Bei älteren Damen, haben wir gelernt, muss man höflich sein. Und übers Alter spricht man erst gar nicht. Nicht so bei Maren Kroymann. Die wird heute 65. Und steht dazu. Die darf man sogar reif und bekloppt nennen. Und darauf ist sie auch noch stolz. Denn gerade wurde ihr in Bonn der deutsche Satirepreis Prix Pantheon in dieser Kategorie verliehen. Würde der Preis nicht „Reif und bekloppt“ heißen, sondern Preis fürs Lebenswerk, dann hätte sie das zu einschüchternd gefunden.
„Ich bin“, sagt die Berliner Schauspielerin, „ja ein schwieriger Fall, weil ich so viele verschiedene Sachen mache.“ Mal Kabarett, mal Schauspiel, mal Fernsehserie, mal Bühnenshow, und immer wieder Talkshows, in denen sie sagt, was sie denkt: Das ist kein gerader Weg. Aber, sagt sie, „eine Lebensform.“ Und die sei der Jury aufgefallen: „Die honorieren meine Beklopptheit. Damit kann ich gut leben.“
Frauen spielen sonst immer nur die zweite Rolle
Maren Kroymann kommt leicht verspätet. Mit nassem Haar. Sie war gerade noch schwimmen im Olympiabad. Jetzt bestellt sie einen Anti-Aging-Tee, „diesen gelben“. Wir sitzen im Café Manstein am Lietzensee. Es ist ihr Kiez. Hier kennt jeder jeden. Und immer wieder muss das Gespräch unterbrochen werden, weil Passanten sie ansprechen. Aber sie kommt immer sofort aufs Thema zurück. Dass diesen Preis ja bislang nur Männer bekommen. Dass Frauen im Kabarett nach wie vor die zweite Rolle spielen.
Evelyn Hamann als Partnerin von Loriot, Gisela Schneeberger neben Gerhard Polt. Die Platzhirsche seien nach wie vor Männer, Frauen würden nach wie vor leichter bekannt durch ihr Aussehen. Oder wenn sie, wie Lisa Fitz, von ihrem jüngeren kubanischen Freund erzählen würden. Über den Umweg im Boulevard also. Und so ernst wie die Herren würden sie nie genommen. „Nirgends wurde das deutlicher, als Anke Engelke die Harald-Schmidt-Show beerbte und eine große deutsche Zeitung schrieb: 'Wollen wir uns wirklich von einer Frau nach elf Uhr die Welt erklären lassen?'“
Ein anderes Jubiläum: 50 Jahre Pubertät
Da wird Maren Kroymann richtig kämpferisch. Sie ist jetzt, nach Preisträgern wie Hildebrandt, Polt und Robert Gernhardt, die erste Frau in der „Reif und bekloppt“-Liga. Ist das so etwas wie ein vorgezogenes Geburtstagsgeschenk? Sie lacht: „Es ist auf jeden Fall ein Geschenk.“ Dass nun endlich auch einmal eine Frau an der Reihe war, dass mache sie auch stolz.
Der 65. Geburtstag dagegen wird nicht besonders zelebriert. Er ist nur ein Geburtstag wie jeder andere. „Ich bin ja nirgends angestellt“, meint sie trocken, „also kann ich auch keine Pensionärin werden.“ Und das Schöne an ihrem Beruf sei doch, dass man nicht aufhören müsse, „weil es ja auch Rollen für Alte gibt.“ Ansonsten hält sie es schlau und begeht ein ganz anderes Jubiläum: 50 Jahre Pubertät. Das kann man sogar über mehrere Jahre feiern. Und zum Mittelpunkt einer eigenen Show machen wie „In my Sixites“, wo sie charmant erzählt und singt, mit welchen Hits sie in den Sechzigern aufgewachsen ist. Die Show wird am 5. August auch in der Bar jeder Vernunft wieder aufgenommen. Und verändert sich immer ein bisschen. Nicht in der Liedauswahl. Aber in der Moderation. Maren Kroymann hat keinen fixen Text auswendig gelernt. Sie feilt jeden Abend an ihm. So bleiben die Anekdoten frisch. Und jeder Abend ist etwas Eigenes.
Das Berlin-Gen im Blut
Maren Kroymann hat das Berlin-Gen im Blut. Sie wuchs zwar in Tübingen auf, aber ihr Vater war Steglitzer, die Mutter Charlottenburgerin. Und früh war für sie klar: Nach Berlin muss sie hin. Durch die Politisierung der Studentenrevolte. Und wegen des Feminismus. „Ich wusste immer schon, dass das ein Thema für mich sein wird.“ Kämpferisch war sie schon immer. Auch als sie sich vor 21 Jahren als Lesbe outete. Die ARD, bei der sie gerade eine Serie gedreht hatte, sei damals sauer gewesen. Weil es nicht abgesprochen war. Sie hat danach auch ein Jahr keine Angebote mehr bekommen. Aber dafür hat sie dann eben etwas anderes entwickelt, die Satiresendung „Nachtschwester Kroymann“ – auch im Ersten.
Maren Kroymann wundert sich nach wie vor, wie wenig Lesben sich öffentlich bekennen. Hella von Sinnen war lange die Lesbe der Nation, will sich dazu aber nicht mehr äußern. Wie auch Ulrike Folkerts oder Anne Will. Natürlich gebe es noch viel mehr. Die seien aber alle „kryptolesbisch“, wie Kroymann das formuliert. Die lebten das nicht öffentlich. „Feige“ möchte sie das nicht nennen. Die hätten eben Angst um ein bisschen Popularität, die sie vielleicht verlieren könnten. Aber: „Die würden nicht arbeitslos werden“, postuliert sie: „Ich habe das ja selbst erlebt.“
„Postklimakterielle Sexbombe“
Da müssen wir jetzt nachhaken. Ist ihre Liebe zu Frauen dann nicht das, was der junge Kubaner bei Lisa Fitz ist? Kurze Pause, dann nickt die Kroymann. Ja, obwohl sie sich als „völlig unbegabt für den Boulevard“ bezeichnet, sei da schon was dran. Das verschiebe sich allerdings gerade. Und das hat auch mit ihrem Geburtstag zu tun. Sie äußert sich ja auch freizügig über das Alter. Als Doris Dörrie die wunderbare TV-Serie „Klimawechsel“ drehte, da wollte sich keine der Schauspielerinnen und auch nicht die Regisseurin zu den eigenen Wechseljahren äußern. Maren Kroymann schon. Die ist sogar froh, dass sie das jetzt hinter sich hat. Und siehe da, der Sex macht immer noch Spaß. „Ich bin jetzt“, sagt sie, „immer noch eine bekennende Frau, aber nicht mehr so festgelegt.“
Das macht sich übrigens auch bei den Angeboten bemerkbar. Gerade hat sie den Fernsehfilm „Zu dir oder zu mir?“ abgedreht, der im Oktober im ZDF ausgestrahlt wird, am Sonntag zur Hauptsendezeit. Da spannt sie einer jüngeren Kollegin den Freund aus, darf einen dritten Frühling mit allen Peinlichkeiten erleben – und mit Walter Sittler nackt in einen Brandenburger See springen. Das sei endlich mal wieder eine Rolle, wie sie sie vor ihrem Coming-Out bekommen habe. „Ich habe 25 Jahre gebraucht, um wieder dahin zu kommen.“ Jetzt, sagt sie und lacht schallend, „werde ich noch eine postklimakterielle Sexbombe“.
Die Show: „In my Sixties“ in der Bar Jeder Vernunft vom 5.-14. August.