Was muss der verheerende Tsunami vom 11. März 2011 für ein Trauma in Japan hinterlassen haben? An dem Datum zumindest sind die Seiten im Tagebuch von Suzume geschwärzt, weil das kleine Mädchen da seine Mutter verloren hat.
Immerhin kann Suzume in ihren Träumen ins sternennachtübersäte Reich der Toten treten. Aber wehe, sie öffnet selbst die Tür zu der Unterwelt – dann drängt der große Wurm, eine lavagleiche braune Naturgewalt, aus diesem Reich des Dunkels in die sonnenüberstrahlte Realität ihres idyllischen Heimatstädtchens – und melden die Smartphones Erdbebenalarm.
„Suzume“: Vorbild Hayao Miyazaki
Dann muss der geheimnisvolle Fremde Souta, in den sich Suzume bei der ersten Begegnung verliebt, in seiner Berufung als Schließer die Tür zur Unterwelt wieder dicht machen. Zu dumm nur, dass nun im ganzen Land die Türen aufgehen und Souta und Suzume über Kobe sogar bis Tokio reisen müssen, um das Beben jeweils unter der Erde zu halten.
21 Jahre nach „Chihiros Reise ins Zauberland“, der 2002 den Goldenen Bären gewann, hat es wieder ein japanischer Animationsfilm in den Wettbewerb geschafft. Und der damalige Regisseur, Anime-Guru Hayao Miyazaki, hat auch sichtbar bei Makoto Shinkais „Suzume“ Pate gestanden.
Wie in Miyazakis Meisterwerk „Das Schloss im Himmel“ macht die Hauptfigur in ihrer Reise durch bildgewaltige Szenerien, zu denen beeindruckende Brücken, sehr grüne Wiesen und lebendige Städte gehören, eine Entwicklung durch.
„Suzume“: Dreibeiniger Stuhl als Begleiter
Suzume begegnet dabei ihren eigenen Verwundungen, zu dessen schönstem Symbol ein dreibeiniger Stuhl gehört, in den Souta verwandelt wird und der als sprechender, hinkender Begleiter viel Heiterkeit in diese fast apokalyptische Geschichte bringt.
Wie immer bei derlei Animes bestechen die sorgfältigen Hintergrundzeichnungen, die fließenden Bewegungen und dieses Flimmern in den Augen, das große Emotionen spiegelt. Ja, die 16-jährige Suzume erlebt hier auch die erste große Liebe, und dass sie dieses große Ereignis im Angesicht einer drohenden nationalen Katastrophe erlebt, zeigt, wie tief sich das Tsunami-Trauma in Japans Seele eingebrannt hat.
PS: Mit „Art College 1994“ hat es sogar ein zweiter Animationsfilm in den Wettbewerb geschafft. Weniger bildgewaltig aber dafür umso dialogreicher verarbeitet hier der chinesische Regisseur Liu Jan seine eigene Zeit an der Kunsthochschule.
24.2., 9.30 Uhr Cubix 9, 10 Uhr Urania, 25.2. 18.45 Uhr Verti Music Hall