Von außen ist dieser Comedy-Club ganz unscheinbar. Jenes Partyvolk, das gegenüber ins White Trash drängt, nimmt das Theater in der ehemaligen Bankfiliale an der Ecke kaum wahr. Im Saal stehen in gemütlicher Wohnzimmeratmosphäre etwa 100 Stühle um eine kleine Bühne.
Kaum zu glauben, dass in diesem Raum die ganz Großen der Comedy- und Kabarettszene aufgetreten sind: Eckart von Hirschhausen, Kurt Krömer, Olaf Schubert, Fil oder Till Reiners. Sie alle waren hier und stehen immer noch, wenn sie nicht gerade große Hallen füllen, gern für kleines Eintrittsgeld ganz nah vor dem Publikum.
Zu verdanken ist das dem gebürtigen Inder Sanjay Shihora. Der Comedy-Guru kennt sie alle, spielte selbst jahrelang in den einschlägigen Theatern von Berlin und tingelte mit einem eigenen Programm durch die Welt. Im Jahr 2002 gründete er mit seiner Frau Svenja sein eigenes kleines Theater, benannt nach dem australischen Lachvogel Kookaburra. Inzwischen macht er mit anderen Einwanderern nur noch einmal im Monat seine eigene Show, den Immigrantenstadl. Dort gibt es skurrile Erlebnisse der Integration zu hören.
Singende, klingende Welt der Bollywood-Filme
Die Geschichte, wie der heute 45-jährige Sanjay Shihora nach Berlin kam, klingt wie der Stoff eines Hollywood-Films. Als Sohn einer indischen Priesterfamilie wuchs er zunächst in einem Dorf in Indien auf, in dem es weder Strom noch fließendes Wasser gab. „Bis zu meinem fünften Lebensjahr hatte ich nicht einmal eine Glühbirne gesehen“, erzählt Shihora.
Dann zog die Familie in eine Kleinstadt. Der Junge war begeistert, als er zum ersten Mal Fernsehen, Theater und Kino kennenlernte. „Diese Welt faszinierte mich. Schon sehr früh stand da für mich fest, dass ich Schauspieler werden wollte“, sagt er. Sein Traum war es, einmal in einem jener Bollywood-Filme mitzuspielen, die eine singende, klingende, rundum märchenhafte Welt auf die Leinwände zaubern.
Mit elf Jahren machte er sich allein auf nach Mumbai, in die größte Stadt Indiens, um die Menschen in der bunten Traumfabrik zu treffen und dort Fuß zu fassen. „Ein Jahr lang schlug ich mich als Straßenkind durch, doch es gelang mir trotzdem recht schnell, die richtigen Kontakte in der Schauspielerszene zu finden“, sagt er.
Mit seinen dunklen Locken, den fröhlichen Augen und einem charmanten Lächeln kann man sich Sanjay Shihora sofort als Star in einem Bollywood-Film vorstellen. Doch es kam anders.
Zur Schauspielschule nach Paris
Als er 15 Jahre alt war, gewann er bei einem internationalen Theaterfestival in Indien den ersten Preis. Pantomime-Star Marcel Marceau, Gast auf dem Festival, war begeistert von dem jungen Talent und lud Shihora ein, an seine Schauspielschule in Paris zu kommen. „Was sonst unmöglich schien, war plötzlich ganz einfach: Mit Leichtigkeit erhielt Marceau alle nötigen Papiere für meine Ausreise“, erzählt Sanjay.
Marcel Marceau, der tragikomische Clown „Bip“, der sich vor allem über Mimik und Gestik mitteilte, war damals schon weltberühmt. In Paris hatte er seine eigene Schule für Pantomime und Schauspiel. Und an dieser Schule lernte Sanjay auch seine spätere Frau Svenja aus Berlin kennen. Mit einem gemeinsamen Kabarett-Programm über das Zusammentreffen zweier so verschiedener Kulturen aus Abendland und Morgenland gingen sie auf die Bühne. „Bollywood interessiert mich schon lange nicht mehr“, sagt Sanjay Shihora heute. Er sei geprägt durch Marcel Marceau. Nicht die Traumwelt will er den Menschen mit seiner Kunst zeigen, sondern die Wahrheit, und das am besten so, dass sie dabei noch lachen können.
Mit der Gründung des eigenen Theaters in Berlin habe sich auch seine Vorstellung vom Leben geändert. „Ich brauche jetzt nicht mehr den allabendlichen Adrenalinkick, selbst auf der Bühne zu stehen“, sagt er. Das könne leicht zu einer Sucht werden. Stattdessen könne er sich jetzt viel mehr an den Programmen der anderen Komiker erfreuen.
Fliegende rohe Eiern und Schwarzwälder Kirschtorte
Viele der Akteure auf seiner Bühne sind Freunde. Das ist den Shows auch oft anzumerken. Nie gleicht ein Abend dem anderen. „Meist bringt ein Comedian zwei oder drei andere mit, und dann entspinnt sich spontan auf der Bühne das Gespräch“, erklärt Shihora das Prinzip. Die Künstler werfen sich gegenseitig die Bälle zu und haben auch selbst einen Riesenspaß dabei.
Sanjay Shihora erinnert sich beispielsweise gut, wie er an seinem Geburtstag von Kurt Krömer auf die Bühne geholt wurde und ihm plötzlich von allen Seiten die Sahnetorten entgegenflogen. Es war eine kleine Anspielung auf seine Show „This is comedy?“, in der er mit fliegenden rohen Eiern und Schwarzwälder Kirschtorte den Humor von Stummfilmhelden wie Charlie Chaplin und Laurel & Hardy aufnahm.
Jeder soll sich einen Besuch leisten können
Die Zuschauer im Club Kookaburra schätzen das Gefühl, mittendrin zu sitzen. „Wir haben ein großes Stammpublikum, es gibt sogar einige, die mehrmals in der Woche herkommen“, sagt Shihora. Und während viele große Theater die Vergreisung des Publikums fürchten müssen, sind die Zuschauer im Comedy Club meist jung. Dazu tragen auch die moderaten Preise bei. Die Vorstellung soll nicht viel mehr als ein Kinobesuch kosten, jeder soll es sich leisten können. „Das ist mir sehr wichtig und hängt wohl auch mit meiner Geschichte in Indien zusammen“, sagt Shihora.
Ob er schon einmal daran gedacht habe, sich zu vergrößern? „Nein, denn ich mache das hier ja nicht, um reich zu werden“, sagt er. Shihora und seine Frau wollen von Geldgebern oder staatlichen Zuschüssen unabhängig bleiben. Der Comedy Club habe genau die richtige Größe, um allein bewältigt werden zu können, sagt er. Zudem würde man dieses familiäre Flair verlieren. Es gebe wichtigere Dinge im Leben. Er jedenfalls habe seine innere Ruhe gefunden.