11.500 Zuschauer kamen, um Xavier Naidoo in der Mercedes-Benz Arena zu sehen. Seine Stimme klingt voll und samtig wie eh und je.
„Ich liebe dich“, brüllt einer. „I love you“, ein anderer. Und der nächste schreit einfach nur seinen Namen: „Xavier!“ Dass die 11.500 Zuschauer seines Konzerts in der Mercedes-Benz Arena am Dienstagabend so kreischen würden, seiner Stimme fast Konkurrenz machen, das hätte Xavier Naidoo wohl nicht gedacht.
Immer wieder fasst er sich an den Kopf mit dem grauen Käppi und schlägt sich die Hand vor den Mund, als sei er verwundert, dass wirklich so viele gekommen sind. „Eine Arena wie diese so voll zu kriegen, das ist nicht selbstverständlich“, sagt er da etwas atemlos. Dieser Abend, sein „Greatest Hits“-Liedermarathon, wird ein echter Ego-Pusher.
Denn diese Fans fordern Lied um Lied, strecken Kuscheltiere in den Arenenhimmel, grölen Liebeserklärungen, die fast mehr Kitschfaktor als seine Stücke haben. Die lassen ihn nicht gehen, auch nach zweieinhalb Stunden nicht. Die wollen mehr. Mehr Lieder, mehr Naidoo.

Jubel stürmt von allen Seiten auf ihn zu
Um genau 20.15 Uhr hatte er sein Konzert eröffnet. Ein bisschen theatralisch mit der Hymne „Amazing Grace“ und dann doch mit einem eigenen Lied, „Frei“ vom aktuellen Album. Da wird er „getragen von deiner Liebe wie ein Segel im Wind“, und schließt die Augen, als ob er diesen Wind wirklich spürt – oder den Jubel absorbiert.
Der braust jetzt auf, stürmt von allen Seiten auf ihn zu. Diese Fans, die feiern ihn so wie vor 18 Jahren. Damals, als Naidoo sein Debütalbum auf den Markt bringt, das sich über eine Million mal verkauft und den damals 27-Jährigen mit der souligen Stimme so populär macht. Die hat sich nicht verändert seitdem. So voll, so unverkennbar samtig. Sie zittert nicht ein einziges Mal, jeder Ton sitzt.Warum "Sing meinen Song" Xavier Naidoo nicht mehr braucht
Warum "Sing meinen Song" Xavier Naidoo nicht mehr braucht
Intim soll es hier sein, bloß kein Gewese machen. Nein, Naidoo will keine pompöse Show liefern. Eine kreisrunde Bühne steht in der Mitte der Arena – man sitzt nur wenige Meter von ihm entfernt – und die dreht sich Song um Song. Jeder soll ihn eben mal singen sehen. Begleitet wird er bloß von Neil Palmer am Klavier und Alex Auer an der Akustikgitarre.
Seine Stimme soll im Vordergrund stehen. Und während er singt, die Finger schnippen in der Luft, sein Fuß wippt im Takt, projiziert eine Kamera sein Gesicht auf sieben wohnzimmergroße Leinwände. Jedes Lächeln, jedes Stirnrunzeln sieht man. Naidoo gibt sich nahbar. Das ist zwar wirklich schön – es ist aber auch eine ziemlich gute PR-Strategie. Denn es liegt kein leichtes Jahr hinter ihm.
Der 45-Jährige ist viel in den Medien gewesen, aber nicht wegen seiner Musik, sondern wegen äußerst fragwürdiger, politischer Äußerungen und seines Auftritts vor „Reichsbürgern“. Dann wird er als deutscher Kandidat für den European Song Contest aufgestellt und bleibt schließlich, nach Shitstorm und Protest, doch zu Hause. Das war wohl erstmal genug Show.
Brandbrief der NDR-Mitarbeiter sorgte für Naidoo-Absage
In der ersten Hälfte des Konzerts spielt er Brandneues und recht Altes. Er besingt die Renaissance der Liebe – „Die letzte Chance, die geblieben ist, ist Liebe“ – und gegen häusliche Gewalt. „Auch wenn ich in der friedlichsten Hauptstadt der Welt bin“, sagt er, „will ich trotzdem darauf aufmerksam machen, dass die häusliche Gewalt in unserer Generation ein Ende finden könnte, oder?"
Solche Sätze sagt er gern, der moralige Herr Soul. Später singt er gegen den Krieg – „hört auf mit den scheiß Kriegen“ – und Tiertransporte auf der Autobahn. Seine Botschaften sind so unverfänglich, so politisch korrekt, wirken wie Deo gegen den Reichsbürgermief. Aber sie sind auch glatt. Denn klar, wer könnte da nicht klatschen. Sie fügen sich ein in den typischen Naidoo-Mix aus Liebesliedern, Gottessongs und „Glaub an dich“-Hymnen. Bisschen Kitsch, bisschen Weltverbesserung.
Geplagt von der „Hauptstadt-Nervosität“
Die Arena jedenfalls jubelt, brüllt und schreit. Die ist ihm erlegen. Vielleicht versingt er sich deswegen gleich mehrmals. „Es ist ein bisschen kompliziert“, keucht er und lacht, „vielleicht sollte ich besser nicht so viel labern“. Da sei wohl die „Hauptstadt-Nervosität“ schuld. Und dann seien auch noch einige Freunde und Musikerkollegen von „Sing meinen Song!“, seine Frau und sein Sohn da. Da könne man schon nervös werden.
Auch nach 18 Jahren. Zu diesen Anfängen singt er sich oft zurück. Zum hiphopigen „20.000 Meilen“, zur Ballade „Sie sieht mich einfach nicht“, zu „Und wenn ein Lied“, das er mit seinen Mannheimer Sangesbrüdern aufgenommen hat. Und dann, zuerst ganz leise, dann immer lauter, mitten im „Und wenn ein Lied, meine Lippen verlässt, dann nur, damit du Liebe empfängst“, da wird die Arena sein Chor.
„Oh Gott“, sagt er da, „oh Gott.“ Naidoo lacht und bedankt sich, immer wieder, dreht Runde um Runde auf der Bühne. „Wollt ihr noch einen?“, schreit er immer wieder. Und die wollen. „Bei meiner Seele“, ja „das ist doch nicht von dieser Welt.“ Nach jeder Zugabe gibt es Standing Ovations. Diese Fans sind ihm echt treu. So sehr, dass die Tour wegen großer Nachfrage im nächsten Jahr fortgesetzt werden soll.