Studenten wollen mit ihrer Ausstellung in Neukölln zum Nachdenken anregen – über die Bedeutung des Geldes, über seinen Lauf, über die Vermögensverteilung, darüber, was Kapitalismus überhaupt ist.

Wie viel ist eigentlich ein Fahrrad wert? Und wie viel ein BVG-Einzelfahrschein? Sechs Gegenstände – ein Fahrradmodell, eine BVG-Fahrkarte, ein Turnschuh, ein Benzinkanister, ein Buch, ein Smartphone – liegen auf einem sechseckigen Tisch, darüber hängen Computer. Legt man eines der sechs Dinge in die Mitte des Tisches, zeigt der Computer darüber an, wie groß sein Wert im Verhältnis zu den übrigen Sachen ist.

Ein Fahrrad hat demnach den Geldwert eines halben Handys, ein BVG-Fahrschein steht zum Fahrrad im Verhältnis 0,002 zu eins, auf ein Buch kommen vier Kanister Benzin. „Die Notwendigkeit des Geldes“ heißt diese Station, die den Wert verschiedener Waren vergleicht, und sie ist Teil des Museums für Kapitalismus, das Ende Juni in Neukölln eröffnet hat.

Dass Geld notwendig ist, ist auch den Museumsmachern klar. Das zehnköpfige Team besteht vor allem aus befreundeten Studenten verschiedener Fachrichtungen: Wirtschaft, Politik, Informatik, Mathe, Lehramt oder Museumskunde. Die Studenten wollen mit ihrer Ausstellung zum Nachdenken anregen – über die Bedeutung des Geldes, über seinen Lauf, über die Vermögensverteilung, darüber, was Kapitalismus überhaupt ist und wie er sich auf die Menschen auswirkt.

Ein besonderes Augenmerk haben sie auch auf die Entwicklung der Städte durch den Kapitalismus gelegt und diesem Thema einen eigenen Ausstellungsbereich gewidmet. Gentrifizierung spielt darin eine große Rolle, und wie ein Beleg dafür erscheinen die umfangreichen Sanierungsarbeiten, die derzeit rund um das Museum an vielen Häusern stattfinden.

„Dabei wollen wir keine politischen Standpunkte vermitteln, sondern versuchen, neutrale und vor allem verständliche Erklärungen zu finden“, sagt Malte Elling, der zum Gründungsteam gehört. Der 24-Jährige studiert Geschichte und Mathematik auf Lehramt. Im Blick auf seinen zukünftigen Beruf weiß er, dass die Vermittlung einer komplizierten Materie bei Schülern nur Chancen hat, wenn sie anschaulich vermittelt wird.

Erstes Museum dieser Art

Die meisten Museen sind nach seinem Geschmack viel zu langweilig gestaltet oder setzen schon großes Vorwissen voraus. „Unser Museum soll für jeden zugänglich sein“, sagt er. Ganz wichtig sei dem Team auch die Interaktion, damit die Besucher nicht nur Betrachter sind, sondern selbst etwas machen können. Er zeigt auf die nächste Station, „Kapitalkreislauf“ heißt sie, und greift zum Hebel einer Wasserpumpe. Durch sie wird Wasser in ein großes Becken gepumpt und auf dem Weg tröpfelt es aus dem Schlauch in einen Becher. Kein Versehen, sondern Absicht: „Das ist der Lohn, der bei den Arbeitern ankommt“, erklärt der Student, „was im Becken landet, ist das Kapital“. Wer kräftig pumpt, findet selbst schnell heraus, wie groß der Unterschied ist.

Ein Museum, das sich ganz dem Begriff Kapitalismus widmet, gab es bislang noch nicht. Nicht in Berlin, nicht in Deutschland und nach Recherchen der Museumsmacher anderswo nur noch in Belgien. Sie waren überrascht, als sie das festgestellt haben. Dabei ist die Auseinandersetzung mit der Wirtschaftsordnung für sie ein Thema, über das sie oft diskutieren. „Dann machen wir eben ein eigenes Museum“, haben sich die Freunde irgendwann gesagt. Zuerst war es nur ein Witz – aber er gefiel ihnen offenbar so gut, dass sie ihn wahr gemacht haben.

„Jeder von uns hat einen eigenen Zugang zum Thema, so konnte jeder eigene Aspekte einbringen“, erklärt Malte Buchholz, der gerade seinen Master in Informatik macht. „Ein Jahr hat die Vorbereitung gedauert“, erzählt er. Vor allem mussten sie einen geeigneten, bezahlbaren Raum finden. Eine Förderung haben sie nicht bekommen, „wir haben alles selbst finanziert“, betont der 26-Jährige. Dabei wurden sie erfinderisch: „Das meiste Holz kommt von Sperrmüll, die Computer haben wir von einem PC-Laden gespendet bekommen, die Pumpe billig bei Ebay ersteigert“, sagt Malte Elling. Und das Friedrichshain-Kreuzberg- Museum hat ihnen eine alte Stechuhr zur Verfügung gestellt.

Ende Juni hat das Museum für Kapitalismus in einem Ladenlokal an der Böhmischen Straße in Neukölln eröffnet. Es war ein aufregender Moment – denn sie wussten ja nicht, ob die Ausstellung überhaupt Besucher anzieht. „Wir waren dann aber überrascht, wie viele Menschen sich für die Ausstellung interessiert haben“, erzählt Malte Elling, „Jung und Alt, Menschen aus der Nachbarschaft und von weit weg kamen, die über Freunde davon gehört haben“. Das größte Kompliment war eine Gruppe Lehrerinnen vom Oberstufenzentrum Wirtschaft, die kürzlich hier waren und sagten, wie gern sie diese Ausstellung ihren Schülern zeigen würden. Aber das klappt nun nicht mehr, denn wenn die Schule wieder beginnt, ist das Museum schon geschlossen.

Hoffnung auf Wiedereröffnung

Ursprünglich sollte das Museum nur drei Wochen geöffnet bleiben – länger reichte das Geld für die Miete erst einmal nicht. Aber die Spendenbox am Ausgang war nach den drei Wochen so gut gefüllt, dass die Museumsmacher die Mietdauer verlängern konnten. So ist die Ausstellung nun noch einmal an diesem Wochenende geöffnet. Danach ist allerdings erst einmal Schluss. Vorläufig. Denn das Team träumt von einem dauerhaften Standort und von einer noch größeren Ausstellung. Die Studenten haben noch so viele Ideen, wie sie sich dem Thema nähern könnten. „Dazu bräuchten wir allerdings eine Förderung“, sagt Malte Buchholz. Die nächsten Monate würden er und seine Freunde wohl brauchen, um das notwendige Geld aufzutreiben. Aber er ist zuversichtlich, dass das klappt. Immerhin ginge es doch in dem Museum um ein ganz großes und wichtiges Thema.

Museum für Kapitalismus, Böhmische Straße 11, Neukölln, geöffnet an diesem Fr, Sbd und So 15–21 Uhr, danach ist das Museum vorerst geschlossen. Eintritt frei. Infos unter museumdeskapitalismus.de