Frauen in den Wechseljahren leiden an Hitzewallungen und Depressionen. Ein Mann in der Midlife-Crisis hingegen kauft sich einen Sportflitzer, färbt sich das Haar und macht sich auch sonst fit für die neue, zwanzig Jahre jüngere Freundin. So zumindest lauten die gängigsten Klischees, wenn es um die Generation 45plus geht.
Der Umbruch in dieser Lebensphase, in der sich viele noch einmal neu ausrichten, ist seit jeher ein äußerst beliebtes Sujet in Literatur, Film und Theater: Goethes ältlicher Faust etwa lässt sich vom Teufel höchstpersönlich verjüngen, um Teenager Gretchen zu verführen und zu schwängern. Ein anderes Beispiel ist Lester Burnham, gespielt von Kevin Spacey im oscar-prämierten Meisterwerk „American Beauty“. Er schmeißt den gut bezahlten Job hin, heuert in einem Imbiss an, nimmt Drogen und verliebt sich in die beste Freundin seiner Tochter. Man ahnt es schon, beide Herren enden tragisch.
Dass es auch wesentlich heiterer zugehen kann, wenn die Unbilden der Midlife-Crisis im Mittelpunkt stehen, beweist die hinreißende Musik-Komödie „Heisse Zeiten“ aus der Feder von Tilman von Blomberg. Der Publikumshit läuft seit über drei Jahre auf bundesdeutschen Bühnen. Anfang September gibt es im Theater am Kurfürstendamm sogar mit „Höchste Zeit!“ eine Fortsetzung der Wechseljahre-Revue mit Angela Mann und ihren lustigen Leidensgenossinen.
Männer leiden anders
Bei so viel Erfolg wollen die Herren der Schöpfung den Damen natürlich nicht nachstehen. Zwar reden Männer nicht gern über das „Klimakterium virile“, die sogenannte Andropause, doch im Musical „Mann über Bord“ von Robert und Ulrike Brambeer machen sie mal eine Ausnahme. Vier alte Freunde in den besten Jahren treffen sich zu einem Wochenende in freier Natur am Bodensee.
Das Quartett könnte unterschiedlicher nicht sein: Womanizer Boris jongliert zeitgleich mit Ehefrau und blutjunger Geliebter. Der beleibte Bert fürchtet, dass ihn seine Frau verlässt. Stefan steht auf Barbra Streisand und Tanzen. Seine Freunde halten ihn deshalb für schwul. Der scheue Martin hingegen findet keine Frau. Außerdem plagen den Hypochonder so ziemlich alle Allergien, die es gibt, und dazu noch viele, viele Ängste.
René Hofschneider spielt den Schüchternen in seiner Verzweiflung mit hochkomischer Grandezza, ohne ihm je seine Würde zu nehmen. Als er seine Rolle erstmals las, seien ihm sofort tausend Dinge zu Martin eingefallen, sagt er. Wenn er über diese Figur redet, merkt man sofort, wie sehr er diesen verschrobenen Charakter mag: „Ich stelle ihn mir als jemanden vor, der beim Opa groß geworden ist und drei ältere Schwestern hat.
Diese Mischung aus Geborgenheit und Kontrolle hat sich in seinem Verhalten niedergeschlagen. Er ist äußerst vorsichtig und gibt Lebensweisheiten von sich, für die er keinerlei Erfahrung gesammelt hat.“
Der Naive ist offen für Vieles
Damit nervt Martin seine wesentlich praktischer veranlagten Bühnenfreunde (gespielt von Stephan Bürgi, Simon van Parys und Jens Schnarre) fast bis zur Weißglut. „Andererseits ist er unglaublich liebenswürdig. Er ist naiv, aber auch offen für vieles. In seiner unbeholfenen Art, mit Problemen umzugehen, erkennen sich auch viele wieder“, weiß René Hofschneider.
Für den Berliner Schauspieler, der 1989 an der Seite seines jüngeren Bruders Marco im gemeinsamen Kinodebüt „Hitlerjunge Salomon“ bekannt wurde, ist Boris das klassische Beispiel für einen Mann in der Midlife-Crisis: „Er ist erfolgreich im Beruf und potent in jeder Hinsicht, also kraft- und machtvoll!“
Doch der Körper zeigt einem spätestens ab vierzig gewisse Grenzen auf. Manch einer, wie Boris, möchte das lieber nicht wahrhaben, sondern versucht alles, um die eigene Jugend bis ins hohe Alter zu verlängern.
Das Leben ist vergänglich
Auch privat hat der 53-jährige Hofschneider mit diesem Prototyp nichts gemein. „Eine Midlife-Crisis hatte ich nie. Ich fühle mich sehr wohl und weiß heute, wie vergänglich das Leben ist. Dadurch kann ich viel mehr Dinge schätzen als früher. Ich bin demütiger, aber auch glücklicher“, bekennt er. Vielleicht liegt es auch daran, dass er erst mit vierzig Jahren Vater geworden ist. „Ich bin unendlich froh darüber. Kinder machen das größte Glück des Lebens aus.“
René Hofschneider hatte nie den Drang wie einige seiner Altersgenossen, gestählt den Mount Everest zu erklimmen. Er macht lieber Yoga und schätzt es nicht sonderlich, den eigenen Körper zu trimmen oder gar zu frisieren wie ein Mofa. Er lässt es gerne eine Nummer ruhiger angehen.
Zu dieser Erkenntnis muss das Bühnenquartett in „Mann über Bord“ erst noch gelangen. Im Gegensatz zu den Damen aus „Heisse Zeiten“ werden die krisengeplagte Kerle dabei nicht allzu tiefgründig. Die Herren leiden und lachen lieber singend zu bekannten Ohrwürmern mit neuen Texten, nutzen jede Steilvorlage für freche Situationskomik und hauen dazu Sprüche für die Ewigkeit raus. Kleine Kostprobe gefällig? „Die Frau ist die einzige Beute, die ihrem Jäger auflauert!“
Mann über Bord
Die Wühlmäuse, Pommernallee 2-4, Charlottenburg, Tel. 30 67 30 11.
Bis 17.8., Di-Sa, 20 Uhr