Zwölf Stunden

Beim BKA geht es kriminell komisch zu

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Sebastian Blottner

Foto: Buddy Bartelsen / impress picture - Buddy Bartelsen

Die Abkürzung BKA steht auch für „Berliner Kabarett Anstalt“. Dort gibt es typisch Berliner Kiez-Entertainment für jeden Geschmack. Vom Kinderprogramm bis zur Travestie-Show.

11:10 Clown Willing alias Peter Scollin wird von Kinderhorden umlagert und malt ihnen zum Abschied rote Nasen ins Gesicht. Sein aktionsgeladenes Ein-Mann-Stück in englischer Sprache ist bei den Dritt- und Viertklässlern großartig angekommen, besonders als Lehrer und Erzieher auf die Bühne kamen. Der gebürtige Australier leitet die englischsprachige Theaterkompanie „Platypus“. „Wir geben uns sehr viel Mühe mit der Auswahl des Vokabulars und versuchen, unsere Aufführungen so mitreißend zu machen, dass die Kinder vergessen, dass sie dabei auch etwas lernen.“ Überall in der Stadt tritt das Ensemble auf. „Aber das BKA ist so etwas wie unsere Heimat“, sagt Scollin.

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12:20 Rainer Rubbert ist der letzte verbliebene Gründervater des BKA Theaters und bezeichnet seine Aufgabe heute als „senior advisor“. Gerade macht er die Kassenabrechnung des gestrigen Tages, klebt Quittungen auf, heftet die Stundenzettel der studentischen Barkräfte ab und zählt die Einnahmen der Abendkasse. Eigentlich ist Rubbert Komponist. Genauso lange, wie das BKA existiert, organisiert er hier die zeitgenössische Konzertreihe „Unerhörte Musik“. Rund 40 Konzerte im Jahr finden statt. „Alles Avantgarde. In der nächsten Woche zum Beispiel kommen drei Saxophonquartette, das ist ziemlich spektakulär“.

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13:00 „Ich liebe Konfetti“, sagt Petra Berger und rollt die Augen. Momentan kehrt sie es täglich bergeweise von der Bühne. Da muss man Nerven oder Humor bewahren. Sechs Stunden dauert es, bis sie Büros, Café und Theatersaal für die Abendvorstellung hergerichtet hat. Wegen der Kindershow hat sich ihr Schichtbeginn heute nach hinten verschoben.

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13:50 „Der ist eindeutig von heute.“ Beim Kaugummi-Frischetest macht Rolf Hasenauer niemand etwas vor. Gerade bestuhlt er den Saal für die abendliche Vorstellung und kümmert sich ohne jeglichen Grimm um die Hinterlassenschaften der Schulklassen unter den Beistelltischen. „Schlimmer sind die an den Klappstühlen“ sagt der Haustechniker.

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14:30 Die Hochgeschwindigkeit mit der Maria Mazgaj sich durch Ticketingmasken, Saalpläne und Reservierungslisten klickt, ist erstaunlich. Nebenbei erläutert sie einem Anrufer auch noch Buchungsdetails. Vormittags macht Mazgaj Telefondienst und ist für das gesamte Kartenmanagement verantwortlich. „Erst seit Mai bieten wir Platzkarten an, seitdem sind unsere Gäste viel glücklicher. Als es noch die freie Platzwahl gab, standen die Leute oft schon um 6.30 Uhr Schlange, mit einsatzbereiten Ellbogen“, sagt sie. Der Ausgleich für den Bürojob kommt am Abend: Da bedient die Diplomingenieurin für Theater- und Veranstaltungstechnik das Lichtpult.

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16:00 Ohne Praktikanten läuft im Kulturbetrieb inzwischen gar nichts mehr. Gregor Bastigkeit lernt gerade, wie schwer „Biggy’s Leggings Boutique“ ist. Es schiebt die leopardenfellgepunktete Bühnenkulisse für die Abendvorstellung in Position. Das etwa vier mal zwei Meter hohe Gestell stellt den Neuköllner Laden dar, in dem das Stück „Wenn Ediths Glocken läuten“ spielt.

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17:05 Sabine Münch bekommt vom Abendkassenchef Michael Suhrke zwei Tickets. „Abendkasse“ stimmt nur halb, denn Suhrkes Dienst hinter einem Mini-Tresen mit rotem Lampenschirmchen beginnt schon nachmittags.

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17:40 Perücke, Perlenkette, Plüschpullover – fertig ist die Neuköllner Hausfrau Edith Schröder. Gerade in die Künstlergarderobe gehastet, ist sie schon wieder auf dem Sprung. „Ich muss um 18 Uhr den Bus am Nollendorfplatz bekommen.“ Von dort startet die Comedy-Bustour durch Neukölln, auf der Frau Schröder mit ihrer dicken Brille den auch außerhalb der Stadt legendären Bezirk präsentiert und dabei kräftig motzt und meckert, wie es sich für eine Urberlinerin gehört. Die Schröder ist eigentlich der Ades Zabel und gilt seit den 80er-Jahren als Größe in der Berliner Kabarett- und Travestieszene. „Halb acht bin ich wieder da.“ Dann steht die dreistündige Abendvorstellung an.

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18:45 Das übrige Künstlerensemble des Abends ist jetzt vollständig angerückt. Zum so genannten Line-Check holt Sven Ihlenfeld jeden einzeln auf die Bühne. „Für so eine Show, die viel Abende läuft, ist grundsätzlich alles eingerichtet“, sagt der Tontechniker, „aber die Headsets sind doch eine anfällige Fehlerquelle und müssen immer noch einmal gecheckt werden“. Er kontrolliert den individuellen Batteriestand, die Lautstärken und schiebt ein paar Regler in Position. Höchste Zeit, denn gleich kommen die Gäste.

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19:10 Holger Wrede und Christine Lodahl sind zum ersten Mal hier. „Wir sind gespannt, was uns erwartet.“ Die gute Sicht ist schon einmal garantiert, denn die Gäste haben Tisch Nummer zwei, direkt in der Mitte vor der Bühne bekommen. Platzanweiserin Lena Bald begleitet sie dorthin, das gehört im BKA Theater zum freundlichen Service. Lena Bald macht derzeit ein Praktikum im Theater.

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19:55 Showtime! Ades Zabel, Biggy van Blond, Bob Schneider, Nicolai Tegeler und Stefan Kuschner sind dick geschminkt und einsatzbereit. Ein letzter prüfender Blick in den Spiegel der Künstlergarderobe, ein „toitoitoi“ unter den Darstellern und schon geht es los.

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21:35 Pause. Jetzt muss im Gastroteam alles wie am Schnürchen laufen, denn die Gäste sind bestens gelaunt und durstig. „Wenn ausverkauft ist, sind wir zu siebt, da ist hier richtig Action“, sagt Gastrochef Sören Leusch. Die rund 250 Gäste werden im BKA Theater am Tisch bedient, da kommen für die jungen Leute eine Menge Laufkilometer zusammen. Neben Getränken aller Art sind die Einweck-Snacks beliebt: Thaicurry, Chili con Carne und Kartoffeleintopf.

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23:20 Beschwingt strömt das Publikum die Treppen hinab. Nur wenige bringen die Geduld auf, sich am berüchtigt langsamen Fahrstuhl anzustellen. Eben noch auf der Bühne, mischen sich Edith Schröder und Jutta Hartmann alias Bob Schneider unters Volk und signieren am Ausgang ihre Bücher. Trotz des bekannten „Fluchteffektes“, wie Geschäftsführer Uwe Berger es nennt, wenn das Publikum nach Theatervorstellungen umgehend in andere Etablissements strebt, nehmen einige noch ein letztes Glas im Café, noch sichtlich amüsiert. Erst um Mitternacht ist endgültig Feierabend in der Berliner Kabarett Anstalt.