Eine Philosophie-Doktorandin der Humboldt-Universität kehrt in ihre uckermärkische Heimat zurück – und erlebt einen Kulturschock.
Es gibt einen Moment, da hätte „Alle reden übers Wetter“ so etwas wie ein zweiter „Toni Erdmann“ werden können. Da kommt also Sandra Hüller als Gastprofessorin an die Humboldt-Uni, und das einzige, was sie ihrer einstigen Doktormutter Margot (Judith Hofmann) zu sagen hat, ist: „Sie sind ein böser Mensch“.
Dieses (durchaus humorvolle) Ausbrechen aus gesellschaftlichen Konventionen war ja ein Erfolgsrezept von „Toni Erdmann“, bei dem „Wetter“-Regisseurin Annika Pinske als Assistentin gearbeitet hat.
Das Problem ihres Spielfilm-Erstlings ist aber nicht nur, dass Sandra Hüller leider nur diesen einen Auftritt hat. Auch andere Stars sind quasi verschenkt: So hat etwa der ebenso große Ronald Zehrfeld als Ex der Protagonistin Clara (Anne Schäfer) nur zwei kleine Gastauftritte.
„Alle reden übers Wetter“: Zwischen Provinz und Professur
Immerhin darf der wieder einmal starke Max Riemelt als Claras Jugendliebe Marcel seine einst Verflossene noch einmal intensiv in seiner Kneipe in der Uckermark in die Arme nehmen. Doch da ist schon längst klar, dass Philosophie-Doktorandin Clara den Spagat zwischen Provinz und Professur nicht gebacken kriegt.
Denn als zu tief geerdet werden hier die Uckermärker gezeichnet, die sich beim 60. Geburtstag von Claras Mutter Inge (Anne-Kathrin Gummich) in Trinkritualen und Frauenbild allzu sehr vom Uni-Alltag unterscheiden, wo gepflegt über weibliche Macht und menschliche Selbstbestimmung disputiert wird.
„Alle reden übers Wetter“: Trinkende Ossis in der „Parkschenke“
Dabei ist genau das Claras innerer Konflikt: Welchen Preis zahlt sie für ihre Emanzipation von der Heimat? Lassen sich Uckermark und Uni irgendwie verbinden? Die Antwort ist frustrierend. Ihre Mama hat ihr Leben zwischen Wettervorhersage, Kuchenbacken und Schnäppchenjagd genauso abgesteckt wie Clara zwischen Studenten-Geliebtem, Uni-Karriere und seltenen Treffen mit Tochter Emma, die beim Papa wohnt.
Ein Widerspruch, den Annika Pinske leider vorwiegend mit Klischees bedient: Hier West-Akademiker, die über den Osten lästern, dort Plattenbau-Ossis bei der piefigen Feier in der „Parkschenke“.
Dieser Unvereinbarkeit zweier Lebensentwürfe wäre „Toni Erdmann“ mit entlarvendem Humor begegnet. Doch weit und breit kein Peter Simonischek – und nur ein Kurzauftritt von Sandra Hüller. Schade!
DramaD 2022 89 min.,
von Annika Pinske, mit Anne Schäfer, Anne-Kathrin Gummich, Judith Hofmann, Max Riemelt, Sandra Hüller