Schönheit, Anmut, Perfektion: Anlässlich seines 250. Geburtstages wird Johann Gottfried Schadow mit einer großen Ausstellung im Ephraim-Palais in Berlin-Mitte geehrt.

Johann Gottfried Schadow ist bekannt als Schöpfer der Quadriga auf dem Brandenburger Tor. Aus Anlass seines 250. Geburtstag am 20. Mai zeigt das Stadtmuseum im Ephraim-Palais jetzt eine umfassende Ausstellung zu seinem Leben und Werk. Schadow war so vieles, dass die Räume fast zu klein für ihn wirken: der bedeutendste Bildhauer des deutschen Klassizismus, Zeichner, Freimaurer, Direktor der königlichen Akademie, Mitglied mehrerer Vereine, Schachspieler, Laienschauspieler. Einer, der auf allen Festen tanzte, ein begnadeter Netzwerker würde man heute sagen. Die Ausstellung ist denn auch nicht chronologisch aufgebaut, sondern beleuchtet all die Facetten seiner Persönlichkeit.

Beginnend mit seiner Kunstlehre und Kunsttheorie. An den Wänden hängen Studien zu Körper, Kopf und Skelett. Zeichnungen von Kindern, Frauen und Männern, bis in die Muskeln hinein. Schadow selbst schulte sich an der Antike und verfasste 1830 die „Lehre von den Knochen und Muskeln.“ Naturalistische Genauigkeit prägte seine Arbeit von Beginn an. Es ging ihm um solides Handwerk und Physiognomie. Die Darstellung des menschlichen Körpers faszinierte und forderte ihn. Dazu gehörten auch Mimik und Gestik, was wiederum seine Begeisterung für die Darstellenden Künste erklärt.

Goethe huldigte ihm

Unter dem Titel „Tanz-TheaterTöne“ sind meisterhafte Zeichnungen zu sehen, etwa von einer Aufführung des König Lear oder die Reihe zu dem damals weltberühmten Tänzerpaar Maria Medina und Salvatore Vizano. Jede Bewegung scheint in diesen Radierungen spürbar. „Man muss ein so solider, geistreicher und geübter Künstler seyn wie Herr Schadow, um den vorübergehenden Moment dergestalt zu erfassen“, steht als Zitat von Goethe an der Wand. Diese Worte treffen Schadows Werke sehr genau. Er war ein akribischer Arbeiter, der mit 12 Jahren zu zeichnen begann und zwei Jahre später bereits seine Bildhauer-Ausbildung an der Akademie der Künste begann.

Schadow hat, das macht die Ausstellung deutlich, regelrecht geschuftet. Zu seinen bekanntesten Werken zählen, neben der Quadriga, das Grabmal des Grafen von der Mark und das Doppelstandbild der preußischen Prinzessinnen Luise und Friederike von 1797. Seine Vorstellungen von Schönheit, Anmut und Jugendlichkeit hat er hier zur Perfektion getrieben. Nahezu anrührend ist das ausgestellte Marmorbild „Bacchus tröstet Ariadne.“

Eine große Zärtlichkeit geht von seinen Werken aus

Auf der anderen Seite zählte der Tod zu seinen großen Themen. Mehrere Grabmale hat er geschaffen und war zudem ein großer Sammler von Totenmasken. In seinem Besitz befanden sich unter anderem die Masken von König Friedrich II., Immanuel Kant und Johann Wolfgang von Goethe. In der Ausstellung zu sehen ist jene der Königin Luise von Preußen. In Anbetracht seines Lebens – Schadow überlebte zwei Ehefrauen und drei seiner sechs Kinder – ist die Beschäftigung mit dem Tod nicht zufällig. In seinen Darstellungen ist stets eine Sanftheit zu erkennen, etwas Tröstliches, die Vorstellung eines schönen Todes. Das ist das Überraschendste beim Betrachten seiner Werke, das sie alle eine große Zärtlichkeit ausstrahlen. Ein Wort, das einem beim Schöpfer der Quadriga zuvor nicht unbedingt als erstes eingefallen wäre.

Es ist schwer, diesen Menschen zu fassen, vermutlich ging es seinen Zeitgenossen nicht anders. Ein Raum im Ephraim-Palais widmet sich ausschließlich dem Freimaurer Schadow. Ab 1790 gehörte er einer Geheimgesellschaft an, die eintrat für die „Veredelung des Menschengeschlechts“, für Toleranz, Gleichheit, Brüderlichkeit und tätige Menschenliebe. So steht es auf der Texttafel und, wie bei Geheimlogen üblich, ist nicht ganz klar, was genau damit gemeint ist. Oberzeremoniemeister war er und Zweiter Oberaufseher des „Inneren Orients“.

Mitbegründer des Berliner Schachclubs

In den Schaukästen liegen eine Logenschürze, ein Ritualhammer, verschiedene Abzeichen, ein Schwert. Alles bleibt mysteriös und scheint auf seine künstlerische Arbeit keinen Einfluss gehabt zu haben. Es wirkt fast beruhigend, dass an selber Stelle zu erfahren ist, dass Johann Gottfried Schadow ebenfalls Vorsitzender und Mitbegründer des Berliner Schachclubs gewesen war. Bei dem ausgestellten Spiel steht Napoleon als König auf dem Feld.

Im nächsten Raum sind Porträts zu sehen, von der Familie, den Freunden und auf den meisten Schadow selbst. Wobei festzustellen ist, dass er auf seinen Selbstporträts deutlich attraktiver aussieht als auf denen anderer Künstler. Neben einem Bild findet sich der Vermerk, dass eine Datierung nur schwer möglich ist, da Schadow seine Porträts immer wieder überarbeitet hat. Ein Schlingel also, nicht frei von Eitelkeit.

Doch es ist etwas anderes, was man nicht erwartet hätte bei dem Leiter der Hofbildbauerwerkstatt, dem Akademiedirektor, dem Verfasser theoretischer Schriften zur künstlerischen Ausbildung, und das ist ein Humor der neckischen Art. Er zeigt sich vor allem in den kleinen, beiläufigen Skizzen. Bilder von Geburtstagsfeiern und Familienfesten und eines, ganz versteckt, das so gar nicht zu passen scheint und den wunderbaren Titel trägt: „Schwein, aus einem Tintenklecks gezeichnet“.

Man möchte sich die Ohren zuhalten

Steht man lächelnd davor und wendet den Kopf nach links, könnte der Gegensatz kaum größer sein, denn dort liegt er am Boden, der kupferne Pferdekopf der Quadriga. Das einzige Stück, das vom Original erhalten geblieben ist. Wie geschlachtet sieht es aus, das Hauptwerk von Johann Gottfried Schadow. Ringsherum hängen Bilder vom Brandenburger Tor im Wandel der Zeiten.

Nachdem man all die anderen Räume durchschritten hat, passiert hier etwas Merkwürdiges: Die Quadriga wird blass. Es ist die Arbeit, die für seine Berühmtheit sorgt, doch längst nicht seine wichtigste oder gar beste. Für diese Entdeckung gebührt dem Stadtmuseum Dank. Warum allerdings durch die halbe Ausstellung die Lebensgeschichte Schadows dröhnt, gesprochen in einem Duktus, der vielleicht Dreijährige bei der Stange halten soll, bleibt rätselhaft und trübt die Freude beträchtlich. Dass man sich bei der Ausstellung die Ohren zuhalten möchte, ist schade, sprechen doch die mehr als 300 Exponate ganz für sich.

Die Ausstellung: „Unser Schadow – Gratulationen: zum 250.Geburtstag“. Ephraim-Palais, Poststr. 16, Mitte. Di, Do–So 10–18 Uhr, Mi 12–20 Uhr. Bis 29. Juni 2014