Berliner Morgenpost: In Ihrem neuen Film „Buddy“ spielen Sie einen Schutzengel. Glauben Sie an Engel?
Bully Herbig: Die Frage musste ja kommen. Ich hatte also genug Zeit, mir was Schlaues zu überlegen. Es hat mit Glauben zu tun, es geht aber eher um ein Bauchgefühl. Ich glaube an eine Schutzfunktion, die uns eingebaut ist. So eine innere Stimme. Eine, die man als Kind wesentlich öfter hört. Die man später aber gern gegen das Köpfchen eintauscht. Was nicht immer gut ist. Erfahrung ist eine Sache. Aber den Bauch darf man nicht unterschätzen. Vielleicht hat jeder einen Schutzengel in sich.
Haben Sie einen? Hatte der schon was zu tun?
Und ob. Das war wie ein zweiter Geburtstag. Ich war wohl 21, wir waren im Winter im Auto unterwegs. Alle waren müde und sind eingeschlafen, inklusive Fahrer. Wir sind mit 130 voll gegen die Leitplanke, der Wagen überschlug sich, wir rutschten in der Rush Hour auf dem Dach quer über die Autobahn. Wir alle kopfüber, und das Dach wurde so heiß, wegen der Reibung. Ich dachte in dem Moment echt, es ist aus. Aber wir kamen zehn Meter vor einem Brückenpfeiler zum Stehen. Wir sind alle vier heil rausgekommen und hatten nur dieses lächerliche Schleudertrauma. Da denkst du schon, dass jemand auf dich aufgepasst hat.
Ist da die Idee zu „Buddy“ entstanden?
Du bist schon eine Weile traumatisiert nach so einer Erfahrung. Ich tue mich heute noch schwer, als Beifahrer ein Nickerchen zu machen. Lieber labere ich den Fahrer zu, um den wachzuhalten. Auch nach 20 Jahren noch. Das war aber nicht ausschlaggebend für den Film. Immerhin, das Schleudertrauma habe ich übernommen.
Der Film kommt jetzt am zweiten Weihnachtstag ins Kino. Wie sieht das Fest bei den Herbigs aus? Schlüpfen Sie in ein Weihnachtsmannkostüm?
Naja, seit dreieinhalb Jahren gibt es ja jetzt einen kleinen Mann in unserer Familie. Da haben sich die Prioritäten ein wenig verschoben. Mir macht es irrsinnig Spaß, ihm das spannend zu gestalten. Weihnachten mochte ich schon immer, aber jetzt gehe ich mit ihm im Wald spazieren, um zu schauen, ob wir irgendwo das Christkind ertappen. Ich zelebriere das. Das hat nichts mit Glauben zu tun, ich bin schon vor Jahren aus der Kirche ausgetreten. Aber ich liebe es, wie alle Leute runter kommen, sich eine Auszeit nehmen. Diese Legitimation, nicht erreichbar zu sein, nicht ans Handy gehen zu müssen. Diese Ruhe genieße ich sehr.
Sie gehören nicht zu denen, die dem Weihnachtsstress entfliehen und in die Sonne fliegen?
Ach, Stress. Dem kann man sich ja entziehen. Ich habe das ja selbst in der Hand. Wenn ich unterm Jahr irgendwas finde, was ich schenken könnte, dann horte ich das. Den Stress bist du dann schon mal los. Und ich mach auch den anderen keinen, weil ich sage, ich brauch nichts, ich hab doch alles. Ich freue mich einfach nur, wenn wir alle runterfahren.
Erlebt man Weihnachten noch mal anders, wenn man sich in seinem Kind wieder entdeckt?
Na klar. Du hast ja nicht vergessen, wie das war. Das ist vergleichbar wie mit deinem ersten Date. Oder einem Kinostart. Ja, ein sehr guter Vergleich. So geht mir das heute, wenn ein neuer Film ins Kino kommt. Eine Mischung aus schöner Aufgeregtheit und ungeduldiger Erwartung.
Nun fällt Ihr Kinostart just auf Weihnachten. Da ist es doch nichts mit Ruhe und runterfahren.
Erwischt. Vergessen Sie alles, was ich gerade gesagt habe. Dieses Jahr ist alles anders. Der Film war ursprünglich auf den November terminiert. Aber das war unglaublich optimistisch geplant. Das hätten wir nicht hinbekommen. Jetzt haben wir den perfekten Kinostart, der Film passt einfach zu Weihnachten. Dafür beiße ich gern in den sauren Apfel, dass ich fingernägelkauend unterm Baum sitze.
Sie haben aber auch Glück. Wenn Sie der Nikolaus fragt, ob Sie ein Engel waren, können Sie dieses Jahr mit Fug und Recht sagen: Ja.
Das wäre natürlich ein bisschen gemogelt. Aber es wäre die halbe Wahrheit. Das Tolle am Spielen ist tatsächlich, dass man immer behaupten kann, man war mal ein Indianer, man war mal ein Astronaut oder ein windiger Journalist. Ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.
Ist das auch so etwas Kindhaftes, was einen am Beruf freut? Dass man Cowboy und Indianer sein kann, wie wir das als Kinder gespielt haben?
Ich mag den englischen Begriff actor eigentlich lieber, weil das meinem Idealbild näher kommt. Aber das Schöne an dem Wort Schauspieler ist schon, dass da dieses Spielerische drin steckt. Egal wie dramatisch die Rolle ist, du spielst sie trotzdem. Und wenn du spielst, brauchst du eine Spielfreude, sonst funktioniert es nicht. Ich hatte Glück. Bisher hat mir immer Spaß gemacht, was ich spielen durfte.
Nach „Der Schuh des Manitu“, „(T)Raumschiff Surprise“ und „Lissi und der wilde Kaiser“ ist dies nun keine Parodie mehr. Tut sich da ein neuer Abschnitt auf. Erfindet sich Bully Herbig neu?
„Wicki und die starken Männer“ war schon keine reine Parodie mehr, ein kleiner Schritt weg von dieser Richtung. Danach ist ohnehin einiges passiert bei mir. Ich bin Vater geworden, was dazu führte, dass ich den Ball etwas flacher hielt. Deshalb war ich als Schauspieler für Leander Haußmann und Helmut Dietl tätig, durfte bei „Der unglaubliche Burt Wonderstone“ sogar mal etwas internationale Luft schnuppern. Und was mein Sohn mit mir privat angestellt hat, haben diese Filme mit mir beruflich getan. Ich war wie auf Fortbildung. Ich fand das unheimlich bereichernd. Ohne diese Erfahrung würde es „Buddy“ sicher nicht geben. Den Film hätte ich mir vor zehn Jahren noch nicht zugetraut. Du lässt ja emotional schon die Hose runter. Das ist natürlich ein Risiko, du verlässt deinen Teich.
Und verlassen Sie den für immer? Oder könnten Sie auch wieder zurückkehren?
Man darf ja nie etwas ausschließen. Aber momentan juckt mich die Parodie nicht mehr so. Ich habe das ja auch echt lang und oft gemacht. Seien wir mal optimistisch. Sagen wir mal, ich schaff die 70 oder 80. Da hat man noch viel Zeit, sein Süppchen zu kochen. Das ist dann wie eine Schaffenssuppe. Da ist eine Prise „Manitu“ drin, eine Prise „Lux“, ein bisschen „Buddy“. Am Ende rührst du rum und schmeckst ab. Und wenn die Suppe die richtige Würze hat, dann hast du was geschafft. Wenn ich mir so Leute wie Clint Eastwood ansehe, der wirklich lange so was von in einer Schublade steckte und jetzt mit 70, 80 seine besten Filme dreht, da denke ich mir: Da geht doch noch was. Natürlich gehst du bei jedem neuen Schritt ein Wagnis ein. Auch auf die Gefahr hin, Leute zu vergraulen. Aber die Chance, dass du auch ein neues Publikum gewinnst oder das alte überraschst, finde ich wesentlich spannender, als ständig auf derselben Stelle zu treten.
Wann war klar, Sie werden den Engel spielen?
Anfangs wusste ich überhaupt nicht, ob ich mitspielen werde. Oder wer den Engel spielen sollte. Bis dann die Idee mit der Musik ins Spiel kam. Den Gedanken, dass ein Engel seinen Schützling mit Musik foltert, wenn dieser nicht auf ihn hören will, fand ich sehr witzig. Das konnte ich keinem anderen Schauspieler zumuten, deshalb hab´ ich´s selber gespielt.
Die spannendste Werbung, die je für einen deutschen Film gemacht wurde, ist die TV-Sitcom „Bully macht Buddy“. Oder ist es andersrum – ist „Buddy“ der Film zur Sitcom?
Es ist nur Spaß. Nicht mehr und nicht weniger. Als ich mich mit „Buddy“ beschäftigt habe, war ich eine Weile in Amerika. Dort ist es völlig normal, dass man auch mal zu einer Sitcom-Aufzeichnung geht. Sowas gibt es bei uns leider gar nicht. Die meisten hier glauben ja, die Lacher kommen vom Band. Das fühlt sich in der Synchronisation auch so an. Aber im Original spielen die wirklich vor Leuten, da entsteht eine ganz andere Energie. Das Absurde ist, dass uns die Leute jetzt gar nicht glauben, dass wir das vor Publikum gespielt haben. So was mal zu machen, hat mich immer gereizt. Mir fehlte nur die Idee dazu. Und das schien jetzt die richtige zu sein: Eine Sitcom über einen Typen, der einen Film machen will. Ich hoffe, es wird noch weitere deutsche Sitcoms geben.
Nun ist die Serie unter den Pro-Sieben-Durchschnitt gerutscht.
Uns war von Anfang an klar, das ist ein zeitlich begrenztes Experiment. Du machst dich total angreifbar. Natürlich ist das keine Sketchshow, keine „Bullyparade“. Aber ich sagte immer, schlimmer als bei der „Bullyparade“ kann’s gar nicht werden. Heute sagen alle, die war Kult. Aber die ersten drei Staffeln hat doch keiner geguckt. Die wurde uns um die Ohren gehauen, die Quote war nicht der Rede wert. Heute behaupten manche, der Erfolg vom „Schuh des Manitu“ war absehbar, nach der „Bullyparade“. Im Gegenteil. Die erfolgreichste Staffel war die sechste, nach „Manitu“. Weil alle, die im Kino waren, plötzlich die Show sehen wollten. Von Anfang an war alles polarisierend. Das hat immer erst mal Ablehnung hervorgerufen. Das war auch immer ein bisschen Pionierarbeit. Wenn die „Bullyparade“ heute als Kult angesehen wird, freut mich das. Aber Damals haben wir manchmal echt gelitten. Wir dachten, das geht niemals weiter.
Es gibt seit kurzem das Bullyversum, es gibt die Sitcom zum Film. Wann kommt eigentlich das Buch „Bully geht einkaufen“?
(lacht) Schöne Idee. Das werde ich sofort umsetzen. Womöglich ist das wie bei den Kochshows. „Bully geht einkaufen“ wird bestimmt ein großer Erfolg. Und ist auch wesentlich billiger zu produzieren als eine Sitcom.
Steckt da nicht auch ein Gran Größenwahn in Bully? Alles muss medialisiert werden?
Nein. Es ist wirklich nur Spaß. Vielleicht sollte ich einfach mal die Klappe halten. Aber mir rutschen immer so Sachen raus, und dann gibt es eben Leute, die sagen: Ja, das machen wir. Ich kann einfach nichts wegwerfen, deshalb fragte ich mich, ob man aus den vielen Requisiten nicht so etwas wie ein modernes Karl-Valentin-Museum machen könnte. So entstand das Bullyversum. Dass das dann so groß wird, hätte ich auch nicht gedacht. Aber das kann man dann auch nicht mehr aufhalten. Oder Sie jetzt: „Bully geht einkaufen“. Da haben Sie was angerichtet. Das schwelt jetzt in mir. Freut euch auf nächstes Jahr. Sie bekommen auch Tantiemen.
„Manitu“ war ein epochaler Erfolg, „Surprise“ gleich noch einer. Ist das auch ein Fluch? Eine Latte, an der man immer gemessen wird?
Ein bisschen schon. Wenn ein deutscher Film zwei Millionen Besucher anlockt, ist das ein Hit. „Manitu“ hatte fast 12 Millionen, wenn ich jetzt mit sensationellen zwei Millionen daherkäme, heißt es wahrscheinlich, der bleibt schwer hinter den Erwartungen zurück. Da lassen sich manche womöglich dazu hinreißen, von einem Flop zu sprechen. Damit muss ich leben. Aber ganz ehrlich? Das ist Jammern auf hohem Niveau.
Sie sind der deutsche Kinokönig. Aber auch „Zettl“ und „Hotel Lux“ von Dietl und Haußmann sind gefloppt. Kratzt das am Selbstwertgefühl?
Nein. Mir ist klar, dass die Leute kaum unterscheiden zwischen „einem Film mit...“ und „einem Film von...“.“ Ist klar, meine Nase ist abgebildet und mein Name steht auf dem Plakat. Aber natürlich habe ich eine ganz andere emotionale Bindungen zu einem Film wie „Buddy“, den ich inszeniert habe, als wenn du „nur“ spielst. Mir hat das irrsinnig leid getan für Dietl und Haußmann, ich habe die Filme auch sehr gemocht. Aber ich habe das als Zaungast beobachtet. Das hab ich mir von „Manitu“ behalten. Als das so losging, haben Rick Kavanian und ich uns auf einem Parkplatz geschworen, diesen Wahnsinn nicht an uns heranzulassen. Dass wir uns das wie Zaungäste angucken. Wir gucken einfach, wie alle anderen um uns herum durchdrehen. Diese Haltung habe ich mir glücklicherweise bewahren können. Das gleiche gilt auch für einen Misserfolg. Den darf man auch nicht zu nah an sich heranlassen.
Wenn wir von deutschen Blockbustern sprechen, gibt es nur wenige Stars, die den Erfolg versprechen. Nach Ihnen kommt lange nichts, dann Til Schweiger, Matthias Schweighöfer und neuerdings auch Elyas M’Barek. Sie sind die „Blockbastler“. Haben Sie eigentlich Kontakt miteinander? Oder empfinden Sie sich als Konkurrenten?
Mir ist es eine enorme Erleichterung, wenn das auf mehreren Schultern lastet. Ich wünschte mir, dass da mehr nachkommt. Vor allem würde ich mir das auch bei den weiblichen Darstellern wünschen. Til kenne ich schon etwas länger, er hat ja bei „(T)Raumschiff Surprise“ mitgespielt. Und Elyas hat jetzt bei der Sitcom mitgemacht. Die Aufzeichnung war schon vor einigen Wochen, lange vor dem Kinostart von „Fack ju Göhte“. Mit diesem wahnsinnigen Erfolg hat, glaube ich, keiner gerechnet. Für die Sitcom war´s ein Geschenk. Ich freu mich für ihn. Ich freu mich für jeden neuen Film, der durch die Decke geht. Mir tut’s auch gut, wenn sich alle mal auf einen anderen stürzen und ich in Ruhe arbeiten kann.
Ich muss noch mal auf Ihren kleinen Mann kommen. Weiß der eigentlich, was sein Papa macht?
Nee. Im Bullyversum war er schon, mit meiner Frau. Das war bunt, das hat ihm gefallen. Und zu Hause hat er mir mit großen Augen gesagt: Papa, ich war im Bullyversum unddu warst auch da! Er kriegt schon mit, dass die Leute mich ansprechen und Autogramme wollen. Vielleicht glaubt er aber, das ist bei allen Vätern so. Bei uns zu Hause läuft kein Fernsehen, seit es ihn gibt. Höchstens ein bisschen Fußball am Samstag, aber da verliert er nach einer Viertelstunde das Interesse. Er weiß auch noch nicht, was Filme sind. Und das soll auch eine Weile so bleiben.