sagt er in die Kamera, und dann, auf seinen Pilgerreise-Bestseller anspielend: „Ich bin sogar weg.“
Kerkeling in drei Rollen
Im Friedrichstadtpalast geht es derweil rund. Ein schnöseliger Regisseur mit österreichischem Akzent kommandiert Barbara Schöneberger samt Tänzerinnen über die Bühne und lässt sich in einer sehr lustigen Szene eine Eistüte reichen. Ein Getränkelieferant mit gelocktem Vokuhila proletet durch den Backstagebereich. Und eine in die Jahre gekommene Gesellschaftsreporterin ist auf der Suche nach Kerkeling, um mit ihm endlich das persönlichste aller persönlichen Interviews zu führen. Alle drei – der Regisseur, der Lieferant und die Reporterin – werden natürlich von Kerkeling gespielt, der auf diese Weise sein schauspielerisches Talent ausleben kann. Und seinen Faible für das Abgehalfterte und das Verkrachte, für das Scheitern eben.
Schon die Journalistin vereint alle Attribute der aufdringlichen, skrupellosen Klatschhyäne auf so konzentrierte Weise, dass das Zuschauen fast zur Belastung wird. Sie fährt mit quietschenden Reifen vor dem Friedrichsstadtpalast vor, klemmt dabei einen Rollstuhlfahrer ein und erklärt ihrer Handy-Gesprächspartnerin, sie wolle endlich den Menschen Kerkeling sichtbar machen. Den Menschen! Das Wort betont sie auf eine derart affektierte Weise, dass es beinahe pornografisch wirkt.
Eine Verlorenheit, die etwas Anrührendes hat
Fast überflüssig zu erwähnen, dass diese Reporterin am selbst gesteckten Anspruch scheitern wird. Dass sie, wie so viele der Figuren Kerkelings, am Ende jede Menge Alkohol herunterstürzen wird, um ihre innere Leere aufzufüllen. So blasiert sie uns eben noch erschienen sein mag, so sehr mögen wir sie in diesem Moment der Selbstaufgabe. Auch das gilt für viele der von Kerkeling dargestellten Charaktere, allen voran natürlich der legendäre Vizechef des „Grevenbroicher Tagblatts“, Horst Schlämmer: Ihre Verlorenheit hat etwas Anrührendes, das sie über die schiere Lächerlichkeit hinaushebt.
Die Sendung will noch mehr, als Klamauk mit Kerkelings Talenten zu veranstalten. Ein weiterer Erzählstrang ist durchaus ernst gemeint und knüpft an die vor wenigen Monaten erschienene Autobiografie Kerkelings an. Wir laufen zusammen mit ihm durchs nordrhein-westfälische Recklinghausen. Diskret verschweigt die Sendung den Freitod der Mutter und lässt so unerklärt, warum Kerkeling bei den Großeltern aufwuchs. Weshalb er nicht den Kindergarten besuchte, sondern im Heißmangelgeschäft seiner Oma saß, wo die Recklinghausener einkehrten, um sich den Frust von der Seele zu lästern. Vieles von dem, was Kerkelings Charaktere heute so echt erscheinen lässt, hat er aus dem Munde dieser Kundschaft gehört.
Rückblick und Nummernrevue
Wir sehen einen Einspieler, sein erster Auftritt im „Talentschuppen“, 17 Jahre war er da, energiegeladen und dürr. Er imitiert eine Radiosendung, in der hintereinander ein dänischer, ein finnischer, ein russischer, ein türkischer und ein englischer Sprecher etwas ansagen – nur dass es gar keinen Sinn ergibt, was sie sagen. Kerkeling imitiert lediglich die Klangfarbe und die Modulation der Sprachen, und das so perfekt, dass sie sofort wiedererkennbar sind. Selbst das Englische ist das pure Kauderwelsch, hört sich aber dennoch sehr englisch an.
So findet die Sendung eine ganz unterhaltsame Balance zwischen Nummernrevue und Lebensrückblick. Kerkelings Homosexualität, 1981 durch Rosa von Praunheim ohne Absprache in die Welt posaunt, kommt auf genau die beiläufige Weise vor, wie es bei jedermanns sexueller Orientierung geschehen sollte: sein langjähriger italienischer Freund wird erwähnt, und einmal erzählt Kerkeling eher belustigt davon, dass er zu Karneval am liebsten als Prinzessin gegangen sei – was die Großmutter natürlich „ganz toll fand. Sie war hellauf begeistert.“
Und natürlich kommen sie alle vor, die Klassiker aus seinem Kanon: die hinreißend imitierte Königin Beatrix, der polnische Opernsänger und sein inbrünstig ausgerufenes „Hurz!“, der Gassenhauer „Das ganze Leben ist ein Quiz“. Kerkeling hat viel herausragenden Blödsinn ersonnen in seinem Leben. Er kann ihn immer noch so unterhaltsam präsentieren, dass man sich gar nicht erst die Frage stellt, ob man um einen 50. Geburtstag eigentlich wirklich soviel Tumult machen muss.
„Keine Geburtstagsshow!“ ZDF, 30. November, 22 Uhr.