Stars spricht man meist in noblen Hotels. Im Adlon etwa oder dem Hotel de Rome. Fritzi Haberlandt dagegen treffen wir im Hotel Myers, einem kleinen, von außen fast unauffälligen, von innen aber urgemütlichen, putzigen Hotel im Prenzlauer Berg. Das passt irgendwie zu der unorthodoxen Schauspielerin. Und es passt der 39-Jährigen auch gut in den Terminplan. Sie wohnt ja nicht weit weg – wenn sie nicht im Brandenburgischen weilt.
Berliner Morgenpost: Wann haben Sie das letzte Mal richtig Quatsch gemacht?
Fritzi Haberland: Das war erst kürzlich, mit meinem Neffen, der sehr quatsch-affin ist, weil er erst fünf ist – und ein Junge! Mit dem mache ich immer sehr viel Quatsch. Da habe ich mich wieder ertappt, dass man wahrscheinlich nicht ohne Grund diesen Beruf gewählt hat. Weil man gern Quatsch macht und sich blödsinnige Spiele ausdenkt oder irgendwas ins Extrem treibt. Mit Kindern darf man das. Da ist man ja entschuldigt: Man macht das ja nuuur wegen der Kinder.
Sind Sie auch sonst für jeden Quatsch zu haben?
Na, kommt drauf an. Privat auf jeden Fall. Beruflich auch gern, wenn es gewünscht ist. Es macht mir auch großen Spaß, das auf der Bühne ausleben zu können. Das ist schon toll, wenn das erlaubt ist. Wenn das sogar Teil des Berufes ist.
In Veit Helmers grandios verspieltem Kinderfilm „Quatsch und die Nasenbärbande“ spielen Sie mit vielen anderen Stars mit. Aber am Ende wird Ihnen allen die Schau gestohlen. Von sechs Kindern. Und einem Nasenbär.
Naja, ist ja auch ein Kinderfilm. Dass die im Mittelpunkt stehen, war schon klar. Natürlich waren wir alle latent unterfordert. Aber dabei sein ist alles. Vor allem bei einem so herrlich durchgeknallten Film. Das ist auch mal komisch, mit so vielen so gestandenen Kollegen zusammenzustehen und nur A und O zu rufen. Da wurde auch viel gelacht. Und das Schönste am Film ist doch, dass man sich ständig fragt: War das wirklich Benno Fürmann? Und das Samuel Finzi? Und es spricht ja für Veit, dass er es schafft, all die Leute für sein Projekt zu begeistern.
Ein paar goldene Regeln im Film lauten: Drehe nie mit Kindern. Drehe nie mit Tieren. Sie haben hier beides auf einmal gemacht. Stimmen Sie zu?
Es ist schon sehr chaotisch. Vorbereitung, Einfühlung, Drehpläne, das kann man alles vergessen. Du musst ganz spontan auf Knopfdruck spielen können. Manchmal drehst du ja gar nicht mit den Kindern, da werden stattdessen Puppen hingestellt, die du „anspielst“. Oder du spielst ganz ins Leere. Das geht auch nur in solch heiteren Filmen, wo du dich nicht in dramatische Stimmungen versetzen musst. Aber Veit dreht auch so spontan: Stell dich mal dahin und mach mal das. Ich wusste oft gar nicht, worum es geht und wo wir gerade sind. War aber egal. War lustig. So zu drehen, ist ein wenig wie beim Improvisationstheater.
Wieso spielen so viele Stars so oft und gern bei Kinderfilmen mit? Tut man das auch, um seine Kinder, Nichten und Neffen zu beeindrucken?
Einerseits ist es natürlich der Spaß, wenn man mal über die Stränge schlagen kann. Andererseits machst du das natürlich auch, um die Kleinen zu beeindrucken. Mein Neffe kommt mit zur Premiere, da kann ich punkten. Ich habe ja auch schon bei Detlev Bucks „Hände weg von Mississippi“ mitgespielt, auch nur mit einer winzigen Rolle. Aber ob Sie es glauben oder nicht: Ich werde bis heute darauf angesprochen, von Mädchen, die heute 13,14 sind und das damals im Kino gesehen haben. Die kennen mich gar nicht anders. Das ist ein ganz anderes Publikum. Ist doch aber hübsch, wenn die sich auch freuen!
Fehlt das auch ein bisschen in Deutschland? Bräuchten wir mehr so durchgedrehte Filme wie die von Veit Helmer?
Gott sei Dank gibt’s ja den Veit. Er hat einfach eine völlig eigene Fantasie, die ja geradezu überbordet vor Ideen. Der fackelt Pointen und Ideen im Sekundentakt ab, da ist man bei anderen froh, wenn da nur zwei, drei in einem ganzen Film kommen. Manchen Regisseuren geht da schon etwas die Fantasie aus. Das war sicher auch ein Grund, warum wir alle zugesagt haben.
Wie waren Sie denn selbst als Kind?
Herrje! Auf diese Frage bin ich jetzt wirklich nicht vorbereitet. Wie war ich? Ich würde sagen, ich war ein ganz gewöhnliches Kind, eine ordentliche, gute Schülerin. Aber das hört sich ja wahnsinnig langweilig an. Um es mal positiv zu formulieren: Ich war schon immer eher frohgesinnt. Nie stinkig oder bockig, kann ich mich zumindest nicht erinnern. Ich bin ja noch in der DDR aufgewachsen, das hat meine Kindheit aber nicht negativ überschattet. Erst als Teenager, und da wurde das auch richtig schwierig. Aber ich würde mal sagen: Meine Kindheit war ganz behütet, heil und glücklich.
Fritzi ist kein Spitzname, sondern wirklich Ihr Vorname. Das klingt frech und unangepasst. Haben Ihre Eltern Ihnen das quasi in die Wiege gelegt? Sie könnten ja auch Friederike heißen.
Tja, was die sich dabei gedacht haben... Das haben sie mir bis heute nicht verraten. Da zeigt sich zumindest, dass wir keine ganz durchschnittliche Familie waren. Meine Eltern waren, wie soll ich sagen, immer schon ein bisschen anders. Die waren in der DDR auch nicht so angepasst.
Finden Sie, dass Kinder heute zu brav sind?
Es gibt zwei Beobachtungen. Die eine ist die, dass Kinder viel mehr dürfen als früher. Was für Außenstehende manchmal auch ganz schön anstrengend ist, weil man denkt, ist ja vielleicht doch ein bisschen laut oder viel gekleckert. Die andere ist die, dass die dann später tatsächlich oft so angepasst und zielstrebig karriereorientiert werden. Als ob die gar nichts ausprobieren wollten. Schlimm finde ich aber nur, wenn Eltern ihre eigene Unzufriedenheit kompensieren müssen, und sei es ein verborgenes Talent, das man selber nicht entwickeln konnte. Aber da darf man ja nix sagen als Nicht-Eltern.
Ihr Mann hat zwei Kinder, wie funktioniert das Zusammenleben? Und was sagen die Kleinen über ihre Stiefmama?
Ich habe mal gehört, wie die jüngere Tochter zu ihrer Freundin sagte: Das ist meine Stiefmutter, die ist aber nicht böse! Seitdem ruhe ich mich darauf aus. Ich habe das Gefühl, dass das in unserer Familie ganz gut klappt.
Vor einem Jahr ist Armin Petras vom Gorki Theater nach Stuttgart gewechselt. Seither spielen Sie gar nicht mehr Theater in Berlin?
Das stimmt. Die Stücke sind hier alle abgespielt. In Stuttgart wird aber im Dezember „Herbstsonate“ von Ingmar Bergman Premiere haben, was eine Koproduktion mit dem Deutschen Theater ist. Damit werde ich also ab Januar auch wieder hier zu sehen sein.
Ansonsten spielen Sie nur noch in Stuttgart. Wo sonst alle Schwaben nach Kreuzberg kommen, gehen Sie den umgekehrten Weg?
Das Lustige ist, dass man da ganz viele Berliner Kollegen trifft. Armin hat ja viele Schauspieler aus dem Ensemble mitgenommen. Die sind alle irgendwie im Stuttgarter Exil. Wir pflegen da das Berlinische sehr (imitiert es sofort:) um ma zu zeigen, wie et nämlich is.
Fehlt Ihnen das jetzt etwas, das Theater in Berlin?
Ja und nein. Stuttgart ist jetzt mein Theater, und es ist immer schön, wenn man dahin kommt. Da komme ich aus dem Kollegenkreis gar nicht mehr raus. Das ist wie ganz am Anfang, als ich im Ensemble spielte und den ganzen Tag im Theater war. Das genieße ich sehr. Und du triffst da Kollegen privat, mit denen du im Gorki fünf Jahre gespielt, dich aber privat nie getroffen hast. Weil in Berlin jeder gleich wieder nach Hause ging. Aber ich habe gut reden. Ich fahre ja wieder zurück, während die da bleiben. Für die ist das sicher anders. Für mich ist das Luxus, ich finde es großartig so.
Das Theater haben Sie eine Zeitlang fast ganz ausgeklammert. Jetzt spielen Sie wieder öfter?
Eigentlich war das gar nicht so geplant. Das zweite Stück sollte erst nächstes Jahr kommen, jetzt habe ich doch zwei auf einmal. Aber das passt auch wieder, weil ich gerade nicht so viel drehe. Das soll nicht mehr so viel werden wie ganz früher. Aber so vier, fünf Aufführungen im Monat, das ist ein gutes Maß. Und ein schönes zweites Standbein.
Hatte Ihr Rückzug vom Theater auch mit Ihrem Umzug aufs Land zu tun?
Sicher, das spielte da mit rein. Das braucht ja eine Zeit, bis man von da aus in der Stadt ist. Und abends kommt man nicht mehr raus. Dass ich noch mal so intensiv am Theater arbeite wie vor sechs Jahren, das wird es nicht mehr geben. Darauf achte ich, seit ich auch ein Privatleben und das Häuschen habe.
Sind Sie jetzt geerdet durch Ihr Landleben?
Es ist gar nicht so, dass ich besonders abgehoben wäre, um geerdet werden zu müssen. Es beruhigt mich einfach sehr. Es gibt mir Kraft und Energie. Wenn ich da ankomme, ist das so, als ob der Stress, der Druck, den der Beruf so mit sich bringt und der unterschwellig immer da ist, komplett abfällt. Mein Rhythmus ist ja eher so ein schneller, das merken Sie ja auch, wie ich rede. Aber da draußen fahre ich einfach komplett runter und entschleunige. Ich brauche das. In der Stadt würde ich mich sonst so mittreiben lassen.
In der Schorfheide in Barnheim leben auch Corinna Harfouch, Michael Gwisdek, Axel Prahl. Ist das eine richtige Künstlerkolonie?
Nein, wirklich nicht. Bei uns gibt es auch noch ganz normale Dorfbevölkerung. Wir fallen da nicht weiter auf. Naja, vielleicht doch. Im Sommer haben wir alle ein Theaterstück gespielt. Vor den Leuten aus dem Dorf. Wie im Bauerntheater! Die Leute haben sich wahnsinnig gefreut, dass sie auch mal was davon haben, dass wir da wohnen. Das wurde aber nicht an die große Glocke gehängt, dass da Leute aus Berlin anreisen.
Ist das ein Trend: raus aufs Land?
Wahrscheinlich. Es gibt ja auch immer mehr Gartenmagazine und so. Aber das hat sich für mich einfach so ergeben. Jetzt möchte ich das nicht mehr missen. Das hat sicher mit unserer immer hektischeren Welt zu tun. Wenn ich in einer kleineren Stadt wohnen würde, bräuchte ich das wohl nicht. Das Schöne ist, dass man beide Extreme haben kann, Stadt und Land. Für mich hat das nur Gutes gebracht. Und alle um mich herum, die das auch machen, sind jetzt viel besser drauf.
Können Sie sich denn schon selber verpflegen?
Ganz noch nicht. Tiere habe ich ja keine. Vegan würde ichs wohl schon hinkriegen. Aber ob mir das reicht? Dafür, dass ich als Stadtmensch damit gar nicht aufgewachsen bin, ist es schon eine Sensation, dass ich Gemüse anpflanze.