Karin Mietke spielt Improvisationstheater - im BühnenRausch. Die Shows sind nur grob vorgegeben, das Publikum kann sich für die Details entscheiden. Es ist eine Erfolgsstory.

Karin Mietke wundert sich manchmal selbst, wie häufig sie noch auf der Bühne steht. „Pro Monat sind das immer um die zehn Auftritte, dazu kommen noch Gastspiele in anderen Gruppen“, sagt die Leiterin des Improvisationstheaters BühnenRausch. Die Shows, in denen sie mitspielt, heißen etwa „Helden der Arbeit“, „MordArt – Der Improkrimi“ oder „Die Montags-Gameshow“. Wie beim Improvisationstheater üblich, gibt es keine festgelegte Inszenierung, die Dramaturgie kommt spontan durch die Darsteller und das Publikum zustande.

Zu Beginn einer Szene werden die Zuschauer etwa gefragt, an welchem Ort die Geschichte beginnen soll oder welche Gegenstände zum Einsatz kommen sollen. „Ein Wort wie ‚Werkzeug‘ reicht aus. Jedem fällt sofort etwas dazu ein. Das benutzen wir als Absprungbrett, von da aus spielen wir weiter“, sagt Mietke über die Inspiration durch das Publikum. So wird in „Helden der Arbeit“ eine Raumstation als Arbeitsplatz vorgegeben, beim „Improkrimi“ werden Figuren und deren Charaktere bestimmt und bei der „Montags-Gameshow“ beenden die Theaterbesucher beim Souffleur-Spiel die Sätze der Darsteller.

In der Risikozone

Die Leidenschaft für das Improvisationstheater begann bei ihr Mitte der 90er-Jahre eher zufällig. Ein Freund nahm sie mit zu einer Veranstaltung der Impro-Gruppe „Die Gorillas“. „Mich faszinierte sofort, dass dort auf magische Weise aus dem Nichts heraus zusammen mit anderen Menschen eine Geschichte erschaffen wurde“, erinnert sich die Theater-Leiterin.

Ihre Faszination ist heute eine Erfolgsstory, denn ein Großteil der Vorstellungen im 70 Plätze fassenden BühnenRausch ist ausverkauft. Und das obwohl das Impro-Theater im etwas ruhigeren Norden von Prenzlauer Berg liegt. „Unsere Gäste kommen eher aus anderen Bezirken wie Bernau, Köpenick oder Zehlendorf und weniger aus dem Kiez“, sagt Mietke. Viele Stammgäste würden besonders die familiäre Atmosphäre schätzen. So begrüßt sie bei eigenen Vorstellungen jeden Gast persönlich am Eingang. Viele Impro-Gruppen sind seit Jahren ein fester Bestandteil des Programms.

Die Anfänge waren hart

2002, als sie den BühnenRausch eröffnete, war das noch anders. „Die Anfänge waren hart, ich habe drei Jahre lang Lehrgeld gezahlt“, erinnert sich Mietke. Die Gruppe, in der sie damals spielte, wollte eine Heimbühne, um deren Beschaffung sie sich kümmern wollte. Da sie, wie sie selbst sagt, recht blauäugig an dieses Projekt ging, hat sie erst langsam lernen müssen, dass man nur mit Leidenschaft und Gutmütigkeit keine Rechnungen bezahlen kann. Sie musste lernen, wie, wo und wann man Werbung machen muss, in welcher Höhe die Künstler gerecht an den Kosten beteiligt werden müssen, welche Versicherungen abzuschließen sind und wie die Buchhaltung funktioniert.

Nach und nach kamen dann aber immer mehr Impro-Gruppen. Für ihr eigenes Theater fand sie den leer stehenden Lebensmittelladen an der Ecke Erich-Weinert-Straße/Greifenhagener Straße, quasi per Ausschlussprinzip. „Die anderen in Frage kommenden Locations waren alle riesige Fabrikhallen mit sichtversperrenden Säulen, was einfach nicht gepasst hätte oder die Miete war einfach zu teuer“, erklärt Mietke. Abgesehen von der ganzen technischen Installation bekam der Theatersaal, der ehemalige Laden, Schallschutzdecken. Eine Klimaanlage wurde gebraucht. Eingangstüren wurden aus Sicherheitsgründen verlegt und eine behindertengerechte Toilette installiert.

Auch Laiendarsteller dürfen sich ausprobieren

Mittlerweile ist der BühnenRausch in der Theaterszene fest etabliert. Neben ihren eigenen Auftritten arbeitet Karin Mietke heute vor allem als Veranstaltungsmanagerin, Workshop-Leiterin und Coach. Ihre Räume stellt sie auch Laiendarstellern zur Verfügung, die sich ausprobieren wollen, aber keine großen Theater-Räume bezahlen können. Für Unternehmen trainiert sie deren Mitarbeiter in Kommunikation, Präsenz, Teamfähigkeit und Kundenkontakt – vor Ort oder im BühnenRausch. „Ständige Wachsamkeit, in jedem Moment voll da sein, Hinhören, aber auch Anerkennung und Dankbarkeit, was von den Kollegen kommt“, diese Anforderungen an einen Improvisations-Darsteller vermittelt sie auch in ihren Workshops, die sie regelmäßig durchführt.

Als besondere Fähigkeit müsse man zudem seine Angst vor dem Kontrollverlust überwinden, den inneren Zensor ausschalten und Spaß daran finden, Fehler zu machen. Genau deswegen würden die Zuschauer eine Improvisations-Show besuchen – „und auch ein bisschen, um die Schauspieler leiden zu sehen“, sagt sie und lacht.

Wenn das Herz hämmert

Eine gute Woche später leidet auch sie dann kräftig. Der von ihr trainierte „Club der Impronäre“ feiert mit seiner „Urknall-Show“ Premiere im Varia Vineta, ein paar Straßen weiter nördlich des BühnenRauschs. Die Darstellerriege, allesamt Teilnehmer ihres Workshops, musste auf das kleine Ein-Zimmer-Theater ausweichen, da es im BühnenRausch keine freien regelmäßigen Termine mehr gab. In der ausverkauften Vorstellung fiebert die Impro-Macherin mit ihren Zöglingen in der ersten Reihe mit. Hin und wieder spürt man zwar die Nervosität und das noch ungewohnte Zusammenspiel der Gruppe – insgesamt sind die Zuschauer jedoch begeistert. Stets unterbricht spontan aufbrausendem Beifall die Aufführung.

Als Karin Mietke nach der zweieinhalbstündigen Show auf die Bühne gebeten wird, gesteht sie: „Mein Herz hat gehämmert, ich habe Blut und Wasser geschwitzt.“ Manchmal ist es vielleicht doch besser, selbst auf der Bühne zu leiden als davor.

BühnenRausch, Erich-Weinert-Str. 27, Prenzlauer Berg, Tel. 44 67 32 64, www.buehnenrausch.de