Mangelnde Spielfreude kann man den Scorpions nicht nachsagen. Sänger Klaus Meine legte sich zum Abschluss der Welttournee ins Zeug.

Was lange währt, wird endlich gut, so ungefähr könnte man umschreiben, was sich am Freitagabend in der Mercedes-Benz Arena abgespielt hat. Nachdem die Anfang März in Deutschland geplanten Gigs der Scorpions ausgerechnet wegen einer Kehlkopf- und Luftröhrenentzündung des Sängers Klaus Meine abgesagt werden mussten, fand die Welttournee zum fünfzigjährigen Bühnenjubiläum der Hannoveraner nun verspätet ihren würdigen Abschluss in der Hauptstadt.

Es ist das letzte der nachgeholten Deutschlandkonzerte. Vielleicht kann man Frontmann Klaus Meine auch deshalb ein wenig die Erschöpfung anmerken, obwohl er und seine Band Respekt verdienen. Mangelnde Spielfreude kann man ihnen nicht nachsagen. Dass sie über die Jahre ihre Wurzeln vergessen haben, auch nicht. Sie können immer noch bestens abrocken, biedern sich nicht an den Zeitgeist an und geben ein Set zum Besten, das viele Höhepunkte ihres Schaffens aus mehreren Jahrzehnten umfasst.

Als programmatische Eröffnung steht „Going Out With A Bang“ auf der Setliste. Eine Sirene erklingt, die Leinwand fällt und schon übernehmen E-Gitarren die Regie - schnörkellos gut. Die erste Hälfte ist über weite Teile von alten Stücken geprägt, mit denen die Scorpions sich als die Hardrocker ins Licht rücken, die Radiohörer mitunter gar nicht in ihnen vermuten. Vor über vierzig Marshall-Verstärkern bauen die agilen Altrocker eine Druckwelle auf, die in der praktisch ausverkauften Arena schnell die Mitklatschmuskeln aktiviert.

Der Bühnenhintergrund wird pausenlos mit Projektionen bespielt

Die vielen Verstärker sind übrigens clever in das Bühnendesign integriert, denn oberhalb dieser Technikwand befindet sich eine zweite Ebene, auf der Mikkey Dee an seinem Schlagzeug herumwirbelt und wo er ab und zu Besuch von seinen Kollegen an den Saiteninstrumenten bekommt. Der gesamte Bühnenhintergrund fungiert als pausenlos bespielte Projektionsfläche für Videobilder und -animationen, manche allerdings so altbacken, als seien sie zeitgleich mit den Liedern entstanden.

Dramaturgisch ist das Konzert perfekt durchgeplant. Unauffällig sind Ruhepausen für Meine eingebaut, in denen sich die Band austoben kann und Rockpuristen mögen einige ausgedehnte Instrumentalpassagen mit am besten gefallen haben. Es geht knallig los, das Energielevel wird lange gehalten und zur richtigen Zeit sind dann natürlich auch die Balladen dran. Dazu stellt sich die Band eng zusammen auf den vorderen Rand des Bühnenausläufers, dafür wird eigens ein Minischlagzeug gebracht. Bei „Send Me An Angel“ brüllt erstmals die ganze Halle in das von Meine ins Rund gestreckte Mikrofon. „Wind Of Change“ setzt dem dann nur noch die Krone auf. Trotz aller beunruhigenden Entwicklungen immer noch ein Lied der Hoffnung, sagt Meine.

Mikkey Dees Drive tut den Scorpions hörbar gut

Der Drive des ehemaligen Motörhead-Schlagzeugers Mikkey Dee tut den Scorpions hörbar gut, ja man muss diesen Zugang als eine Art Frischzellenkur für die Band werten. Wer „The Animal“ aus der Muppet Show kennt, der kann sich ungefähr vorstellen, mit welcher Energie Dee der Band Schubkraft verleiht. Jedem, dem es bis dahin noch nicht aufgefallen war, macht er es gleich im Anschluss an ein Cover deutlich, das dem vor einem Jahr verstorbenen legendären Motörheadsänger Lemmy Kilmister gewidmet wird. Hoch in die Lüfte wird Dees Schlagzeug plötzlich gezogen und dort trommelt er die Menge in Rage was das Zeug hält, während Nebelschwaden und unter ihm kreisende Scheinwerfer alles zünftig in Szene setzen.

Nach dieser Einlage rockt sich die Band noch einmal kräftig durch die Schlussphase des Konzerts. Mit „Blackout“ geht es weiter und den wirkungsvoll platzierten Abschluss inklusive des Abschusses gigantischer Konfettikanonen macht das Stück „Big City Nights“. Anschließend geht die Band erst gar nicht von der Bühne, um sich lange um Zugaben bitten zu lassen. Stattdessen suchen die Scorpions den Kontakt zu den Fans, Dutzende Schlagzeugsticks fliegen ins Publikum, es wird gewinkt und gegrüßt und schlussendlich auch noch einmal das alle selig machende „Still Loving You“ herausgeholt. Ihre Weihnachtsferien hat sich die Band ehrlich verdient.